The Americans Have Become Depressed

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Die Amerikaner sind depressiv geworden

Optimismus war immer eine Stärke der USA. Doch heute glauben zwei Drittel, dass ihr Land auf dem falschen Weg ist. Die Zukunftshoffnung ist gering wie seit Jahrzehnten nicht. Das liegt auch an Obama.

Nach der krachenden Niederlage von Barack Obamas Demokraten bei den Zwischenwahlen beugen sich die Politprofis über die Statistiken. Die Republikaner loben ihren Erfolg bei der technikbasierten Wählermobilisierung, und die Demokraten schauen, warum ihre Segmentierung der Gesellschaft in viele Untergruppen – von jungen ledigen Frauen bis zu Hispanics und Asiaten – ihnen diesmal so wenig genützt hat.

Aber bei aller Detailhuberei kommt man an einem fundamentalen Befund kaum vorbei: Die Amerikaner sind derzeit auf eine geradezu unamerikanische Weise depressiv. Zwei Drittel finden, ihr Land sei auf dem falschen Weg. Die Zukunftshoffnung ist so gering wie seit Jahrzehnten nicht.

Mehr als drei Viertel glauben, dass die Wirtschaft auch in den kommenden Jahren nicht besser werden wird, und etwa die Hälfte meint, der nächsten Generation werde es schlechter gehen als der heutigen. Ständig kommen neue Bücher heraus über den Niedergang Amerikas. So viel Zukunftsskepsis war selten im traditionell hoffnungsfrohen Amerika.

Ihren Frust über den Zustand des Landes haben die Bürger vor allem an den Demokraten ausgelassen. Tatsächlich gehen die Ursachen für diesen untypischen amerikanischen Weltschmerz jedoch tiefer und sind nicht allein in der Amtszeit Obamas begründet. Sie haben auch mit der neuen Weltunordnung zu tun – und mit den unerfüllt gebliebenen Erwartungen der 1990er-Jahre. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schien die amerikanische Zukunft vor der Jahrtausendwende rosig auszusehen.

Die amerikanischen Werte von Demokratie und Freiheit verbreiteten sich überall auf der Welt, das Land war in einer einzigartigen Position, die neue Weltordnung maßgeblich zu prägen. Und man war optimistisch, die rasant fortschreitende Globalisierung zum Nutzen aller gestalten zu können, weil Amerika als Technologieführer gut aufgestellt war, die damit einhergehenden Herausforderungen zu meistern.

Einen Mega-Terroranschlag, zwei Kriege und eine Wirtschafts- und Finanzkrise später stellt sich die Welt anders dar. Demokratie und Freiheit sind seit Jahren rückläufig auf dem Globus, autoritäre Regime wie Russland und China fordern die Amerikaner genauso heraus wie eine neue Welle des Dschihadismus. Und die Globalisierung hat die Mittelschicht in die Zange genommen.

Seit Mitte der 1990er-Jahre ist das mittlere Haushaltseinkommen nicht gestiegen. Keine der Parteien hat überzeugende Ideen präsentiert, wie das geändert werden könnte. Der amerikanische Gesellschaftsvertrag, wonach man nur hart arbeiten und sich an die Regeln halten müsse, um nach oben zu kommen, hat Risse bekommen.

In der Außenpolitik ist die Ratlosigkeit besonders greifbar. Nachdem das Über-Engagement nach 9/11 mit den großen Weltverbesserungsambitionen der Bush-Regierung gescheitert war, kam der Gegenentwurf. Barack Obama wurde vom weltmüden Wähler zum Präsidenten gekürt, um das globale Engagement zurückzufahren – und es hat genauso wenig funktioniert.

Pannen-Obama wurde zum Symbol

Der Eindruck mangelnder amerikanischer Entschlossenheit und Führungsstärke ermunterte die Bösewichte in der Welt: das neoimperial ausgreifende Russland genauso wie dschihadistische, Amerikaner köpfende Terrorgruppen. Dazu kamen dann in jüngster Zeit noch die Flüchtlingsströme aus Zentralamerika und der Ebolaausbruch in der Heimat. Ihr Land erscheint den Amerikanern immer mehr als eine bedrohte und belagerte Festung.

Zwei Drittel haben das Gefühl, dass da etwas außer Kontrolle geraten ist. Und dass die wirtschaftlichen und politischen Eliten des Landes keinen rechten Plan haben, wie sie die Lage wieder in den Griff bekommen. Stellvertretend haben die Wähler den Demokraten bei den Zwischenwahlen eine Abreibung verpasst, weil Pannen-Obama zum Symbol von Missmanagement und Führungsschwäche geworden ist.

Es gehörte immer zu den Stärken der Amerikaner, nach den Sternen zu greifen, Unmögliches zu wollen. Die amerikanische Geschichte ist eine des Triumphes des Willens über die Materie. Bis heute wird jeder neuen Generation der Glaube eingeimpft, Herausragendes schaffen und durch Selbstüberzeugung ungeahnte Energien freisetzen zu können.

Die vielen Niederlagen und enttäuschten Hoffnungen der vergangenen 15 Jahre haben den Vorrat an optimistischer Energie und den Glauben an die Beherrschbarkeit der Welt da draußen jedoch merklich schrumpfen lassen. Und das ist es, was die Wähler Obama wohl am meisten übel nehmen: Dass er die Reihe der Enttäuschungen verlängert hat.

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