Hauptsache Härte
VON MATTHIAS NASS
28. Januar 2015
Den US-Republikanern ist im Kampf gegen ein Atomabkommen mit dem Iran alles recht. Mit Israels Premier Netanjahu mobilisieren sie gegen eine Einigung – und gegen Obama.
Es ist ein Affront der spektakulären Art. Der Sprecher des amerikanischen Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, hat Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu nach Washington eingeladen, ohne US-Präsident Barack Obama auch nur zu informieren. Netanjahu soll am 3. März vor beiden Häusern des Kongresses sprechen. Mit dieser Rede verbinden die Republikaner zwei Ziele: Außenpolitisch soll sie Obamas Bemühen um ein Abkommen im Atomstreit mit dem Iran unterlaufen. Innenpolitisch soll sie den Präsidenten als lahme Ente vorführen.
Was für eine brutale Absage an die alte amerikanische Tradition, in der Außenpolitik nach Gemeinsamkeiten zu suchen, über die Gräben der Parteipolitik hinweg. Die Art, wie in Washington von den Republikanern Politik gemacht wird, läuft nicht nur den nationalen Interessen der Vereinigten Staaten zuwider. Sie gefährdet auch die internationale Diplomatie.
Denn an der Seite der Amerikaner verhandeln fünf weitere Mächte mit dem Iran: Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Gemeinsam haben sie sich vorgenommen, bis zum März eine politische Rahmenvereinbarung und bis Juli eine abschließende Regelung in der Auseinandersetzung mit Teheran zu finden.
Der Deal sieht in seinen Grundzügen so aus: Der Iran verringert die Zahl seiner Gaszentrifugen zur Urananreicherung von gegenwärtig rund 19.000 auf etwa 4.000. Im Gegenzug werden die gegen den Iran verhängten Wirtschaftssanktionen Schritt für Schritt aufgehoben.
Nicht 4.000 Gaszentrifugen, null müssten es am Ende sein, verlangen dagegen die Hardliner im US-Kongress. Wie Netanjahu sind sie überzeugt, der Iran täusche die Bereitschaft zum Einlenken nur vor; in Wahrheit wolle er sich durch nichts und niemanden vom Bau der Atombombe abhalten lassen. Deshalb wollen sie den Druck noch verschärfen, die alten Sanktionen nicht etwa aufheben, sondern neue verhängen.
In seiner Rede zur Lage der Nation hat sich Obama in der vergangenen Woche gegen die Obstruktionspolitik der Republikaner verwahrt und angedroht, er werde jedes Gesetz zur Verschärfung der Sanktionen mit seinem Veto stoppen. Neue Sanktionen, sagte der Präsident, “würden so gut wie garantieren, dass die Diplomatie scheitert”.
Groß waren die Aussichten nie, dass die Verhandlungen zum Erfolg führen würden. Jetzt haben sich die Chancen noch einmal verschlechtert. Denn Hardliner gibt es auch in Teheran. Von den Revolutionsgarden bis zum obersten geistlichen Führer Khamenei fühlen sich alle Gegner einer Verständigung in ihrem Misstrauen gegen den “großen Satan” Amerika und den “kleinen Satan” Israel bestärkt.
John Boehners “Bruch mit Vernunft und Diplomatie” (New York Times) kommt in einem Moment, da der iranische Einfluss im Mittleren Osten wächst. In drei arabischen Hauptstädten, schrieb dieser Tage der Economist, gebe Teheran bereits den Ton an: Bagdad, Damaskus und Beirut. Jetzt komme noch die jemenitische Hauptstadt Sanaa hinzu, nachdem dort die schiitischen Houthi-Milizen die Macht übernommen haben.
Im Kampf gegen die Mordbanden des “Islamischen Staates” gibt es durchaus ähnliche Interessen zwischen dem Westen und dem Iran, die zwar nicht in eine direkte Zusammenarbeit, wohl aber in einen Dialog über gemeinsame Verantwortung und über die Rolle der Regionalmacht Iran münden könnten.
Ein Scheitern der Atomgespräche hätte deshalb weitreichende strategische Folgen. Die gefährlichste: ein nukleares Wettrüsten in der Region. Die Zentrifugen in den iranischen Atomanlagen würden sich noch schneller drehen. Der befürchtete breakout – der Zeitraum also, in dem der Iran mit seinem verfügbaren spaltbaren Material eine Bombe bauen könnte – würde sich unweigerlich verkürzen.
Wie soll nach Meinung der Republikaner und Netanjahus darauf regiert werden? Mit einem Militärschlag? Oder setzen sie darauf, Irans Wirtschaft mit weiteren Sanktionen in den Ruin zu treiben und so eine Kapitulation vor ihren Forderungen zu erzwingen?
Mit der Einladung an Netanjahu haben die Republikaner den Präsidentschaftswahlkampf 2016 endgültig eröffnet. John Boehner hat Israels Ministerpräsidenten eingeladen, vor dem Kongress über die “ernsten Bedrohungen des radikalen Islams und des Irans für unsere Sicherheit und unseren Lebensstil” zu sprechen. Auch wenn er es nicht sagt: Obamas Politik ist ihm zu weich und zu nachgiebig. Amerikas Sicherheit, lautet seine Botschaft, ist bei den Demokraten in schlechten Händen.
Kein Wunder, dass die Türen des Weißen Hauses dem israelischen Regierungschef bei seinem Besuch verschlossen bleiben werden. Auch Außenminister John Kerry will Netanjahu nicht sehen. Ob Israels Premier, der sich am 17. März Parlamentswahlen stellen muss, seinem Land und sich selbst damit einen Dienst erweist?
Schlimmer aber sind die Folgen für die Sicherheit im Mittleren Osten. Die hemdsärmelige Art, mit der die Republikaner der Regierung Obama ins Handwerk pfuschen, könnte die Verhandlungen mit dem Iran auf der Schlussgeraden scheitern lassen. Ein Konflikt würde neu auflodern, um dessen Eindämmung sich die internationale Politik seit zwölf Jahren bemüht und den viele für den gefährlichsten überhaupt halten. Und das genau in dem Moment, da es im Mittleren Osten wieder einmal an allen Ecken und Enden brennt.
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