No, We Don’t Live in the ’70s Anymore

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Selten schräg: 23 prominente Ökonomen und Geldmänner haben vor vier Jahren wegen der Fed-Politik hohe Inflation und Währungszerrüttung vorausgesagt. Heute darauf angesprochen, erkennen sie keine Fehlprognose, sondern sehen sich sogar bestätigt. Daneben ruft in diesem Beitrag eine traurige Pflicht in Gestalt eines kurzen Nachrufs auf den Ökonomen Ronald McKinnon.

Wir wissen nicht, ob die Kollegen der Nachrichtenagentur Bloomberg das Thema gerade jetzt gespielt haben, weil die EZB sich anschickt, selbst Wertpapiere zu kaufen. Jedenfalls veröffentlichten Mitte November 2010 bekannte Ökonomen, darunter John Taylor (Stanford) und Niall Ferguson (Harvard), sowie Vermögensverwalter, darunter Cliff Asness (AQR Capital), einen öffentlichen Brief an den damaligen Fed-Chef Ben Bernanke, in dem sie wegen der Wertpapierkäufe der Fed düstere Voraussagen machten.

Dieser Brief findet sich hier.

Am Donnerstag, dem 2. Oktober, veröffentlichte Bloomberg – hier – Ergebnisse einer aktuellen Befragung von damaligen Crashpropheten. Einige äußerten sich und ihre Reaktionen erzeugten zunächst auf Twitter Fassungslosigkeit, weil kaum einer einen Fehler zugab.

Fehlprognosen sind kein Unglück; bekanntlich sind nach einem Bonmot Vorhersagen besonders schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen. Auch in Deutschland hatten manche Ökonomen in den vergangenen Jahren eine spürbare Beschleunigung der Geldentwertung prognostiziert; an eine Reihe dieser Weissagungen wurden vor einigen Wochen in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erinnert.

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass nicht wenige dieser Fehlprognosen von Personen stammen, die ihre akademische Ausbildung in den siebziger und/oder frühen achtziger Jahren genossen hatten. Denn die Inflation war seinerzeit ein großes Thema – in den Vereinigten Staaten stieg sie bis auf rund 14 Prozent – und mit den Lehren der damals angesagten Monetaristen wurde ein enger Zusammenhang zwischen der Geldproduktion der Zentralbank und der Inflationsrate postuliert.

Seitdem ist viel geschehen und die These eines sehr engen Zusammenhangs, der von der Geldbasis zur Inflation führt, wird von jüngeren Fachvertretern so gut wie gar nicht mehr vertreten. 1) Es gibt auch reifere Experten, die sich von den alten Lehren distanzieren. Wir haben in diesem Zusammenhang in FAZIT mehrfach den Nobelpreisträger Chris Sims zitiert und können heute Narayana Kocherlakota hinzufügen, den Präsidenten der Federal Reserve Bank of Minneapolis: “So, it’s fun and educational to read about the 1970s on the Fed history gateway. I encourage you to do so. But it’s critical for monetary policymakers like myself to realize that the times, and challenges, that we face are different…”

Einer der Unterzeichner des offenen Briefs an Bernanke war Ronald McKinnon (1935 bis 2014), ein Kanadier, der seit Jahrzehnten Professor im kalifornischen Stanford war. McKinnon ist jetzt an den Folgen eines Unfalls verstorben und wenn wir in FAZIT seiner gedenken, geschieht dies sicherlich nicht wegen einer Fehlprognose vor vier Jahren, sondern weil er ein sehr interessanter Ökonom war. Als McKinnons Spezialgebiete galten internationale Wirtschafts- und Währungsfragen.

Immer wieder erwähnt werden zum einen frühe Arbeiten mit seinem älteren Stanford-Kollegen Edward Shaw 2), in denen sie sich sehr früh mit dem heute aktuellen Thema “finanzielle Repression” beschäftigten. Damals besaßen Entwicklungsländer eine Neigung, durch hohe Inflation negative Realzinsen zu erzeugen, um auf diesem Wege Anreize für Investitionen zu schaffen. Inflation war in den siebziger Jahren in vielen Ländern kein Schreckgespenst. McKinnon und Shaw zeigten damals, dass eine solche Strategie keinen Erfolg verspricht, weil durch die negativen Realzinsen keine Anreize zur Bildung von Ersparnissen bestehen.

Viele Arbeiten des “reifen” Ronald McKinnon kreisten um eines oder mehrere der nachfolgenden Themen: die Bedeutung des Dollar als Weltwährung, die Folgen für die Vereinigten Staaten und für Entwicklungs- und Schwellenländer verbunden mit der Frage, in welchem Tempo Schwellen- und Entwicklungsländer ihre Finanzsysteme liberalisieren sollten. In diesem Zusammenhang interessierte sich McKinnon für die Effekte kurzfristiger spekulativer Kapitalbewegungen (“hot money”) und damit verbundene Anlagestrategien wie “carry trades”.

Fast naturgemäß blickte McKinnon aus seinem Büro in Kalifornien über den Pazifik nach Japan, aber auch nach China. McKinnon war kein Anhänger der amerikanischen Forderungen, die Chinesen sollten den Wechselkurs des Yuan freigeben, damit dieser aufwerten könne. McKinnon erwartete für einen solchen Fall starke Zuflüsse von “hot money” aus den Vereinigten Staaten nach China, angelockt durch die Zinsdifferenz und Hoffnungen auf eine Aufwertung des Yuan.

In einem seiner letzten Aufsätze wandte sich McKinnon noch einmal gegen eine Freigabe des Wechselkurses der chinesischen Währung. Anstelle einer damit verbundenen externen Aufwertung über die Währung plädierte er für eine interne Aufwertung in China durch höhere Löhne. McKinnon war ein fleißiger Schreiber, der Facharbeiten (bis hin zu Spitzenjournals wie in der American Economic Review), Bücher und Aufsätze für populäre Medien veröffentlichte. Daneben betätigte er sich, für einen angesehenen internationalen Ökonomen nicht ungewöhnlich, als Berater von Regierungen und internationalen Institutionen.

1) Hier ist eine kurze, aber einprägsame Erklärung aus der Federal Reserve Bank of St. Louis, die zeigt, warum das Zentralbankgeld als Indikator fragwürdig geworden ist: Die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes ist dramatisch zurückgegangen. (Die St. Louis Fed war einmal eine Hochburg des Monetarismus. Tempi passati…)

2) Shaw war zuvor durch das gemeinsam mit seinem Kollegen John Gurley verfasste Buch “Money in a Theory of Finance” (1960) bekannt geworden. Vorübergehend wurde das Buch vergessen, aber seit kurzem erlebt es in manchen Fachkreisen eine kleine Renaissance. Wer die darin enthaltenen Analysen zu “inside money” und “outside money” kennt und ernst nimmt, hätte es sich vor wenigen Jahren dreimal überlegt, lauthals die Inflation herbeizurufen. Und er wäre heute nicht sehr erstaunt, dass die Inflationsrate seit einiger Zeit im Euroraum sinkt und nicht steigt. Nicht, dass dieses Konzept punktgenaue Inflationsprognosen erlaubte, aber es bewahrt in erster Linie vor zu viel Selbstgewissheit.

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