Kampf gegen IS
Und jetzt, Herr Präsident?
Es ist nur zu verständlich, dass Barack Obama sich scheut, Kampftruppen gegen
den „Islamischen Staat“ ins Feld zu schicken. Aber auch er kann die Tatsache
nicht ignorieren, dass der Einsatz von Bodentruppen unerlässlich ist. Wer
immer sie auch stellt. Ein Kommentar.
15.10.2014, von KLAUS-DIETER FRANKENBERGER
Auch nach dem Treffen hoher Militärs aus den Ländern, die sich in der
sogenannten Koalition gegen den „Islamischen Staat“ (IS) zusammengeschlossen
haben, hat sich an dem Grunddilemma des amerikanischen Präsidenten Barack Obama
nichts geändert. Er hat vor einiger Zeit als Ziel ausgegeben, die Terrormiliz zu
„schwächen und zu vernichten“. Die Luftangriffe gegen Stellungen und Einrichtungen
des „Islamischen Staates“ im Irak und in Syrien sind Mittel zu diesem Zweck.
Aber wie insbesondere der Kampfverlauf
um die nordsyrische Stadt Kobane zeigt,
reichen Luftangriffe noch nicht einmal aus,
um den Vormarsch von IS wirklich zu
stoppen und das Geschehen nachhaltig zu beeinflussen, geschweige denn, um IS „zu
vernichten“. Dazu braucht man Heerestruppen; amerikanische Soldaten will Obama
aber partout nicht einsetzen, kurdischen Kämpfern verweigert die Türkei Waffen und
Transit. Ankara hat bislang nur Panzer an der Grenze auffahren lassen; welchen
Demonstrationszweck das haben, wer damit eingeschüchtert oder beeindruckt werden
soll, ist unklar. Sollte Kobane an die islamistische Terrormiliz fallen, dann wäre das ein
fatales Signal: Die Türkei hätte dem Sieg der Islamisten tatenlos und im Wortsinne
zugesehen; die Luftangriffe unter amerikanischer Führung hätten den Vormarsch nicht
aufgehalten. Faktisch also eine Niederlage!
Es ist nur zu verständlich, dass Obama sich scheut, noch einmal Kampftruppen in ein
muslimisches Land zu schicken. Schließlich hat er seine Präsidentschaft unter das
Motiv gestellt, das lange Kriegsjahrzehnt nach dem „11. September“ endlich zu beenden.
Fortsetzen will er es gewiss nicht. Aber auch er kann die Tatsache nicht ignorieren, dass
der Einsatz von kampferprobten Bodentruppen unerlässlich ist – wer immer sie auch
stellt.
Im Kosovo-Krieg stellte die kosovarisch-albanische UÇK die Bodentruppe, die Nato flog
Luftangriffe. So war es auch im Frühjahr 2011: Westliche Staaten flogen Luftangriffe
gegen militärische Ziele in Libyen, aufständische Milizen gegen den libyschen
Herrscher Gaddafi operierten am Boden. Im Irakkrieg stellten die Amerikaner neben
Großbritannien im Wesentlichen selbst die Kampftruppen gegen Saddam Husseins
Armee; in Afghanistan stützten sich die Luftangriffe zunächst auf amerikanische
Spezialkommandos und afghanische Gegner der Taliban.
Ganz anders stellt sich die Lage heute dar: Im Irak erweist sich die irakische Armee als
unfähig, den Kämpfern des „Islamischen Staates“ standzuhalten; in Syrien sind die
kurdischen Verteidiger von Kobane schwach, der militärische Nachschub ist
unzureichend, und die sogenannten moderaten Aufständischen gegen das Assad-
Regime sind an den Rand gedrängt und immer weniger kampffähig.
Man darf annehmen, dass Obama sich dieser Lage bewusst ist, wenn auch schon der
Vorwurf der Selbsttäuschung zu hören ist. Der Vorwurf, er habe im Syrien-Konflikt viel
zu lange gezögert, wird schon lange erhoben, auch von früheren Mitgliedern seiner
Regierung. Wenn er es nicht schaffen sollte, die Koalition gegen IS auf ein Vorgehen zu
verpflichten, das ebenso realistisch wie erfolgversprechend ist, dann wird sein ohnehin
beschädigter Ruf als entschlossener Führer weiter Schaden nehmen. Und die Killer vom
„Islamischen Staat“ werden nur noch Hohn und Spott für ihn und die Vereinigten
Staaten übrig haben.
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