And What about the Drone War?

 

 

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Und was ist mit dem Drohnenkrieg?

Der Bericht über die CIA-Folter kann nur der Anfang einer Veränderung sein. Was er beschreibt, ist nicht das einzige, was seit dem 11. September in den USA schief läuft.

Die Fakten sind einfach, aber schwer zu ertragen: Alles an Schmerz für Körper und Geist, alles an Erniedrigung und Erpressung, zu dem Menschen fähig sind – für den Umgang mit Terrorverdächtigen schien es der CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 geeignet und gerechtfertigt, weil es um die Sicherheit der Nation ging. Der Senatsbericht über die Haftbedingungen und Verhörmethoden – genauer: über die systematische Folter des US-Geheimdienstes – ist ein Dokument der Schande. Sie sind keines Staates würdig, erst recht aber nicht einer Demokratie.

Man weiß nicht, was schockierender ist: die perverse Brutalität, die darin dokumentiert ist, die Lügen gegenüber Politik und Öffentlichkeit, mit der sich die Verantwortlichen der demokratischen Kontrolle entziehen wollten, oder der zynische Trotz, mit dem jetzt – immer noch! – behauptet wird, das alles habe doch etwas gebracht. Der frühere Vizepräsident Dick Cheney etwa hält die Praktiken, die schon vor dem Bericht als “erweiterte Verhörmethoden” bekannt geworden waren, weiterhin für richtig. Das CIA-Programm sei politisch autorisiert und juristisch geprüft gewesen. “Wenn ich es wieder tun müsste, ich würde es tun.” Er ist nicht der einzige, der die damaligen Methoden verteidigt.

Und das, obwohl der Bericht eindeutig ist, was die Erfolge angeht: Es hat nicht funktioniert, viele der vermeintlichen Erkenntnisse aus den Verhören waren nicht verwertbar oder sogar derart irreführend oder falsch, dass sie die Sicherheit des Landes eher gefährdet haben dürften, als sie zu verbessern. Abgesehen davon: Allein der Gedanke, Folter könne gerechtfertigt sein, um Leben zu retten, ist ekelhaft.

Nur ein Teil der Vergangenheit?

Es ist ein dunkles Kapitel der amerikanischen Geschichte, das auch die aktuelle Regierung gern schnell wieder schließen würde. Der Bericht, von dem nur eine heftig geschwärzte Zusammenfassung veröffentlicht ist, “kann uns helfen, all diese Techniken zurückzulassen, wo sie hingehören: in der Vergangenheit”, sagte Präsident Barack Obama. Für ihn ist das Haft- und Verhörprogramm der CIA “ein Teil der Reaktion unserer Nation auf 9/11”, den er formell direkt zu Beginn seiner Amtszeit beendet habe. Doch so einfach kann es nicht sein, so einfach wird es nicht sein.

Der Bericht ist das Eingeständnis, dass den USA ihre eigenen Ideale von Freiheit und Recht nicht mehr viel wert waren. Er ist Wasser auf die Mühlen all jener, die schon lange mit Abscheu auf Amerika blicken, er gibt ihnen sogar das Recht dazu: Was hier im Namen der nationalen Sicherheit Menschen angetan wurde, ist durch nichts zu entschuldigen.

Das Dokument verkörpert zugleich eine große Hoffnung. Dass diese Taten überhaupt in einem parlamentarischen Prozess diskutiert und an die Öffentlichkeit gebracht werden, unterscheidet eine Demokratie mit Fehlern von jenen autoritären Regimen, in denen Menschenrechte keine Bedeutung haben.

Nicht der einzige Auswuchs der 9/11-Hysterie

Amerika war in seiner Geschichte immer wieder zu gnadenloser Selbstkritik und beeindruckender Selbstreinigung fähig. Vielleicht sind der Folterbericht und die Diskussion darüber ein Anfang.

Die umfassende Aufarbeitung dessen, was die USA nach dem 11. September für ihren Krieg gegen den Terror in Kauf genommen haben, ist allerdings weiterhin nicht in Sicht: von den maßlosen Überwachungsaktivitäten bis zum ausufernden Drohnenkrieg. Denn die systematischen Folterungen mögen ein besonders schrecklicher Auswuchs der Hysterie sein, die das Land nach den Anschlägen erfasste – sie sind längst nicht der einzige.

Von einer wirksamen Reform der NSA-Kontrolle etwa oder gar der Einsicht, dass der Geheimdienst in seiner Datensammelwut weit über das Ziel hinausgeschossen ist, sind die USA weit entfernt. Und die Kritik an den juristisch mehr als fragwürdigen Drohnenmorden, die zu selten ihr Ziel treffen und viel zu viele unbeabsichtigte Opfer fordern, hat politisch kaum etwas erreicht – im Gegenteil: Für die Obama-Regierung sind sie weiter das Mittel der Wahl. Ob es moralisch weniger verwerflich ist, Terrorverdächtige ohne transparente rechtsstaatliche Kontrolle töten zu lassen, als sie festzunehmen und zu foltern? Das sollte man sich gar nicht fragen müssen.

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