The President Makers

<--

Die Koch-Brüder sind so reich, dass sie mit ihrem Geld die US-Präsidentschaftswahl für die Republikaner entscheiden könnten. Kritiker fürchten eine Oligarchie des Geldes. VON THORSTEN SCHRÖDER, NEW YORK

Charles und David Koch hatten die Kandidaten zum Vorstellungsgespräch gebeten. Scott Walker, Gouverneur von Wisconsin, Rand Paul aus Kentucky und Ted Cruz aus Texas folgten der Einladung Anfang der Woche prompt. Im kalifornischen Palm Springs warben sie vor einem ausgewählten Publikum für ihre Ideen. Immer wieder wandten sich die republikanischen Hoffnungsträger dabei direkt an die beiden Gastgeber. “Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen”, rief Ted Cruz den Zuhörern vom Podium aus zu. “Ich bewundere Charles und David Koch.”

Die Koch-Brüder könnten entscheiden, wer im kommenden Jahr als Kandidat der Republikaner ins Rennen um das Amt des US-Präsidenten geht. Auf der Veranstaltung in Palm Springs kündigten die Industriellen an, 889 Millionen Dollar in den bevorstehenden Wahlkampf zu stecken – die Summe übersteigt sogar die 657 Millionen, die die Republikaner und Demokraten zusammen in den Wahlkampf 2012 investierten. “Im Grunde etablieren sie damit eine gleichwertige dritte politische Kraft”, sagt Viveca Novak vom Center for Responsive Politics, einem liberalen Think Tank in Washington.

Unterstützt werden Charles und David Koch von rund 300 weiteren Geldgebern, die sich dringend einen konservativen Mann im Weißen Haus wünschen – eine Art “plutokratisches Politbüro”, wie die Washington Post schrieb. Im Gegenzug zu ihrer riesigen Geldspritze hoffen sie endlich auf niedrigere Steuern, Deregulierung, weniger Umweltauflagen und schwächere Arbeitnehmerrechte. Das Credo des Koch-Imperiums lautet: Washington soll sich auf die eine Aufgabe beschränken, die Rechte des Einzelnen zu schützen – und sich ansonsten heraushalten. Greenpeace formuliert es so: Die Kochs unterstützten vor allem jene Gesetze, die ihnen direkt nutzen, und kämpften gegen den Rest.

Das weit verzweigte Netz der Koch-Erben

Die Brüder, 74 und 79 Jahre alt, galten lange als verschwiegen. Ihr Privatvermögen wird auf rund 81 Milliarden Dollar geschätzt, die beiden sind Erben von Koch Industries, dem laut Forbes zweitgrößten privaten Unternehmen im Land. Der Konzern mit Sitz in Kansas besitzt Ölraffinerien und Pipelines, stellt Einwegbecher, Düngemittel und Holz her und erwirtschaftet 115 Milliarden Dollar im Jahr. Den meisten Amerikanern ist der Konzern dennoch kein Begriff. Bis heute ist Koch Industries nicht an der Börse gelistet, Presseanfragen bleiben in der Regel unbeantwortet.

Die politische Einflussnahme fand bislang vor allem über das weit verzweigte Netz an Organisationen statt, das die Brüder über Jahrzehnte aufgebaut haben. Das liberale Cato Institute, Mitte der siebziger Jahre ins Leben gerufen, gehört zu den am häufigsten zitierten Think Tanks im Land und ist ein wichtiges Sprachrohr für die politischen Ideen der Brüder. Das Mercatus Center, ein von den Koch-Brüdern finanziertes Forschungszentrum in Virginia, wird von Greenpeace gerne als das “Sturmgeschütz der Klimawandel-Leugner” bezeichnet.

Gruppen wie PatientsUnitedNow oder SickofSpending, allesamt Teil des sogenannten Kochtopus, kämpfen gegen Sozialabgaben und ein staatliches Gesundheitssystem. Längst haben die Brüder nicht mehr nur Einfluss und Geld. Sie verfügen auch über ein riesiges und ausgefeiltes Netzwerk an Grassroots-Organisationen. “Sie haben ein Paralleluniversum geschaffen”, fasst Viveco Novak zusammen.

Seite 2/2: “Wir befinden uns in einer Art Oligarchie”

Das Kochtopus steckte schon in der Vergangenheit Geld in den Wahlkampf. Allerdings sind die meisten der Organisationen als Nonprofit registriert und fallen so durch das Raster der Finanzierungsgesetze. Darum ließ sich bisher kaum nachvollziehen, wie viel Geld aus dem Koch-Imperium in die politischen Kanäle fließt.

Jetzt zeigen die Brüder dagegen Flagge. In den vergangenen Wochen tauchten sie immer wieder in Interviews auf, Werbespots porträtieren Mitarbeiter von Koch Industries unter dem Titel “Wir sind Koch”. Im vergangenen Sommer startete Freedom Partners, die hauseigene Handelsorganisation, das erste Super-PAC. Damit werden in den USA spezielle Political Action Committees bezeichnet. Eine solche Lobbygruppe erlaubt es den Kochs, gezielt Fundraiser für politische Kandidaten zu organisieren und Anzeigen zu schalten. Im Gegenzug musste die Gruppe das Budget von 25 Millionen Dollar offenlegen. Und nicht nur das: Beim Gipfeltreffen in Palm Springs durften sogar Journalisten mit den Teilnehmern sprechen. “Sie sind zu einer offenen politischen Macht geworden”, sagt Novak angesichts der neuen Offensive.

“Die Superreichen entscheiden darüber, wer gewählt wird”

Die hauseigenen Initiativen finanzieren eigene Fernsehspots, speichern und analysieren Wählerdaten und umwerben Veteranen, Frauen, Einwanderer aus Südamerika oder Jungwähler. Nehme man all das zusammen, könnten die Kochs nicht nur die republikanischen Vorwahlen beeinflussen, sondern auch das Rennen um das Weiße Haus, sagt Rick Hasen, Wahlrechtsexperte an der University of California at Irvine.

Das setzt die Demokraten unter Druck. Sie sind traditionell weniger eng verknüpft mit dem Big Money als die Konservativen. Ihre Spenden kommen von vielen kleinen, nicht von wenigen großen Geldgebern. “Die Kandidaten schrecken davor zurück, öffentlich den Schulterschluss mit mächtigen Geldgebern zu suchen”, sagt Viveca Novak. Wolle Hillary Clinton, die als wahrscheinlichste Kandidatin der Demokraten für das Weiße Haus gilt, erfolgreich sein, müsse sie womöglich sogar mehr Geld sammeln als Barack Obama für seine Kampagne vor zwei Jahren – mit über 700 Millionen Dollar bisheriger Rekordhalter. Doch Demokraten warnen, mit Geld in der Größenordnung der Kochs könne man jede andere Stimme ruhig stellen. Lobbygruppen planen derzeit, in den kommenden Monaten bis zu 300 Millionen Dollar für Clinton einzubringen.

Auch Beobachter wie Rick Hasen sind beunruhigt. “Wir leben inzwischen in einer Welt, in der die Superreichen darüber entscheiden, wer gewählt wird und welche Politik umgesetzt wird”, sagt der Jurist. Vor allem in der republikanischen Partei sei der Einfluss der Wirtschaft so groß wie nie zuvor. “Wir befinden uns im Grunde in einer Art Oligarchie”, so Hasen. Diese werde aus New York gelenkt. Die Washington Post wagte nach Bekanntwerden der Fast-Milliardenspritze bereits eine Prognose: Der nächste Präsident, schrieb das Blatt, werde “gesponsert, unterstützt und ausgestattet sein von den Koch-Brüdern und ihren Freunden”.

About this publication