The Man Who Survives Even Snowstorms

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Die Stadt, die den Blizzard fürchtete, galt lange als unregierbar. Mit ihrem Bürgermeister Bill de Blasio aber sind die New Yorker zufrieden. Nur mit den Polizisten gibt es Streit. Zum Schaden aller.

Nur Tage lag vor einem Jahr Bill de Blasios erster Amtseid zurück, als die Götter den Bürgermeister New Yorks mit einer Serie von Schneestürmen eiskalt erwischten. Chaotische Räumdienste verwandelten Manhattans Upper East Side in abgeschnittene Alpentäler; die Bürger waren nicht beeindruckt von der Tatkraft des Zwei-Meter-Mannes.

Zerknirscht entschuldigte sich de Blasio. Als im Februar der nächste Wetterangriff die City heimsuchte und Tausende Kinder in ihren Schulen stranden ließ, endeten abrupt die Flitterwochen der Schonung, die Amerikas Politikern gewährt werden.

Nicht wenige fragten sich, ob es richtig gewesen war, den ersten Demokraten in 20 Jahren ins Rathaus zu wählen und einen Linksliberalen obendrein. Kein Bürgermeister seit Ed Koch Mitte der Siebzigerjahre, rechneten Medien vor, habe über weniger Verwaltungserfahrung verfügt. Es war ein Kaltstart und kein guter.

De Blasios Lernfähigkeit

So mag sich niemand wundern, warum Bill de Blasio der Stadt vor der jüngsten Schneeinvasion verordnete, sich tot zu stellen: Fahrverbot bei strengen Strafen, De-Facto-Ausgangssperre durch stillgelegte Bahnen und Busse. Über diesen etwas verzagt wirkenden No-We-Can’t-Spirit zu spotten, ist leicht. Mit demselben Recht könnte man de Blasio Lernfähigkeit zubilligen.

Es ist diese Eigenschaft, die den New Yorker (Jahrgang 1961) mit italienisch-deutschen Vorfahren im ersten Amtsjahr ausgezeichnet hat. Pragmatischer, als viele es einem sogenannten Linkspopulisten zugetraut hätten, hat er seine Wahlversprechen den Realitäten und Mehrheiten im Stadtrat, dem er einst selbst angehörte, angepasst. Als dort eine Reichensteuer, die Einkommen über 500.000 Dollar im Jahr für den Ausbau von Kindergärten und Schulen in die Pflicht nehmen wollte, scheiterte, besorgte er das Geld anderswo.

De Blasios Etat in Höhe von 74,7 Milliarden Dollar hatte genügend Reserven, um den sozialen Wohnungsbau mit mehr als 17.000 Einheiten voranzubringen, elf Prozent Lohnerhöhungen für die städtischen Angestellten (325.000) in den kommenden Jahren auszuhandeln und rund 100.000 Einwohner mit Jobs zu versorgen. Die Arbeitslosenquote fiel auf ein Sechsjahrestief, die Verbrechensrate sank, bei Mord sogar auf einen Rekordtiefststand.

Ein Pragmatiker im Rathaus

De Blasio kümmerte sich um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine Selbstverständlichkeit in den USA, und um Kinderkrippen: One City, eine einige Stadt wollte er formen aus den zerfallenen Lebenswelten von Arm und Reich. So hatte es der Wahlkämpfer de Blasio versprochen. Wallstreet-Banker erwarteten das Schlimmste, eine Koalition aus Minderheiten den Himmel in New York. Beide wurden enttäuscht. Was für ihn spricht.

Einen beschwerlichen Aufstieg hat New York City zurückgelegt, seit US-Präsident Gerald Ford Ende Oktober 1975 der bankrotten Stadt jede Hilfe des Bundes verweigerte: “Ford to City: Drop Dead” titelte die “Daily News” und schuf einen Headline-Mythos. Ford hatte das angeblich nie gesagt, doch New York ließ ihn sicherheitshalber im folgenden Wahljahr büßen, als er den Staat New York und seine Wiederwahl an Jimmy Carter verlor.

Auch de Blasio, der von 2010 bis 2013 als Ombudsmann New Yorks diente, bestreitet nicht, dass seine Vorgänger Rudy Giuliani and Michael Bloomberg die als unregierbar verrufene Stadt finanziell und moralisch wiederaufgebaut haben.

Auf der Seite der Empörten

Doch seien, so sagt er, zu viele New Yorker auf der Strecke geblieben. Ihnen vor allem gilt seine politische Sympathie. Dass er die Ökofraktion seiner Anhänger im Namen des Tierschutzes mit einem Verbot der Pferdekutschen im Central Park beglückt (der letzte Rest Romantik … dahin), mag als Übereifer durchgehen, der sich legt.

De Blasios einziges Problem wiegt um so schwerer: Er hat die Polizisten der Stadt gegen sich aufgebracht. Erst war es nur die Anweisung, Festnahmen wegen des Besitzes minimaler Mengen von Marihuana zum Eigengebrauch zu unterlassen, die auf Unwillen im mächtigen NYPD stieß. Dann kam im Juli 2014 der Fall Eric Garner: Ein Mann erstickte in einem polizeilichen Würgegriff, und keine Grand Jury der Stadt fand sich bereit zur Prüfung einer Anklage.

Garner war schwarz, und der Bürgermeister, selbst mit einer schwarzen Frau verheiratet, schlug sich auf die Seite der Protestierenden. Zu allem Überfluss, mindestens aus Sicht der beleidigten Polizeitruppe, trat er mit Al Sharpton auf. Der schwarze Pfarrer und Aktivist ist nie fern, wenn es Rassenproteste anzuführen gilt.

Die Rücken der Polizisten

De Blasio nennt ihn einen Freund, wie übrigens auch Bill und Hillary Clinton, deren Senatswahlkampf 2000 er leitete. Alles Werben um Verständnis für seine Haltung half ihm nichts, die NYPD wandte sich ab in Feindseligkeit. Buchstäblich den Rücken zeigten ihm Beamte bei den Begräbnissen von ermordeten Kollegen und bei einer Rede vor der Polizeiakademie. Seit Wochen leistet die Polizei der Stadt einen lahmen Dienst nach Vorschrift, hart an der Grenze zur Arbeitsverweigerung.

New Yorks Bürger mögen es mit Humor nehmen, dass seither 90 Prozent weniger Strafzettel vergeben wurden. Beschwerden jedenfalls sind angesichts dieser Pflichtvergessenheit nicht bekannt geworden. Anders sieht es aus, wenn die Leute fürchten müssen, ihre Sicherheit werde vernachlässigt.

Es gab gewiss Gespräche des Bürgermeisters mit der Polizeigewerkschaft; und eine offene Gehorsamsverweigerung werden die Beamten nicht wagen. Noch weiß de Blasio laut Umfragen die öffentliche Meinung mehrheitlich hinter sich.

Selbst der weiße Mittelstand hatte nichts einzuwenden, als der neue Bürgermeister der NYPD Benimmkurse verordnete. Was eine Menge Beamte von diesem Retraining hielten, das ihre Sensibilität für Rassenbeziehungen schärfen sollte, lässt sich denken. Der Streit schwelt weiter.

Er schwächt den Bürgermeister, der sich nicht auf seine Truppe verlassen kann. Er verunsichert Polizisten, deren Job auch in einem friedlicheren New York hart genug ist.

Es hilft nicht, dass de Blasio zu einer hochgestimmten Rhetorik neigt, die zumal bei Eigenlob mit leeren Worten wie profund und transformativ nicht geizt. Bisweilen erinnert er an den frühen Barack Obama, der One Nation beschwor wie De Blasio One City. Man möchte Bill de Blasio mehr Fortune wünschen als dem Präsidenten.

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