A Slap in the Face to Our US Friends

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Ohrfeige für den amerikanischen Freund

VON MARTIN KLINGST

2. Februar 2015

Am Weißen Haus vorbei hat Israels Premier Netanjahu eine Rede vor dem US-Kongress durchgesetzt. Mit dem Affront will er die Iran-Politik von Präsident Obama torpedieren.

Bei allen anderen Staaten hätte eine derartige Einmischung eines Botschafters in die amerikanische Politik zu seiner Ausweisung geführt. Doch die amerikanisch-israelischen Beziehungen sind nicht normal. Beide Länder und Völker sind nicht nur militärisch, politisch und wirtschaftlich, sondern auch psychologisch und emotional weit stärker verflochten und miteinander verstrickt, als man das üblicherweise von souveränen Staaten kennt. Israelische Politik ist immer auch amerikanische Innenpolitik.

Wie die New York Times kürzlich berichtete, fädelte offenbar Ron Dermer, Israels Botschafter in Washington, den für Anfang März geplanten, hoch umstrittenen Auftritt seines Premierministers Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress ein. Und zwar unter kräftiger Mithilfe der Republikaner – und ohne, dass Präsident Barack Obama konsultiert wurde.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Kongress ausländische Staatschefs einlädt und im Kapitol reden lässt. Kanzlerin Angela Merkel trat dort auf und Netanjahu sogar schon mehrmals. Doch diese heimliche Absprache hinter dem Rücken des Weißen Hauses widerspricht allen diplomatischen Gepflogenheiten.

Warum dieser Affront? Im März wollen die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland mit dem Iran eine Rahmenvereinbarung für einen Atom-Deal beschließen. Netanjahu und die Republikaner möchten das um jeden Preis verhindern. Denn ein Abkommen mit der Regierung in Teheran, sollte es tatsächlich zustande kommen, wird immer ein Kompromiss sein. Er würde also nicht nur der iranischen Regierung Zugeständnisse abringen, sondern ebenfalls den fünf anderen Vertragspartnern.

Wahlkampfthema Iran-Verhandlungen

Netanjahu verfolgt mit seinem Auftritt im Herzen der amerikanischen Supermacht aber noch eine weitere Absicht: Er will am 17. März als Premier wiedergewählt werden. Der Widerstand gegen ein Atom-Abkommen ist seine Mission und sein großes Wahlkampfthema. Nirgendwo könnte er lauter und wirkungsvoller gegen den möglichen Deal poltern als im US-Kongress. Denn was er auf der größten Bühne der Welt sagt, geht nicht nur sofort um den Globus, sondern dringt auch bis in den letzten Winkel seines eigenen Landes.

Die Beziehungen zwischen Amerika und Israel waren zwar stets eng, aber nie spannungsfrei, selbst nicht unter republikanischen Präsidenten. Der ehemalige Außenminister James Baker, der unter Präsident George Herbert Bush das State Department führte, empörte sich 1990 bei einer Anhörung im Kongress öffentlich über die Sturheit und Hartbeinigkeit der Israelis bei den Nahost-Verhandlungen. Wütend soll er einmal aus Israel mit der Bemerkung abgereist sein: “Hier ist die Telefonnummer des Weißen Hauses. Falls ihr es irgendwann wirklich ernst mit dem Frieden meint, ruft uns an!” Auch die republikanische Außenministerin Condoleezza Rice war immer wieder sauer auf die israelische Regierung.

Feindschaft zwischen Obama und Netanjahu

Doch so schlecht wie jetzt war das Verhältnis nie. Wenn Obama und Netanjahu aufeinander treffen, verrät ihre Körpersprache sofort, dass sie einander nicht leiden können. Es wird berichtet, dass Obama vor einigen Jahren bei einem Treffen im Weißen Haus frustriert aufstand und seinen Gast allein sitzen ließ.

Im Gegenzug stößt auch Netanjahu immer wieder gerne Amerikas Präsidenten vor den Kopf. Als Obama eine große Rede zum Nahen Osten hielt und darin eine Zwei-Staaten-Lösung in den Grenzen von 1967 forderte, wollte Netanjahu eben diese Passage verhindern und ließ bis zur sprichwörtlich letzten Sekunde alle Telefonleitungen nach Washington heiß laufen. Und als US-Vizepräsident Joe Biden im März 2010 Israel einen Besuch abstattete, verkündete Netanjahus Regierung just in diesem Moment, dass sie 1.600 weitere Wohnungen für Siedler im arabischen Ostjerusalem bauen wolle. 2012 ergriff Netanjahu im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf offen Partei für Obamas Widersacher, den Republikaner Mitt Romney.

Israels Botschafter als Wahlkampfhelfer

Doch Netanjahus geplanter Auftritt vor dem Kongress zu Washington ist wohl die bislang größte Ohrfeige für den amerikanischen Freund. Denn Israels Premier stellt sich damit im Konzert mit den Republikanern offen gegen die Iran-Politik des US-Präsidenten. Überdies agiert sein Botschafter, der diese Rede arrangiert hat, nicht als Amtswalter israelischer Interessen, sondern als Netanjahus Agent und Wahlkampfhelfer.

Zum Glück sind über diesen feindlichen Akt nicht nur viele Israelis erzürnt, sondern ebenso etliche amerikanische Juden. Was im politischen Gezerre oft untergeht: Mit großer Mehrheit haben letztere Obama zweimal ins Weiße Haus gewählt. Drei von vier amerikanischen Juden stimmten 2008 und erneut 2012 für ihn.

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