I’m (Not) Loving It

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Ich liebe es (nicht mehr)

Bei McDonald’s kriselt es auch in Deutschland: Der Konzern kämpft mit veränderten Essgewohnheiten. Kann sich das Unternehmen neu erfinden? VON LUKAS ZDRZALEK

Die McDonald’s-Mitarbeiter nennen sie unternehmensintern die Blockbuster: Big Mac und Cheeseburger, Hamburger und Chicken McNuggets. Die Blockbuster, das sind die bestverkauften Produkte, die Umsatztreiber. Sie haben das Image des Unternehmens geprägt: McDonald’s steht für fettiges, fleischiges, billiges Fast Food. Es ist ein Image, das für McDonald’s jetzt zum Problem wird.

Noch immer ist die amerikanische Fast-Food-Kette mit dem großen M der Marktführer in der deutschen Systemgastronomie. Diese herausgehobene Stellung täuscht leicht über die Probleme des Konzerns hinweg: Bei McDonald’s kriselt es nicht nur im Heimatland, den Vereinigten Staaten, sondern auch in Deutschland. Lange bewarb McDonald’s seine Produkte mit dem Slogan: “Ich liebe es!” Doch die Zuneigung der Kunden schwindet.

Das zeigt ein Blick auf die Zahlen: 2012 erzielte McDonald’s in Deutschland noch einen Rekordumsatz von 3,2 Milliarden Euro, danach veröffentlichte das Unternehmen schon keine Daten mehr. Wie ZEIT ONLINE aus Unternehmenskreisen erfuhr, sank der Umsatz in den beiden darauffolgenden Jahren. Das Branchenblatt Food Service schätzt, dass der Rückgang 2013 bei 4,5 Prozent lag, 2014 bei fast drei Prozent – obwohl das Unternehmen die Zahl seiner Filialen seit 2012 sogar noch erhöht hat. Und während McDonald’s schrumpfte, wuchs der Schnellgastronomie-Markt leicht, wie Schätzungen von Food Service zeigen. Das heißt: Der Marktanteil von McDonald’s ist noch stärker eingebrochen als die Umsatzzahlen.

Die Werbung wirkt nicht mehr

Für diese Entwicklung gibt es unterschiedliche Erklärungen. In der Lesart von McDonald’s selbst sind vor allem Preiserhöhungen schuld. In Deutschland war das Unternehmen lange bekannt für seine Ein-Euro-Angebote: Cheese- und Chickenburger, Pommes und Cola gab es alles für jeweils einen Euro – bis 2012. Da stellte McDonald’s die Aktion ein, hob etwa den Cheeseburger-Preis auf 1,19 Euro an. Dadurch seien vor allem junge Kunden seltener in die Läden gekommen, die besonders preissensibel seien, heißt es intern.

Zudem habe die Werbung nicht mehr gewirkt. “Die Ansprache war nicht mehr zeitgemäß, wir haben dem Kunden nicht mehr das Gefühl vermittelt, eine junge Marke zu sein”, lautet es aus dem Unternehmensumfeld. Experten dagegen betonen andere Gründe für die Krise: Sie sprechen von strukturellen Problemen des Konzerns, von gesellschaftlichen Entwicklungen, unter denen McDonald’s leide.

So wünschten sich die Verbraucher noch stärker als früher regionale Produkte, sagt Martin Fassnacht, BWL-Professor mit Schwerpunkt Marketing an der Otto-Beisheim-School für Management. Zwar habe McDonald’s in diesem Bereich schon viel getan, lobt Fassnacht. Das Unternehmen verkaufte Burger mit Nürnberger Rostbratwürstchen, zeigte in der Werbung glückliche Kühe, die auf saftig-grünen, angeblich deutschen Weiden grasten.

McDonald’s habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, sagt Fassnacht. “Als amerikanischer Konzern, als globale Marke ist es für McDonald’s sehr viel schwerer, dem Kunden Regionalität zu vermitteln als der kleine Burgerladen um die Ecke.” Selbst McDonald’s scheint sich das einzugestehen: Aus dem Umfeld heißt es, das Unternehmen wolle in seiner aktuellen Werbekampagne noch stärker betonen, welche Anstrengungen es bei der Qualität und beim Einkauf unternehme.

Seite 2/2: Die Essgewohnheiten werden individueller – darunter leidet McDonald’s

Michael Greiner, Professor für Systemgastronomie an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, sieht noch eine zweite Entwicklung, die McDonald’s Probleme bereitet: Die Essgewohnheiten würden immer individueller, sagt Greiner. “Der Trend ist, dass es keinen einheitlichen Trend mehr gibt.” Früher gingen alle zu McDonald’s; heute wollen einige Bio, andere veganes Essen, manche möchten mittags nur ein Brötchen, andere wollen es etwas schicker und gesünder – und keiner will das, was sein Gegenüber hat.

In den vergangenen Jahren sind in Deutschland viele neue Fast-Food-Firmen entstanden. Von denen ist zwar keine ansatzweise so groß wie McDonald’s, doch Schritt für Schritt luchsen sie dem Branchenprimus Kunden ab. Manchmal handelt es sich dabei um Burgerläden, die es nur in einer einzigen Stadt gibt, ein anderes Mal sind es Ketten wie Hans im Glück. Das Konzept des Unternehmens: Burger, aber mit edlerem Ambiente. Noch ist die Firma vergleichsweise klein, es gibt nur rund dreißig Filialen im Bundesgebiet. Doch die Nachfrage nach den Burgern der Kette ist schon jetzt enorm: Im vergangenen Jahr steigerte Hans im Glück den Umsatz um 210 Prozent.

Doch McDonald’s verliert Kunden nicht nur an höherwertige Konkurrenz wie Hans im Glück, sondern auch an günstigere Angebote, etwa an Bäckereiketten. Der Fast-Food-Konzern sei zwar schon individueller geworden, indem er inzwischen auch Salate anbiete, sagt Experte Greiner. Eine weitere Innovation sei etwa das McCafé gewesen, das die Kunden auch gut annähmen. “Aber im Bewusstsein der Verbraucher steht der Konzern vor allem für ein Produkt: den Burger”, sagt er. Den größten Blockbuster eben.

McDonald’s will sich jetzt noch mehr auf die veränderten Essgewohnheiten einstellen. Ende dieses Monats stellt das Unternehmen in Frankfurt neue Konzepte vor, es soll auch um individuellere Angebote gehen.

Ein schwieriger Wandel

Doch dadurch gerät der Burgerbrater zunehmend in ein Spannungsfeld: Er darf die Stammkundschaft nicht verlieren, muss aber auch die anderen zurückgewinnen, um wirtschaftlich wieder erfolgreicher zu sein. Er muss die Liebhaber von fettigem Fast Food mit denen zusammenbringen, die nur ein Salätchen wollen – dessen Zutaten am besten noch vom Bauer um die Ecke stammen. “Aber je stärker McDonald’s seine Produktpalette ausdifferenziert, desto größer ist das Risiko, die Stammklientel zu verprellen, weil die sich nicht mehr wohlfühlt”, warnt Greiner.

Angesichts dieses Balanceakts ist Marketing-Experte Fassnacht skeptisch, ob McDonald’s den Wandel schaffen kann. “Für das Unternehmen geht es jetzt darum, nicht noch größere Marktanteile zu verlieren”, sagt er.

Der Konzern sieht das erwartungsgemäß anders: Zum Beginn dieses Jahres hat er eine Werbekampagne gestartet – die bereits Wirkung zeige, sagen Unternehmenskreise. Die Deutschland-Sparte habe sogar zum leichten Plus im europäischen Markt beigetragen, ließ der Konzern Investoren in einer Mitteilung wissen.

Doch bereits jetzt an eine Wende zu glauben, sei Augenwischerei, sagt Martin Fassnacht. “Wenn ich mehr Fernsehwerbung schalte, kommen erst mal mehr Kunden in meine Läden. Aber das ist ein kurzfristiger Effekt”, sagt er. Ein Imagewandel dauere 10 bis 15 Jahre – wenn er überhaupt funktioniere. “Im Zweifel gehen die Kunden lieber zu den Mitbewerbern, die von Anfang an ein anderes Konzept hatten und authentischer wirken.”

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