Quotas for the Oscars?

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Quoten für die Oscars?

Es herrscht wieder einmal Aufschrei in den USA. Besonders trefflich schreien lässt es sich dann, wenn im Hintergrund der Verdacht der Diskriminierung flirrt. Und das tut er in Amerika ausserordentlich schnell. Man kann dies positiv sehen, als Zeichen einer gesteigerten Sensibilität, die dafür sorgt, dass Diskriminierung nicht mehr akzeptabel ist. Doch das wäre naiv. Der Grund ist vielmehr der Medienbetrieb. Berufsmässige Beobachterinnen und Beobachter suchen jeden möglichen Anlass eifrig danach ab, ob sich darin Stoff für eine Kontroverse verbirgt. Das schadet in erster Linie jenen, die wirkliche Ungerechtigkeiten ans Licht bringen wollen, denn sie stehen im Buhlen um die schnelllebige Aufmerksamkeit des Publikums in einem harten Konkurrenzkampf mit den Generatoren des täglichen Skandals.

Kein Preis für Bürgerrechte

Die Kontroverse um die Oscars hat sich am Film «Selma» entzündet, der fünfzig Jahre nach dem historischen Marsch von Selma nach Montgomery (Alabama) den Bürgerrechtsaktivisten und vor allem Martin Luther King ein Denkmal setzt. Er hat «nur» zwei Nominationen erhalten, und schon fast als Skandal gilt, dass er zwar als bester Film nominiert wurde, seine schwarze Regisseurin Ava DuVernay aber leer ausging. Dass DuVernay etwas kann, steht ausser Zweifel. Sie hat nicht nur mit «Selma», sondern auch mit früheren Werken mehrere Preise und Nominationen anderer Organisationen gewonnen, und die Produzenten vertrauten ihr immerhin ein Budget von 20 Millionen Dollar an. Andere Regisseure, die ebenfalls leer ausgingen, können wohl Ähnliches von sich behaupten. Warum also sollte DuVernay eine Oscar-Nominierung zustehen? Um eine Quote zu erfüllen, die zum Glück nicht existiert?

Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, welche unter anderem die Oscars verleiht, ist zur erdrückenden Mehrheit ein Klub der alten, weissen Männer. Man kann es dabei bewenden lassen: Wie sollten die denn in der Lage sein, ihre Rassenvorurteile zu überwinden? Das Dumme ist, sie tun es immer wieder. Zum Beispiel letztes Jahr, als «12 Years a Slave» in drei Kategorien den Oscar gewann – unter anderem für den besten Film – und in sechs weiteren Kategorien nominiert wurde. Im Jahr davor hatte «Django Unchained» zwei Oscars und drei Nominationen eingefahren, 2011 wurde «The Help» mit einem Oscar und drei Nominationen ausgezeichnet. Die drei Filme haben düsterste Kapitel der (schwarz)amerikanischen Geschichte ins Licht gerückt; auf sehr unterschiedliche Weise zwar, aber immer in einer aussergewöhnlich kreativen und aufwühlenden Art – essenzielle Elemente der Magie des Kinos.

Der Verdacht drängt sich auf, «Selma» soll darum mehr Oscar-Nominationen kriegen, weil er ein so wichtiges Kapitel der Bürgerrechtsbewegung und mit Martin Luther King ihren herausragenden Pfeiler ehrt. Davon kann natürlich keine Rede sein. Die Oscars sind keine Preise für Bürgerrechte, sie sind Preise für herausragende Leistungen im amerikanischen Filmgeschäft. Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences vereint praktisch alles, was darin Rang und Namen hat. Wie es sein Name schon sagt, ist das Filmgeschäft in erster Linie ein Geschäft. Der Idealismus ist in dieser Branche etwa so ausgeprägt wie im amerikanischen Profisport.

Lieber nichts als Geschwafel

Nun hat die Akademie mit Cheryl Bone Isaacs zum ersten Mal eine schwarze Frau als Präsidentin, eine Fachfrau für Marketing, die als Chefin des PR-Arms der Organisation über zwanzig Jahre lang im Führungsausschuss sass. Sie weiss, wie man auf Kritik reagiert, und hat zu Protokoll gegeben, sie werde darauf hinwirken, dass die Akademie Minderheiten gezielter fördere, sowohl ethnische Minoritäten wie Schwarze, Latinos oder Asiaten als auch die Frauen. Man habe in den letzten zwei Jahren unter ihrer Führung schon grosse Schritte unternommen, um eine breiter diversifizierte Organisation zu werden, indem man neue Mitglieder angeworben habe. Da laut den letzten Zahlen von 2012 94 Prozent der Mitglieder weiss und fast 80 Prozent Männer sind, kann man sich ausrechnen, in welchem Jahrzehnt eine ausgewogenere Mitgliedschaft Tatsache werden könnte.

Wollte die Akademie Ernst machen mit dem Vorhaben, könnte sie sich beim Sport abgucken, wie das geht. Das Verbreitern der Mitgliederbasis und der Führung in Ehren, aber sie sollte vor allem Wege finden, in den Minderheiten das Talent zu finden und zu fördern. Wenn das Filmgeschäft wie der Sport – oder die Musik – zu einem Weg würde, der es jungen Frauen und Männern erlaubte, aus ihrer Misere auszubrechen, müsste sich niemand mehr Sorgen machen über mangelnde Diversität unter den Preisträgern. Man braucht sich nur die Podien für Gewinner im Sport anzusehen.

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