On Tuesday, Obama Will Get a Slap in the Face

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Dieser Dienstag hält schlechte Nachrichten für beide Parteien bereit: Für die Demokraten, weil sie bei den Midterm Elections mutmaßlich die Mehrheit im Senat verlieren. Und für die Republikaner, weil sie in diesem Fall aus der Rolle des ständigen Nein-Sagers in die Funktion des Politik-Gestalters zurückfinden müssten. Die Mehrheit, die sie 2010 im Repräsentantenhaus gewannen, autorisierte sie, die Politik des Präsidenten zu blockieren. Aber sollten sie künftig beide Kongresskammern majorisieren, müssen sie mit echten politischen Konzepten Verantwortung in Washington übernehmen.

Gehen sechs Senatssitze in insgesamt 36 Wahlgängen zum US-Senat von den Demokraten an die Republikaner, wäre die derzeitige demokratische Mehrheit von 55 zu 45 Sitzen gebrochen. Eigentlich spricht nur noch die zeitgeschichtliche Erfahrung für die Partei Barack Obamas: Eine Senatswahl, bei der die Republikaner derart viele Amtsinhaber der Demokraten aus dem Rennen schlagen konnten, gab es seit 1980 nicht.

Damals kaperte die GOP (Grand Old Party, die Republikaner) gleich ein Dutzend Posten, bei allen nachfolgenden Wahlen wurden maximal zwei demokratische Senatoren von republikanischen Herausforderern abgelöst. Doch Statistiken sind keine verlässlichen Alliierten. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent sagt das interaktive “Wahllabor” der “Washington Post” eine Senatsübernahme und 53 Sitze für die Republikaner voraus – und zudem einen Ausbau der bereits bestehenden Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die Amerikaner sind enttäuscht vom Präsidenten, den sie zweimal wählten: Sie scheinen darum bereit, seine Parteifreunde abzustrafen. Nur 41,6 Prozent sind zufrieden mit der Leistung Barack Obamas, während ihm 53,5 Prozent schlechte Noten geben.

Kein Grund zur Selbstzufriedenheit

Arbeitslose in New York

Foto: dpa Menschen stehen vor einem Regierungsgebaude in Brooklyn, New York, an, um an einer geförderten Jobmesse teilzunehmen. Zwar sank die Arbeitslosenquote, die im Oktober 2009 bei zehn Prozent lag, auf 5,9 Prozent. Aber viele Arbeitsplätze sind schlecht bezahlt.

Bestätigen sich die Prognosen, hätten die Republikaner gleichwohl wenig Anlass zur Selbstzufriedenheit. Auch sie bekommen von weniger als der Hälfte der Bevölkerung (45,4 Prozent) gute Noten und liegen lediglich knapp vor den Demokraten (43,2 Prozent). In den USA ist kein Trend zu den Republikanern, sondern eine Abkehr von den Demokraten zu beobachten. Den Menschen geht die Gesundung der Wirtschaft zu langsam. Zwar sank die Arbeitslosenquote, die im Oktober 2009 bei zehn Prozent lag, auf 5,9 Prozent. Aber viele Arbeitsplätze sind schlecht bezahlt. Die von Obama versprochene Stärkung der Mittelklasse blieb aus.

Der Hinweis, er habe die Bankenkrise und eine unter George W. Bush eingeleitete Rekordverschuldung geerbt, taugt sechs Jahre nach seiner ersten Wahl als Entschuldigung ebenso wenig wie die Totalopposition der Republikaner. Massive Schrittfehler des Präsidenten in der Außenpolitik und Zweifel am Umgang der Regierung mit Ebola kommen hinzu.

In dieser Situation lösen sich die stärksten Bataillone der Demokraten auf. Obama hatte seine Wiederwahl 2012 zu einem entscheidenden Teil weiblichen Wählern zu verdanken. Aber verheiratete Frauen votierten schon damals überwiegend für seinen Herausforderer Mitt Romney. Jetzt schrumpft auch Obamas Rückhalt bei den unverheirateten Frauen. Der Grund: Die Vorwürfe der Demokraten, die Republikaner führten mit ihrer Ablehnung der Abtreibung einen “Krieg gegen Frauen”, verfängt nur bei einem Teil der weiblichen Wählerschaft. Zum anderen treffen auch Frauen ihre Wahlentscheidung nicht monothematisch. Wichtiger sind vielen Zukunftsfragen wie eine Reform des Bildungssystems und sichere Arbeitsplätze, und da ist das Vertrauen in Obama gesunken, der als messianischer Erneuerer antrat und sich jetzt bis zum Jahr 2016 nur noch durchzuhangeln scheint.

Am Nasenring der Tea Party

Noch deutlicher ist der Trend bei den hispanischen Wählern. In Umfragen tendierten gut 50 Prozent von ihnen zu den Demokraten. Diese knappe Mehrheit ist weit entfernt von den 71 Prozent, die 2012 für Obama votierten. Das ist die Quittung für das Scheitern einer Reform des Einwanderungsrechts. Obama versprach als “Chefsache” einem größeren Teil der rund elf Millionen illegalen Einwanderer eine juristische Perspektive. Als sich die Republikaner sperrten, kündigte Obama die Ausnutzung seiner präsidialen Exekutivrechte an, also vorläufige Verfügungen, die zunächst im Frühling, dann immerhin im Spätsommer verkündet werden sollten. Doch weil die Debatte auch manchen seiner um ihre Wiederwahl fürchtenden Abgeordneten nicht behagte, vertagte Obama seine verschobene Entscheidung erneut – auf St. Nimmerlein?

Wenige Hispanics werden deshalb zu den Republikanern wechseln. Ein Großteil dürfte am Dienstag schlicht zu Hause bleiben. Die Republikaner haben in Sachen Immigration keine ernsthaften Kompromisse vorgeschlagen, sondern Obstruktion betrieben. Auch das ist nicht mehr als eine Vertagungs-Taktik. Sie wurde nach 2008 zum Merkmal einer Partei, die unter ihrem Präsidenten Ronald Reagan wichtige innen- und außenpolitische Weichenstellungen im Einvernehmen mit einem demokratisch dominierten Kongress vornahm und die in der Ära des Demokraten Bill Clinton aus dem Repräsentantenhaus heraus Mitverantwortung übernahm.

Die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme müssten die Republikaner nach diesem Dienstag dringend neu entwickeln. Allein, sie ist nicht in Sicht. In der Innenpolitik hängen sie weiterhin zu sehr am Nasenring der Tea Party, aus deren Sicht jeder Kompromiss mit den Demokraten ein Kotau vor dem verhassten “big government” ist.

Jäger oder Gejagte

In der Außenpolitik drängen Nicht-Interventionisten vor, die Washingtons Rolle in der Welt bescheiden und beschneiden wollen. Mit dieser Haltung lässt sich Politik nicht gestalten, zumal die GOP im Kongress weit entfernt bleiben wird von einer Zweidrittelmehrheit, ab der eine Verständigung über die Parteigrenze hinweg verzichtbar scheinen mag. Und in der Außenpolitik würde eine Fortsetzung des aktuellen Zickzack-Kurses etwa im Umgang mit Syrien, Irak und dem Islamischen Staat künftig nicht mehr nur Obama zum Vorwurf gemacht, sondern auch den Mehrheitsführern im Kongress.

Die Republikaner werden in den kommenden Tagen möglicherweise mächtig feiern. Aber ohne eine gründliche Neujustierung ihrer Koordinaten dürften sich ihre Abgeordneten und Senatoren schon 2016 in der Rolle jener Demokraten wiederfinden, denen an diesem Dienstag die Abwahl droht. So werden Jäger zu Gejagten. Die Wähler sind von den Akteuren desillusioniert. Darum beleuchten die Midtermwahlen die Probleme der tief gespaltenen USA, aber sie kurieren sie nicht.

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