Obama Loses his Voice

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Obama verliert seinen Lautsprecher

Von Matthias Kolb

26.09.2014

Für Eric Holder sind die USA eine “Nation von Feiglingen”. Als Justizminister hat er gegen Rassismus gekämpft. Nun tritt er ab – und Obama muss jenen Mann ersetzen, dem das schwarze Amerika vertraut.

Er lässt ihn nicht gerne ziehen, das ist unübersehbar. Barack Obama steht im East Dining Room des Weißen Hauses und überschüttet Eric Holder mit Lob. Dieser habe sich als Justizminister seit 2009 unermüdlich für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung eingesetzt. Holder war einer der wenigen persönlichen Freunde in Obamas Kabinett, doch der US-Präsident verliert zudem seinen wichtigsten Kämpfer für Bürgerrechte und jenen Minister, der die Sorgen des schwarzen Amerikas kennt und ihrer Wut Ausdruck verleiht.

Kaum war er zum ersten afroamerikanischen Justizminister ernannt worden, sorgte Eric Holder für Aufsehen. Im Februar 2009 sprach er in einer Rede vor Mitarbeitern Klartext: “Diese Nation hat sich stets stolz als ethnischer Schmelztiegel begriffen, aber in rassischen Dingen verhielten und verhalten wir uns oft wie eine Nation von Feiglingen.” Zwar begegneten sich schwarze und weiße Amerikaner am Arbeitsplatz, nach Feierabend und am Wochenende aber sei die Gesellschaft kaum anders als vor 50 Jahren.

Im Gegensatz zu Obama, den Holder früh bei dessen Kandidatur fürs Weiße Haus unterstützt hatte, wurde der heute 63-jährige New Yorker stark durch das Civil Rights Movement für die Gleichberechtigung der Schwarzen geprägt. Holder nahm als Jurastudent als Sitzstreiks an der Columbia University teil, um ein Büro nach Malcolm X benennen zu dürfen. Die Schwester seiner Ehefrau war eine der ersten beiden Afroamerikaner, die 1963 ihr Studium an der University of Alabama begannen – und von der Nationalgarde beschützt werden mussten.

Obama selbst erinnerte in seiner Dankesrede an Holders Vater, der als Soldat im Zweiten Weltkrieg für Amerika sein Leben riskierte – und nach der Rückkehr feststellen musste, dass er in Restaurants nicht bedient wurde. Im Sommer 2013 nahm der Justizminister in einer viel beachteten Rede vor der schwarzen Bürgerrechtsorganisation NAACP Bezug auf die Biographie seines Vaters.

Als Jugendlicher, so Holder, habe ihn sein Vater beiseite genommen und ihm erklärt, wie er sich als schwarzer Mann bei Polizeikontrollen zu verhalten habe. “Ich bin mir sicher, dass mein Vater damals glaubte, dass die Generation meiner Eltern die letzte sein werde, die sich um ihre Kinder wegen solcher Dinge Sorgen machen müsse.” Die “traurige Realität” sei jedoch, dass er nach dem Tod des unbewaffneten Teenagers Trayvon Martin dieses Gespräch mit seinem eigenen 15-jährigen Sohn habe führen müssen. Die bestehenden Missstände laut, deutlich und unmissverständlich anzusprechen – das war typisch für den 82. US-Justizminister, der in den Medien oft als “Obamas Blitzableiter” oder als “Obamas liberaler Krieger” bezeichnet wurde.

Dies tat Holder auch nach dem Tod des schwarzen Jugendlichen Michael Brown, der in Ferguson von einem Polizisten erschossen wurde. Obama, der erste schwarze Präsident Amerikas, gab sich staatsmännisch und mahnte zur Ruhe, während Holder deutlich mehr Verständnis für die Wut der Afroamerikaner in der Kleinstadt nahe St. Louis und im ganzen Land zeigte.

Nach tagelangen, gewalttätigen Protesten war es schließlich Eric Holder, der im August 2014 nach Ferguson reiste, um die Lage zu beruhigen. Anfang September nahm das Justizministerium Ermittlungen gegen die Polizei von Ferguson auf. Viele Beobachter teilten die Einschätzung der Washington Post, wonach Holder der Anführer der Schwarzen war, der Barack Obama niemals sein konnte (und wohl auch nicht wollte).

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