Dass Facebook und Apple ihren Mitarbeiterinnen 20.000 Dollar bieten, wenn sie ihre Eizellen einfrieren lassen, soll Torschlusspanik verhindern und Gleichberechtigung fördern. Doch es bringt neue Probleme.
Dass andere sich in Dinge einmischen, die sie allenfalls sekundär betreffen, ist eine anthropologische Konstante. Insofern leuchtet es ein, dass nun auch Facebook und Apple ihre Vision dessen kundtun, ob und wann berufstätige Frauen Kinder bekommen sollten. Beide Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeiterinnen mit bis zu 20.000 Dollar (rund 15.800 Euro), sofern diese sich für eine Entnahme und Konservierung ihrer Eizellen entscheiden.
Dies solle vor allem jungen Frauen erlauben, sich ganz auf den Job zu konzentrieren, ohne in Torschlusspanik zu geraten oder sich zwischen Büro und Baby aufzureiben. Dieses sogenannte “Social Freezing” mag noch gewöhnungsbedürftig klingen, neu ist es nicht. Der Vater der Antibabypille, Carl Djerassi, hatte eine solche Entwicklung bereits vor 14 Jahren vorausgesagt – und prognostizierte jüngst in der “Welt”, dass eine öffentliche Akzeptanz dieser Methode, ähnlich wie bei der In-vitro-Fertilisation, nur eine Frage der Zeit sein werde.
Aus der derzeit noch schwer bekömmlichen Tiefkühlkost würde damit in wenigen Jahren eine ganz normale Form der Familiengründung – und aus der erdrückenden Entscheidung zwischen Kind und Beruf die befreiende Gewissheit, mit einem kleinen Eingriff das eigene Alter, den Karriereknick und die Geschlechterkluft überwinden zu können.
Gerade im Silicon Valley täte vor allem Letzteres not; die Frauenquote von Apple und Facebook etwa liegt im Schnitt bei 30 Prozent. Der Verdacht liegt nahe, dass die quietschbunte Welt der Kalifornier, wo doch selbst Konferenzräume wie Spielzimmer aussehen, noch immer nicht sonderlich familienkompatibel ist.
Und es ist nur zu verständlich, dass Frauen nicht länger zurückstecken wollen, nur weil der biologische Imperativ es ihnen jahrhundertelang so diktierte, und dass sie die Reihenfolge von beruflicher und privater Selbstverwirklichung selbst bestimmen und die reproduktionsmedizinischen Möglichkeiten dafür nutzen möchten, ohne selbst fünfstellige Summen aufbringen zu müssen. Nur: Diese neu gewonnene Freiheit ist bestenfalls eine Illusion – und schlimmstenfalls eine repressive Falle.
Facebook und Apple gerieren sich gern als Avantgardisten der Arbeitswelt, feministische Wohlfahrtsorganisationen sind sie nicht. Wenn diese Firmen bereit sind, solch beträchtliche Summen zu bezahlen, dann keineswegs deshalb, um eine Familiengründung zu unterstützen – sonst könnte die Prämie ja auch als Windelgeld ausgezahlt werden –, sondern um sich dafür kinderlose Zeit zu erkaufen.
Ob der “richtige” Zeitpunkt je kommt?
Denn Angestellte ohne Anhang können öfter Überstunden machen; sie sind seltener übernächtigt; ihr kreatives Potenzial wird nicht beim Kita-Bastelnachmittag ausgereizt, und sie werden weder wegen Windpocken ausfallen noch Teilzeitstellen oder eine firmeninterne Nachmittagsbetreuung einfordern. Da kann sich die Investition in den Schwangerschaftsaufschub durchaus lohnen – zumal sie den Frauen suggeriert, dass Nachwuchs kein Problem sei; nur muss es ja nicht gerade jetzt sein.
Die Entscheidung “Karriere statt Kind” aber, und das ist der Treppenwitz, wird mit diesem Schritt – zumindest temporär – erneut gefällt. Es ist der Fluch der Flexibilität, wie ihn schon Richard Sennett in seiner “Kultur des neuen Kapitalismus” beschrieb: Langfristige Ziele, die den Lebenslauf bestimmen und über die ein Mensch sich letztlich definiert, werden den Bedürfnissen der Ökonomie geopfert. Und ob dann das Auftauen der Eizellen tatsächlich funktioniert, ob die spätere Schwangerschaft gut verläuft oder ob der “richtige” Zeitpunkt je kommen wird – kann niemand garantieren.
Dafür wird mit jeder Sprosse, die eine Frau auf der Karriereleiter erklommen hat, die mögliche Fallhöhe nach einer Babypause umso größer. Vorausgesetzt, dieser Aufstieg findet überhaupt statt. Durch das Einfrieren wird die Mutterschaft ja nicht ausgeschlossen, sondern nur vertagt – und damit ebenso die grundlegende Problematik, sich als Mutter in einer Führungsposition behaupten zu können. Umgekehrt gibt es aber auch keine Sicherheiten dafür, dass eine eilfertige Konservierung der Eizellen in der meist herrendominierten Chefetage tatsächlich als karriereförderliche Maßnahme anerkannt wird.
Ob der “richtige” Zeitpunkt je kommt?
Denn Angestellte ohne Anhang können öfter Überstunden machen; sie sind seltener übernächtigt; ihr kreatives Potenzial wird nicht beim Kita-Bastelnachmittag ausgereizt, und sie werden weder wegen Windpocken ausfallen noch Teilzeitstellen oder eine firmeninterne Nachmittagsbetreuung einfordern. Da kann sich die Investition in den Schwangerschaftsaufschub durchaus lohnen – zumal sie den Frauen suggeriert, dass Nachwuchs kein Problem sei; nur muss es ja nicht gerade jetzt sein.
Die Entscheidung “Karriere statt Kind” aber, und das ist der Treppenwitz, wird mit diesem Schritt – zumindest temporär – erneut gefällt. Es ist der Fluch der Flexibilität, wie ihn schon Richard Sennett in seiner “Kultur des neuen Kapitalismus” beschrieb: Langfristige Ziele, die den Lebenslauf bestimmen und über die ein Mensch sich letztlich definiert, werden den Bedürfnissen der Ökonomie geopfert. Und ob dann das Auftauen der Eizellen tatsächlich funktioniert, ob die spätere Schwangerschaft gut verläuft oder ob der “richtige” Zeitpunkt je kommen wird – kann niemand garantieren.
Dafür wird mit jeder Sprosse, die eine Frau auf der Karriereleiter erklommen hat, die mögliche Fallhöhe nach einer Babypause umso größer. Vorausgesetzt, dieser Aufstieg findet überhaupt statt. Durch das Einfrieren wird die Mutterschaft ja nicht ausgeschlossen, sondern nur vertagt – und damit ebenso die grundlegende Problematik, sich als Mutter in einer Führungsposition behaupten zu können. Umgekehrt gibt es aber auch keine Sicherheiten dafür, dass eine eilfertige Konservierung der Eizellen in der meist herrendominierten Chefetage tatsächlich als karriereförderliche Maßnahme anerkannt wird.
Hausfrauendasein als präfeministisches Relikt
Interessant ist die Aussage von Facebook und Apple, wonach die umstrittene Finanzierung der ureigene Wunsch der Mitarbeiterinnen gewesen sei. Zu diesem Bild passt recht gut, dass Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg, selbst Mutter zweier Kinder, 2013 in ihrem Buch “Lean in” mehr weiblichen Willen zur Macht eingefordert hat.
In einer Zeit, in der die K-Frage zur öffentlichen Angelegenheit mutiert und das Hausfrauendasein ein präfeministisches Relikt ist, ließe sich vermuten, dass die Eizellenkonservierung tatsächlich eine reine Frauensache sein könnte: um sich gegen den immensen sozialen Druck abzusichern – und sich nicht mehr permanent verteidigen zu müssen, weder für eine fehlende Familie noch für eine berufliche Stagnation. Das erklärte auch das Schweigen der Männer, denn die betrifft dieses Dilemma nun mal einfach nicht.
Das Einfrieren als Lösung des Kind-Karriere-Konflikts bliebe damit eine Illusion, doch zumindest behielten die Mitarbeiterinnen dabei weitestgehend die Hoheit über ihre Fortpflanzungspläne. Wie anders dagegen der Worst Case aussehen könnte, lässt sich schon aus Bestsellern wie zuletzt Dave Eggers’ “The Circle” herauslesen – der Schriftsteller entwirft darin das Szenario eines Internetunternehmens, das dem Totalitarismus erliegt. So weit von unserer Zeit entfernt ist diese Dystopie gar nicht.
Noch Ende der 70er-Jahre konnten es sich mittelständische Unternehmen erlauben, ihren aufstrebenden Mitarbeiterinnen den Posten als rechte Hand des Chefs anzubieten – falls sie sich verpflichteten, so schnell keine Kinder zu bekommen. Mittlerweile wäre diese sittenwidrige Offerte schlecht fürs Image. Was jedoch überdauert hat, ist das ausgeprägte Interesse an der Loyalität der Angestellten.
Man benötigt daher nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie es wäre, wenn ein firmenfinanziertes Einfrieren eben nur denjenigen Frauen nutzte, die sich dazu entschlössen – und wie diejenigen, die sich dagegen verwehrten, noch mehr ins Abseits gerieten. Drastischer formuliert: Jede Frau, die ihre Eizellen nicht konservieren ließe, könnte ihre Karriere vergessen.
Noch eine anthropologische Konstante mehr
Natürlich käme dieses Druckmittel in aller Subtilität zum Einsatz, denn nach außen hin unterstützte die Firma ja den – zeitlos schönen – Kinderwunsch ihrer Mitarbeiterinnen. Dass aber nur aufsteigt, wer sich anpasst und einfrieren lässt, spräche sich schnell herum. Und entwickelte so eine Disziplinarmacht im foucaultschen Sinne, wie sie perfider kaum sein könnte.
Schon heute geriete also eine junge Facebook-Mitarbeiterin ernstlich in Erklärungsnot, nur weil sie unbedingt jetzt eine Familie gründen will. Und diejenigen, die das “Social Freezing”-Angebot annehmen? Sie laufen Gefahr, von der Gesellschaft weiterhin als “Workaholics mit Kinderwunsch” betrachtet zu werden.
Und damit Frauen zu bleiben, die nicht nur mit dem Dilemma von Muttersein und Karriere hadern, sondern sich für diesen Kampf auch noch vor anderen rechtfertigen müssen. Noch so eine anthropologische Konstante, auf die sich gut verzichten ließe.
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