Obama’s Remarkable Solo

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Obamas außergewöhnliches Solo

Von DAMIR FRAS

21.11.2014

Für illegal Eingewanderte in den USA ist das neue Gesetz eine gute Nachricht. Es war höchste Zeit zu handeln.

Es ist ein längst überfälliger Schritt. US-Präsident Barack Obama hat angekündigt, Millionen von illegalen Einwanderern im Land vor der Abschiebung zu schützen. Solche Entscheidungen machen den Unterschied zwischen schwachen und starken Regierungschefs aus. Das gilt für die USA noch mehr als für andere demokratisch verfasste Staaten. Das politische System der Vereinigten Staaten ermöglicht es dem Präsidenten, per Dekret zu regieren, wenn das Parlament unfähig oder unwillig ist, Probleme zu lösen.

So ist es jetzt geschehen. Obamas Alleingang hat nichts Exklusives. Viele US-Präsidenten haben in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder durch Dekrete Korrekturen am Einwanderungsrecht vorgenommen. Dennoch ist Obamas Solo-Einlage außergewöhnlich.

Noch nie zuvor hat ein US-Präsident den Mut gehabt, so viele Menschen im Land mit einem Federstrich aus dem Schatten der Illegalität zu holen. Fünf der gut elf Millionen Illegalen werden profitieren. Auch hat das noch nie zuvor ein US-Präsident in einem politischen Klima unternommen, das durch und durch vergiftet ist. Dauerstreit statt Suche nach Lösungen – in Washington ist das inzwischen zum Alltagsgeschäft geworden. Eine Aussicht auf Besserung besteht nicht. Der Sieg der Republikaner bei den Kongresswahlen vor zweieinhalb Wochen hat dafür gesorgt, dass das Blockadedenken mindestens noch weitere zwei Jahre anhalten wird.

Es ist müßig darüber zu klagen, dass Obama zu Beginn seiner zweiten Amtszeit im Februar vergangenen Jahres noch anders klang. Damals sagte er, er sei nicht der Kaiser von Amerika, sondern der Präsident aller Amerikaner, der mit den Republikanern kooperieren wolle. Das war – im Nachhinein gesehen – ein Ausweis von Naivität. Denn wie geht eigentlich Zusammenarbeit mit einer Partei, die sich konstant verweigert? Gar nicht.

Obama mag vielleicht lange Zeit unterschätzt haben, wie beharrlich die von der radikal-populistischen Tea Party unterwanderten Republikaner an ihrem Obstruktionskurs festhalten werden. Der erste schwarze US-Präsident hat auch zu lange daran geglaubt, er werde die gespaltene Gesellschaft in den USA versöhnen können. Doch der Graben ist zu tief.

Nun ist das vorbei – und für die illegalen Einwanderer ist es eine gute Nachricht, dass sich diese Erkenntnis im Weißen Haus durchgesetzt hat. Es war höchste Zeit zu handeln. Gut gemacht, Herr Präsident.

Viel zu lange hat die US-Politik das Schicksal der illegalen Einwanderer vernachlässigt. Diese Menschen sind oft schon seit Jahrzehnten im Land, ihre Kinder sind in den USA geboren und haben die amerikanische Staatsbürgerschaft. Die Eltern werden es nur dann verlassen, wenn der Staat sie in Massen abschiebt. Daran hat der Staat kein Interesse. Viele Illegale zahlen Steuern. Sie sind oft die einzigen Arbeitskräfte, die die US-Wirtschaft für schlecht bezahlte Jobs in der Landwirtschaft oder der Gastronomie findet. Sie werden gebraucht. Obama hatte schon recht, als er in seiner TV-Ansprache unter Verweis auf seinen Amtsvorgänger George W. Bush sagte: „Sie sind Teil des amerikanischen Lebens.“ Ein Land, das aus Einwanderern besteht, kann es sich auf Dauer nicht erlauben, die Migranten in zwei Klassen zu unterteilen.

Nun werden aus den Reihen der Republikaner die Vorwürfe laut, Obama pflege ein imperiales Gehabe, habe seine Amtsbefugnisse überschritten und führe das Land auf direktem Wege in die Anarchie. Von „Machtüberschreitung monumentalen Ausmaßes“ ist die Rede. So klingen Beleidigte, nicht Politiker, die ernst genommen werden wollen. Wenn Obamas Einwanderungsdekret ein Verstoß gegen die Gesetze gewesen sein sollte, dann waren aber auch die Abschiebestopps rechtswidrig, die seinerzeit Obamas Vorgänger Ronald Reagan und George Bush senior erlassen haben. Bemerkenswerterweise haben sich die Republikaner damals nicht beschwert. Es wird wohl daran gelegen haben, dass Reagan und Bush Parteifreunde waren.

Die Vorwürfe gegen Obama sind in Wirklichkeit ein Versuch, von eigenen Versäumnissen abzulenken. Schon seit dem Jahr 2011 hätten die Republikaner mit ihrer Mehrheit im US-Repräsentantenhaus jederzeit eine umfassende Einwanderungsreform verabschieden können. Sie haben es nicht getan. Vom neuen Jahr an beherrschen die Konservativen auch noch den US-Senat. Das gäbe ihnen noch mehr Spielraum für ein Gesetz, das sie selbst schreiben könnten. Doch aller Voraussicht nach werden sie es wieder nicht tun. Das liegt daran, dass die gemäßigten Republikaner Angst vor der eigenen Courage haben und sich wider besseres Wissen gegen ein neues Einwanderungsgesetz stemmen, das sie im Prinzip befürworten. Das ist verantwortungslos.

Doch noch mehr als dieses Image fürchten die moderaten Konservativen einen Aufstand der radikalen Quertreiber von der Tea Party. Die haben es schon im vergangenen Jahr geschafft, das Land durch blanke Obstruktionspolitik an den Rand der Staatspleite zu treiben. Auch jetzt drohen sie wieder damit, der Regierung das Geld zu sperren. Das wäre eine erbärmlich schlichte Antwort auf die Provokation Obamas, der mit seinem Dekret auch die Tatenlosigkeit der Republikaner vorführt.

Vor allem aber hätte das politische Folgen für die Konservativen. Sie werden mit ihrer Kritik an Obama zwar die Wut der alten, weißen Männer in den USA noch einmal anheizen. Doch schon 2016, wenn der nächste Präsident gewählt wird, werden die Republikaner die Latinos brauchen. Ob sich diese Wähler dann noch den Republikaner zuwenden, das darf man getrost bezweifeln.

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