Wann ist Mayo Mayo?
Von Kathrin Werner
12. November 2014
When is Mayo Mayo?
By Kathrin Werner
“Just Mayo” nennt sich das Produkt eines jungen US-Unternehmens. Eier sind nicht drin. Jetzt wurde das Start-up vom mächtigen Unilever-Konzern verklagt.
Auf dem Etikett auf den Gläsern von Just Mayo ist ein Ei zu sehen, in das ein Pflänzchen wächst. Aber Eier sind nicht enthalten in der weißgelben, fettig-salzig-essigsauren Creme, die man aufs Brot streichen oder in Salate rühren kann. Just Mayo ist pflanzlich. Und auch Mayo ist in den Just-Mayo-Gläsern nicht enthalten – zumindest wenn es nach der Definition von Unilever geht. Der britisch-niederländische Konzern bemüht die amerikanischen Gerichte mit einer Frage: Wann ist Mayonnaise Mayonnaise? Unilever hat den Hersteller von Just Mayo verklagt. Hampton Creek Foods, ein auf vegane Ei-Ersatz-Speisen spezialisiertes Start-up aus San Francisco, soll Just Mayo nicht mehr Mayonnaise nennen dürfen.
Man könnte jetzt die ewige Analogie von David und Goliath bemühen, aber ganz so davidesk ist Hampton Creek nicht. Bill Gates, Yahoo-Mitgründer Jerry Yang, der reichste Asiate Li Ka-shing aus Hongkong und große Wagniskapitalgeber aus dem Silicon Valley haben in das junge Unternehmen investiert. 30 Millionen Dollar hat es schon eingesammelt. Das Unternehmen wächst schnell. Josh Tetrick, Gründer und Chef von Hampton Creek, ist der Lieblings-Eiermann der IT-Industrie. Im Vergleich zu Unilever ist das aber natürlich nicht viel. Der Konzern schrieb im vergangenen Jahr fast 50 Milliarden Euro Umsatz. Allein Hellmann’s Mayonnaise bringt mehr als eine Milliarde Euro ein.
Erbse statt Ei
Just Mayo soll helfen, die Massenzucht von Hühnern zu beenden, sagt Tetrick, er ist Veganer. Das Team des 34-Jährigen hat herausgefunden, dass man das Ei in der Mayonnaise weglassen kann, wenn man es durch eine bestimmte Gattung der kanadischen gelben Erbse ersetzt. Die Erbsen-Eiweiße zusammen mit Öl, Wasser, Essig und Gewürzen ergeben “Just Mayo”. Und die schmeckt wie Eier-Mayo und kostet im Supermarkt in etwa das Gleiche: 4,99 Dollar für ein großes Glas.
Hampton Creek ist eines der heißesten Start-ups einer stark wachsenden Industrie, die man Food Engineering nennt. Die Firmen suchen nach der Wundernahrung: Sie soll gesünder, preiswerter oder umweltfreundlicher sein – oder am besten alles gleichzeitig. Neben Hampton Creek gibt es Unternehmen, die milchfreien Käse erfinden, natriumärmeres Salz, zuckerfreie Biosüßigkeiten, Hühnchenersatzfleisch auf Pflanzenbasis oder Hamburger aus dem Reagenzglas. Und das Hightech-Essen soll genauso gut schmecken wie die herkömmliche Variante. Die Unternehmen sehen die Trends auf ihrer Seite: Die Menschheit wird mehr, bis 2050 werden wir statt jetzt sieben rund 9,6 Milliarden sein. Und die wachsenden Mittelschichten in China und Indien wollen Fleisch, Eier und Milch. Rund 20 Prozent des Eiweißes in unserer Ernährung stammt heute von Tieren.
Ingenieure tüfteln schon am eierlosen Rührei
Doch so viele Tiere, um all die Menschen so zu ernähren, gibt es nicht auf der Welt. Sie zu füttern, wäre kaum möglich. Es bräuchte gigantische Massen an Land und Wasser. Und Tiere scheiden Schadstoffe aus wie Kohlendioxid, den Klimakiller. Hinzu kommen ethische Fragen zur Massentierhaltung. Mittelfristig, sagen Studien, müssen wir Tierprodukte im Essen reduzieren. “Die Nahrungsindustrie ist ein kaputtes System”, sagt Tetrick. “Wenn wir jetzt ganz von vorn überlegen würden, wie wir die Menschheit ernähren wollen, würden wir garantiert keine Legebatterien und Riesenmastbetriebe erfinden. Wir arbeiten daran, das System zu heilen.”
Unilever und die anderen Lebensmittelkonzerne hören das nicht gern. Just Mayo nehme den Unilever-Mayo-Marken Hellmann’s und Best Foods Marktanteile ab, schreibt der Konzern in der Klage. Das Start-up verursache “ernsthafte, irreparable Schäden für Unilever”. Hampton Creek legt Finanzzahlen nicht offen, doch Unilever verlangt Schadensersatz in Höhe des Dreifachen des Gewinns des Start-ups und die Anwaltsgebühren. Außerdem soll Hampton Creek das Ei-Bildchen von seinem Etikett streichen, Anzeigen zurückziehen, die Konsumenten verwirren könnten, und aufhören zu erzählen, dass Just Mayo besser ist als Hellmann’s. Unilever beruft sich auf eine Definition der US-Lebensmittelbehörde FDA von 1957, nach der Mayo Eigelb enthalten muss. Hampton-Creek-Gründer Tetrick und zahlreiche Nahrungsexperten fordern, dass die Behörde die Inhaltsstoffe der heutigen Welt anpasst. Entscheidend seien Geschmack, Konsistenz, Nährwert und Optik, nicht die Herkunft.
Inzwischen gibt es Just Mayo nicht mehr nur in Öko-Supermärkten wie Whole Foods, sondern auch in großen Einzelhandelsketten wie Target und Walmart. Außerdem verkauft Hampton Creek seit einigen Monaten auch Just Cookies, Plätzchenteig ohne Eier, und Milchprodukte in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen. An der größten Herausforderung tüfteln die Food-Ingenieure noch: eierloses Rührei. Sie haben bereits eine dem Rührei ähnliche Masse gefertigt, sie schmeckt wie Ei, ist aber noch ein wenig gummiartig beim Kauen. 2500 Pflanzen, vor allem Bohnen und Getreide, haben Hampton Creeks Food-Ingenieure schon zermahlen und für das Rührei getestet, sagt Tetrick. “Wir werden das Ei bald überflüssig machen.”
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