Barack Obama’s Tragedy

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Die Tragik des Barack Obama

17.09.2014

VON MATTHIAS NASS

Der amerikanische Präsident beginnt einen Krieg, den er nie führen wollte – mit einer Koalition, auf die er sich nicht verlassen kann.

Es ist eine tragische Wende, die Barack Obamas Präsidentschaft in diesen Tagen nimmt. Von den Amerikanern gewählt, um das Land aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan herauszuführen, beginnt Obama jetzt selbst einen Krieg im Mittleren Osten.

Der Präsident scheut das Wort “Krieg”. Lieber spricht er von einem Antiterroreinsatz, vergleicht die angekündigten Luftschläge gegen die Mörderbande des “Islamischen Staats” im Irak und in Syrien mit gezielten Angriffen auf einzelne Terroristen und Terrorgruppen im Jemen und in Somalia.

Aber natürlich ist es ein Krieg – der dritte Irak-Krieg in einem Vierteljahrhundert. Und er hat schon begonnen: Mehr als 160 Angriffe hat die US-Luftwaffe in den vergangenen Wochen gegen den IS geflogen.

Auch Obama versucht, eine Kriegskoalition zu schmieden – wie es vor ihm Bush der Ältere und Bush der Jüngere taten. In Paris trafen sich am Montag dieser Woche die Vertreter von 29 Staaten. Aber mehr noch als bei seinen Vorgängern reicht es allenfalls für eine Koalition der Unwilligen.

Gerade in der arabischen Welt stößt der unfreiwillige Kriegspräsident auf offene oder höflich kaschierte Zurückhaltung. Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien – sie alle scheinen drängendere Sorgen zu haben als den Kampf gegen den “Islamischen Staat”. Auf ihre Zusagen, gemeinsam in den Kampf zu ziehen, sollte sich Obama lieber nicht verlassen. Sie werden einen Teufel tun und das Regime Assads in Syrien stabilisieren, indem sie seinen gefährlichsten Feind vernichten. Und ganz gewiss wollen sie nicht nebenbei ihren Erzfeind stärken, den schiitischen Iran.

Der Nato-Verbündete Türkei, über dessen Grenzen Dschihadisten in großer Zahl nach Syrien hinein und wieder heraus reisen, will sich ganz heraushalten. Nicht nur, weil der “Islamische Staat” 49 türkische Geiseln gefangen hält und bedroht, sondern weil auch für Ankara der Sturz Assads oberste Priorität hat. Nicht einmal ihre Luftwaffenstützpunkte wollen die Türken den Amerikanern zur Verfügung stellen.

Bleiben bisher Franzosen und Australier, die bereit sind, sich mit eigenen Kampfbombern an Luftschlägen zu beteiligen. Wenn die Amerikaner sich umschauen, wer ihnen folgt und die IS-Mörder “bis an die Pforten der Hölle” (US-Vizepräsident Joe Biden) jagen will, dann erblicken sie nur ein paar westliche Verbündete.

“Aber das Letzte, was wir brauchen, ist ein neuer Kreuzzug des Westens”, sagte zu Recht der amerikanische Nahost-Experte Kenneth Pollack dem Spiegel. Genau so aber kann es – wieder einmal – aussehen. Zumindest in der Wahrnehmung der islamischen Welt.

Obama hat lange gezögert, in den syrischen Bürgerkrieg einzugreifen. Unter dem Eindruck der grauenhaften Enthauptungs-Videos hat er nun keine Wahl mehr, als militärisch zu handeln und auch in Syrien Stellungen des IS bombardieren zu lassen. Aber er weiß, dass er die tieferen Konflikte, die dem dramatischen Aufstieg des “Islamischen Staats” zugrunde liegen, in seiner Amtszeit nicht wird lösen können.

“Dies wird ein Problem für den nächsten Präsidenten sein”, sagte er dieser Tage in privater Runde, “und wahrscheinlich für dessen Nachfolger.”

Und so beginnt ein neuer Krieg, dessen Ausgang niemand absehen kann. Nur eines ist sicher: Er wird anders werden und schwieriger als in den Planspielen der Strategen vorgesehen. Es ist immer so.

Die Barbarei stoppen! Das duldet keinen Widerspruch. Es ist ja auch im Kern eine ethisch richtige Entscheidung. Niemand sollte jene, die sich dem IS entgegenstellen, kritisieren. Doch wieder, das muss jeder wissen, wird der Preis entsetzlich hoch sein.

Obama weiß es. Wider den eigenen Willen sieht er sich zum Handeln gezwungen. Das ist seine Tragik.

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