The Balance of Power Across the Whole of America Is Being Reshuffled

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Das Kräfteverhältnis in ganz Amerika wird neu gemischt

Mit einem historischen Schritt beenden Barack Obama und Raúl Castro die Feindschaft zwischen den USA und Kuba. Die Rolle der USA verändert sich damit in ganz Amerika. von Tobias Käufer

Die Freilassung von politischen Gefangenen, neue Botschaften in Havanna und Washington, Handel und Informationsaustausch – die USA und Kuba wollen sich wieder annähern. Einer der längsten politischen Konflikte soll zu Ende gehen, eine Epoche des Austausches an seine Stelle treten. Davon werden beide Seiten profitieren.

Denn das anachronistische US-Embargo diente Kubas kommunistischen Machthabern vor allem dazu, die eigenen Versäumnisse in der Wirtschaftspolitik zu kaschieren. An der katastrophalen Versorgungslage in Kuba waren immer die anderen Schuld, vorneweg die US-Amerikaner mit ihrem Embargo, das sie nach der kubanischen Revolution verhängten. An den Machtverhältnissen in Havanna hat es nichts verändert. Das Castro-Regime hat mehr als ein halbes Dutzend US-Präsidenten überlebt.

Nicht nur Kuba befindet sich seit mehr als fünf Jahrzehnten in einer Art politischen Isolation. Obamas Kurswechsel ist auch für die USA ein erster Schritt raus aus der Ecke, in der sich die USA seit dem Linksschwenk Lateinamerikas in den vergangenen 15 Jahren befindet. Im gleichen Maße, wie Kuba durch befreundete Regierungen in Venezuela, Ecuador, Nicaragua und Bolivien in der Region seinen Einfluss ausbauen und festigten konnte, verloren die USA politische Unterstützung. Selbst die wenigen verbliebenen Verbündeten der USA in Lateinamerika (wie Kolumbien oder Paraguay) riefen Washington zu einem Kurswechsel gegenüber Kuba auf.

Anfang dieser Woche rief die strauchelnde Regierung Venezuelas zu einem Marsch gegen den vermeintlichen US-Imperialismus auf, weil die USA auf Repressalien gegen inhaftierte venezolanische Oppositionelle mit Sanktionen reagieren wollen. Setzt sich Obamas Annäherungskurs gegenüber Havanna durch, könnte das Feindbild USA bald in ganz Lateinamerika an Kraft verlieren.

Obama könnte es schaffen, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Es verdiene Respekt, forderte Kubas Staatschef Raúl Castro in seiner TV-Ansprache an das kubanische Volk am Mittwoch. Solche Töne waren fünfzig Jahre lang undenkbar und werden ihre Wirkung in der Region nicht verfehlen.

Kolumbiens konservativer Präsident Juan Manuel Santos kommentierte die Nachricht entsprechend euphorisch: “Das ist eine große, große Nachricht für die Region und die ganze Welt.” Kuba spielt eine entscheidende Rolle bei den Friedensverhandlungen zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisationen Farc und der kolumbianischen Regierung, die seit zwei Jahren in Havanna stattfinden.

Bereits im kommenden April könnten die einstigen Erzfeinde Bilder zu ihrer neuen diplomatischen Nähe liefern: Im Rahmen des Amerika-Gipfels in Panama könnten Castro und Obama offiziell erstmals aufeinander treffen. Bislang gab es lediglich geheime Verhandlungen und zufällige Treffen am Rande von offiziellen Anlässen. Ein ausführliches Telefongespräch von Obama und Castro – das erste überhaupt – hatte am Dienstag die Kehrtwende besiegelt.

Die lateinamerikanischen Länder fordern Kubas Teilnahme am wichtigsten interamerikanischen Gipfeltreffen. Die USA und Kanada haben das bislang abgelehnt – solange, bis es auf der kommunistisch regierten Insel freie Wahlen gebe. Ecuadors Präsident Rafael Correa hatte angekündigt, allen Gipfeln fernzubleiben, so lange Kuba eine Teilnahme verweigert werde. Nun könnte es im Frühjahr zum ersten richtigen Amerika-Gipfel kommen, an dem alle Länder und politischen Ideologien der Region vertreten sind – dann wäre tatsächlich was dran an Obamas Satz “Wir sind alle Amerikaner”.

Für Kuba kommt eine Annäherung an die USA zur richtigen Zeit. Bisher erhält das Land Subventionen von Venezuela. Doch die Wirtschaft Venezuelas befindet sich im freien Fall. Der Ölpreisverfall trifft das Land mit voller Wucht. Da auch Russland angesichts der schweren Wirtschaftskrise als möglicher Sponsor ausfällt, ist eine Öffnung der Insel in Richtung Washington auch ein Schritt, neue Investoren und Partner nach Kuba zu locken.

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