Obama’s Tokenistic Politics

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Obama betreibt leichtgewichtige Symbolpolitik

Wie einst West-Berlin befinden sich Estland, Lettland und Litauen heute in einer Frontstellung. Daher freut sich Osteuropa auf den Besuch des US-Präsidenten. Doch kann er die Krise entschärfen?

Seinen größten Auftritt hatte John F. Kennedy einem europäischen Scharfmacher zu verdanken: Berlins Bürgermeister Willy Brandt war es, der schon 1961 dringend um einen Besuch des US-Präsidenten in der Frontstadt bat. Der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow wollte West-Berlin die Lebensfähigkeit rauben, Panzer standen sich am Checkpoint Charlie gegenüber und Brandt forderte, dass der Anführer der freien Welt mit seiner physischen Präsenz zeigen müsse, wo Westen ist.

Kennedy kam nicht. Er fürchtete, der Besuch könne eine gefährliche Eskalation bewirken. Er ließ Brandt fast zwei Jahre warten, bis er vor dem Schönberger Rathaus von sich und allen freien Menschen als Berlinern sprach. Im Vergleich dazu ist Barack Obama mit seiner Reise ins Baltikum geradezu übermütig forsch. Ausnahmsweise.

Die historischen Analogien zwischen dem aktuellen Ukraine-Konflikt und dem Kalten Krieg sind nur begrenzt berechtigt. Richtig aber ist, dass die Balten sich heute in einer ähnlichen Frontstellung wie Berlin befinden. Die zusammen sechs Millionen Einwohner Estlands, Lettlands und Litauens sind militärisch ziemlich wehrlos und so zwischen Russland, dessen Verbündetem Weißrussland und Moskaus Exklave Königsberg eingezwängt, dass ihre Versorgungslinien leicht zu kappen sind.

Destabilisierung des Baltikums ist möglich

Ideologisch wäre eine Einmischung Putins im Baltikum folgerichtig: Er strebt (wahrscheinlich) nicht nach der Weltherrschaft wie seine sowjetischen Vorgänger, aber er will die Kontrolle über russische Siedlungsgebiete und über jene Republiken, die sich einst aus der UdSSR verabschiedeten. Das taten damals die Balten zuallererst und mit demonstrativer Erleichterung.

Auch ist der russische Anteil an der Bevölkerung im Baltikum so groß (in Lettland fast 27 Prozent), dass sich eine russische Destabilisierung nach Vorbild der Ostukraine leicht bewerkstelligen ließe. Es müssten nur angeblich unterdrückte Russen sich vermeintlich erheben und um Hilfe rufen. Einen wesentlichen Unterschied gibt es: Bei Obamas Besuch muss niemand fürchten, dass der Gegner überreagiert.

Obama betreibt Symbolpolitik, aber das Gewicht seiner Worte ist gering. So ist das bei einem Präsidenten, der “rote Linien” in Syrien zieht und überschreiten lässt, sich gegenüber der Terrorgruppe Islamischer Staat als “ratlos” bezeichnet und der immer zögert, militärische Konsequenzen zu ziehen. Aber dürfen wir Europäer uns beschweren? Wir sind reicher als 1961, aber wir halten das selbst gesetzte Ziel nicht ein, wenigstens zwei Prozent unserer Haushalte für die Verteidigung auszugeben. Vor dem Nato-Gipfel sollten wir lernen, nicht immer andere um Hilfe zu bitten.

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