Racist Jokes

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Schwarze und weiße Witze

VON MARTIN KLINGST

20.10.2014

Der russische Tennispräsident beleidigt zwei Spielerinnen. Wann ist ein Witz ein Witz? Und wann eine Demütigung?

Kürzlich hat der russische Tennispräsident Schamil Tarpischew die afroamerikanischen Tennisschwestern Serena und Venus Williams in einer russischen Late-Night-Show wegen ihrer strammen Muskeln angeblich scherzhaft die “Williams Brothers”, die “Gebrüder Williams” genannt.

Zurecht wurde das als “sexistisch” und “rassistisch” gebranntmarkt. Zurecht wurde Tarpischew von der Women’s Tennis Association (WTA) für ein Jahr gesperrt und zu einer Geldstrafe von 25.000 Dollar verurteilt. Über weiße Tennisspielerinnen, gar über weiße russische Tennisspielerinnen, hätte er sich nie so herablassend und beleidigend geäußert.

Es wird noch Generationen dauern, bis das Verhältnis zwischen Weißen und Schwarzen irgendwie “normal” sein wird. Das gilt ebenso für das Verhältnis von Heteros zu Schwulen, von Männern zu Frauen und so weiter. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.

Bis ein Witz eines Weißen über einen Schwarzen ein Witz sein kann, wird noch viel Zeit vergehen. Ein Witz ist eben eine Entwürdigung, solange er auf Kosten der gesellschaftlich Ausgegrenzten und Erniedrigten gemacht wird. Wenn er die ungerechten gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht aufs Korn nimmt, sondern sie wiederholt und sich an ihnen ergötzt. Wenn er in Wunden trifft.

“Sie wollen, dass ich mich dafür entschuldige, dass sie keinen Humor verstehen,” beschwerte sich Tarpischew gegenüber der Nachrichtenagentur Tass und zwang sich am Ende im Angesicht des Proteststurms zu einem äußerst schmallippigen Pardon. Sorry, es war nicht so gemeint.

Doch Tarpischew hat keinen Scherz gemacht. Er hat die Schwestern wissentlich erniedrigt, nicht nur weil sie starke Arme und Beine haben, sondern auch weil sie schwarz sind. Serena und Venus Williams reagierten auch nicht überempfindlich auf die Äußerung, wie ihnen jetzt mancher vorhält. Sie entrüsten sich mit gutem Grund. Denn sie haben oft genug am eigenen Leibe erfahren, dass sich Weiße über sie lustig machen und wegen ihrer Hautfarbe auf sie herabschauen. Diese tiefen Verletzungen haben sie nicht nur in ihrem eigenen Land erfahren, den USA, wo erst vor fünfzig Jahren die Rassentrennung gesetzlich abgeschafft wurde, sondern an vielen Orten dieser Welt.

Barack Obama, der erste schwarze Präsident Amerikas, brachte diese Erfahrungen vor einem guten Jahr auf den Punkt. Damals wurde in Florida ein weißer privater Hilfssheriff freigesprochen, der im Februar 2012 einen schwarzen 17-jährigen Jungen erschossen hatte, weil dieser ihm suspekt vorkam. Das Urteil brachte viele Amerikaner auf die Barrikaden. So wie kürzlich, als in der Stadt Ferguson im US-Bundesstaat Missouri ein weißer Polizist einen schwarzen Jungen tötete.

Was Barack Obama im Juli 2013 zu dem Fall aus Florida sagte, betraf die USA. Es ließe sich aber auf viele Orte dieser Welt übertragen. Obama sagte: “Es gibt in diesem Land sehr wenige afroamerikanische Männer, die nicht erfahren haben, dass man ihnen im Laden folgt, wenn sie einkaufen. Diese Erfahrung schließt mich ein. Es gibt sehr wenige Afroamerikaner, die nicht erlebt haben, dass aufgrund ihrer Gegenwart in einem Fahrstuhl eine Frau ängstlich ihre Handtasche umklammerte und den Atem anhielt, bis sie aussteigen konnte. Das geschieht oft.”

Noch heute erlebt Obama, dass er mit zweierlei Maß gemessen wird. Man schaut anders auf ihn, als auf einen weißen Präsidenten. Etliche seiner Gegner lehnen ihn nicht nur wegen seiner Meinung ab oder weil er ein fehlbarer Politiker ist. Sondern weil er eine andere Hautfarbe hat. Wie kaum ein zweiter Politiker wird er von vielen Widersachern geradezu verachtet. Nicht nur daheim.

Gleichwohl: Eine deutliche Mehrheit der Amerikaner hat ihn trotz nach wie vor existierender Ressentiments zweimal zum Präsidenten gewählt. Das ist ein gesellschaftlicher Fortschritt und Ausdruck einer lebendigen und gereiften Demokratie. Wer sich in den Vereinigten Staaten öffentlich rassistisch äußert, verliert Amt und Würde. Egal, ob er einem Sportbund vorsteht oder sich für ein politisches Amt bewirbt.

In Russland hingegen bekundet der Sportminister Verständnis und Sympathie für seinen mit rassistischen Vorurteilen spielenden Tennispräsidenten. In Russland verfolgt die Staatsmacht auch Schwule und Lesben. Russlands Präsident Wladimir Putin erlaubt sich sogar Witze über sie. Nur sind es eben keine Witze.

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