Bewaffneter Rassismus in den USA
Von DAMIR FRAS
07.12.2014
US-Präsident Obama will die schlecht ausgebildeten und unterbezahlten Polizisten des Landes mit Kameras ausrüsten. Das ist naive Symbolpolitik und ändert am Grundproblem nichts. Der Leitartikel.
Vor 14 Jahren sagte ein US-Präsident in seiner ersten Rede zur Lage der Nation, dass die Polizei damit aufhören müsse, die Menschen im Land nach ihrer Hautfarbe in gefährliche und weniger gefährliche Menschen zu sortieren. Er habe seinen Justizminister angewiesen, verkündete George W. Bush, diesem Umstand ein Ende zu bereiten. „Racial Profiling“, also eine Polizeiarbeit, die sich an ethnischen Merkmalen orientiert, sei falsch: „Wir werden das beenden.“ Vor allem die Schwarzen in den USA hörten die Botschaft gern.
Dieser Tage hat sich Präsident Barack Obama offenbar an die Rede seines Vorgängers erinnert. Er hat seinen Justizminister angewiesen, den Polizisten in den USA rigorose Standards aufzuerlegen, um Schluss zu machen mit der Einteilung in Gut und Böse auf Grundlage der Hautfarbe. Wieder haben die Schwarzen die Botschaft wohl gehört. Allerdings haben sie inzwischen den Glauben verloren, dass die Ankündigung Folgen haben wird.
So wie Bushs Versprechen ins Leere lief, wird auch Obamas Ankündigung nichts daran ändern, dass Amerikas Polizeitruppen glauben, sich im Krieg zu befinden. In Cleveland in Ohio hängt über einer Polizeistation der Beleg: „Forward Operating Base“ steht dort auf einem Schild. So nennt die US-Armee ihre vorgeschobenen Stützpunkte in Afghanistan. Dort kämpfen die Soldaten gegen die Taliban. In den USA sehen sich die Polizisten offenbar im Kampf um Leben und Tod gegen Teile der eigenen Bevölkerung.
Es kann nicht verwundern, dass die Menschen in den USA auf die Straße gehen und protestieren. Sie haben allen Grund und alles Recht dazu. Es ist irrwitzig, dass die letzten Minuten im Leben des Afro-Amerikaners Eric Garner, der in New York im Würgegriff eines weißen Polizisten starb, auf einem Video dokumentiert sind, aber Geschworene dennoch erklären, es gebe keinen Grund, den Beamten für seine Tat vor Gericht zu stellen.
In den USA existiert ein Justizsystem, das dort wegschaut, wo es dringend hinschauen müsste. Und die Polizei schaut offenbar genau dort nach, wo es wenig zu sehen gibt. Eric Garner war schließlich kein Schwerverbrecher, sondern betrieb – wenn überhaupt – einen Kleinhandel mit unversteuerten Zigaretten. Das mag illegal sein, aber die Reaktion der Polizei ist nicht maßvoll, sondern Willkür in Reinkultur.
Die Polizei sieht sich dabei immer im Recht. Wie anders ließe sich sonst ihre erbärmliche Reaktion auf eine symbolische Protestaktion erklären, die sich vor wenigen Tagen in St. Louis ereignete. Dort stellten sich einige (afroamerikanische) Spieler des örtlichen Football-Teams auf den Platz und erhoben die Hände zum solidarischen Gruß. „Hände hoch! Nicht schießen“, rufen die Demonstranten in den USA in Erinnerung an den Tod des unbewaffneten Michael Brown, der im August in Ferguson von einem weißen Polizisten erschossen wurde. Der Polizeiverband von St. Louis fand allen Ernstes, dass die Geste der Footballer die Polizei beleidige, und forderte die Bestrafung der Spieler.
Präsident Obama meint nun, das Problem mit besserer Ausrüstung in den Griff zu bekommen. Er will 50 000 Kleinkameras beschaffen, die Polizisten künftig an ihrer Uniform – oder sagen wir besser: an ihrem Kampfanzug – tragen müssen. Wenn sich die Beamten sorgen, dass ihre eigenen Handlungen in Bild und Ton aufgezeichnet werden, werden sie nicht so schnell schießen, hofft Obama. Das aber ist naive Symbolpolitik, wie der auf Video aufgezeichnete Tod von Eric Garner zeigt: Genauer lässt sich Polizeigewalt nicht dokumentieren.
Kurzfristig lässt sich das Problem in den USA nicht lösen. Niemand muss sich Illusionen machen, dass eine vom Präsidenten eingesetzte Arbeitsgruppe das zustande bringen wird. Sie wird – wie alle anderen Arbeitsgruppen vor ihr – im Washingtoner Politikbetrieb bis zur Unkenntlichkeit zerrieben werden. Es muss an dieser Stelle an das Massaker an der Grundschule von Newtown erinnert werden. Als damals 26 Todesopfer zu beklagen waren, schien es für einige Wochen so, als meinten es Demokraten und Republikaner ernst mit ihrem Plan, die laxen Waffengesetze im Land zu verschärfen. Kurz darauf war das vorbei. Sobald die Medien eine Geschichte aus den Augen lassen, fällt die US-Politik wieder in alte Muster zurück.
Vor allem aber werden Arbeitsgruppen nichts an dem tiefer liegenden Problem ändern. Die USA sind ein Land, in dem auch 50 Jahre nach dem offiziellen Ende der Rassentrennung der Rassismus grassiert. Der weiße Mann hat immer noch Angst vor dem schwarzen Mann. Nicht zu fassen, aber leider wahr.
Wieso sollten ausgerechnet Polizisten davon ausgenommen sein? Sie sind schlecht ausgebildet, bekommen statt nötiger Schulungen, wie Konflikte deeskaliert werden können, immer mehr Waffen. Vielen fehlt sogar jede Befähigung zum Polizeidienst. Sie sind zudem unterbezahlt. Und viel zu selten hat man ihnen bislang gesagt, dass da kein Krieg herrscht auf den Straßen des Landes. Oder sie haben einfach weggehört.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.