Ein Tag in New York mit Neo Rauch
Galerist David Zwirner stellt den Leipziger Maler in New York aus. “Wiederverzauberung der Welt”, sagt der, das sei seine Aufgabe. Und begibt sich damit in die Tradition des Frühromantikers Novalis.
Der Regen wird stärker. Kragen hoch, Kopf runter, ab nach Chelsea. Es ist ja nicht weit, eine halbe Stunde zu Fuß, dann endlich ins Warme der Galerie. “Willkommen an diesem verregneten Morgen”, sagt David Zwirner. Neben ihm steht Neo Rauch, dessen Ausstellung heute eröffnet wird, und entschuldigt sich für sein schlechtes Englisch: “Er ist hinter dem Eisernen Vorhang aufgewachsen, so wie ich.”
Sein sprachlicher Ehrgeiz lässt es sich aber nicht nehmen, den siebzig, achtzig Journalisten, die ihn in respektvollem Abstand umringen, etwas über seine neuen Bilder auf Englisch zu sagen. “Wie deutsch sind Sie, Mr. Rauch?””Ich bin nun mal Deutscher. Und, ja, ich fühle mich tief verbunden mit der Geschichte und den Tragödien meines Landes.” “Er ist halt kein Franzose”, sagt David Zwirner und lacht, und die Journalisten lachen auch, klar, kein Franzose, das versteht jeder.
Die Fragen sind nicht sehr sophisticated, nicht sehr NYC, eher Texas. “Was wollen Sie, Mr. Rauch, was ist der Punkt bei ihren Bildern?” “Re-enchantment of he world.” Wiederverzauberung der Welt, das sei seine Aufgabe, nicht deren Ausleuchtung bis in den letzten Winkel – das Novalis-Programm.
Zum Schluss lässt Neo Rauch noch eine hübsche Pointe springen: “I don’t do concept art, because I have no concept.” Wieder Lachen, auch das versteht jeder. Kein Franzose, kein Konzept – ein Deutscher, klar.
“Great people” in Ost-Berlin
Dann ist das Frage-und-Antwort-Spiel überstanden, nun wird es ernst. Die Sakkos werden gegen Anzüge getauscht. Kunst trifft Kunstliebhaber, es schlägt die Stunde der Sammler. Jemand sagt, das Großformat dort rechts an der Wand solle noch rasch umgehängt werden, und zwar an die Stirnwand. Der Sammler, der sich für dieses Bild interessiere, kaufe immer das Bild, das an der Stirnwand hänge.
Was das Deutsche und das Amerikanische angeht – es gleitet mühelos umeinander an diesem Abend in Chelsea. Man kennt sich, man schätzt sich, man spricht die Sprache des anderen, man macht Geschäfte. Die Unkerei über das Ende der transatlantischen Ära ist weit weg. Später, beim Essen im Village, erzählt ein amerikanischer Sammler von seiner Zeit in Berlin. Nach der Wende kaufte er ein Ost-Berliner Unternehmen, es ging schief, aber er spricht mit großer Wärme über seine Angestellten damals, “great people”, die hart gearbeitet und den Erfolg gewollt hätten. “Leider gab der westdeutsche Markt ihnen keine Chance.”
Und was wäre aus Neo Rauchs phänomenalem Erfolg geworden ohne die amerikanischen Sammler, ohne New York?
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