Barack Obama Blazes New Foreign Policy Trails

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Kuba und Iran: Barack Obama geht außenpolitisch neue Wege

Von Martin Engelberg

13.04.2015

Obamas Doktrin: auch mit Feinden reden und eventuell Vereinbarungen treffen, dabei aber die eigenen strategischen Interessen nicht aus den Augen verlieren.

Der amerikanische Präsident Barak Obama geht in seinem Umgang mit dem Iran und mit Kuba neue, außenpolitisch höchst interessante Wege. Obama entwickelt dabei für die verbleibenden 18 Monate seiner Amtszeit eine Strategie, die dereinst einmal als „Obama-Doktrin“ in die Geschichtsbücher eingehen könnte. Hoffentlich mit einer positiven Konnotation.

Obamas 45-minütiges Interview mit dem Topkolumnisten des Weltblattes „New York Times“, Thomas Friedman, gehört zu den spannendsten politischen Zeitdokumenten dieser Tage (nachzusehen auf www.nytimes.com). Das Gespräch ist allein schon deshalb bemerkenswert, weil dabei der mächtigste Politiker der Welt seine Überlegungen zu der jüngst getroffenen Vereinbarung mit dem Iran sehr offen darlegt.

Es sind keine vorgefertigten Floskeln, die Obama da herunterspult. Nein, er formuliert nachdenklich, reflektierend, abwägend und zugleich entschlossen. Obamas Ausführungen sind weder eine Propagandarede noch eine Ansammlung von nichtssagenden Floskeln und Schachtelsätze, wie wir es von der politischen Klasse hierzulande so gewohnt sind. Allein das ist gleichsam ein Gustostückerl für intellektuelle, europäisch gefärbte, politisch interessierte Menschen.

Obamas politisches Credo lautet: Man muss sich auch mit den größten Feinden auf Gespräche und Vereinbarungen einlassen, darf dabei aber die eigenen strategischen Interessen nicht aus den Augen verlieren. Dieser Linie ist er auch bisher schon gefolgt – gegenüber Burma, Kuba und jetzt dem Iran. Eine solche Politik der Öffnung nutze den USA mehr als endlose Sanktionen und Boykotte. Die USA mit ihrer überwältigenden Macht müssten das Selbstvertrauen haben, um kalkulierbare Risken einzugehen und um wichtige neue Möglichkeiten zu eröffnen.

Wie erwähnt, in unseren westlichen Ohren klingt das alles sehr gut. Es ist aber viel schwerer abzuschätzen, wie die Worte Obamas denn im Iran und insgesamt im Nahen und im Mittleren Osten wahrgenommen und verstanden werden.

Der schärfste Kritiker des US-Präsidenten in der Frage des iranischen Atomprogramms ist der gerade wiedergewählte israelische Premierminister, Benjamin Netanjahu. Für ihn ist Obama am besten mit dem britischen Premier Neville Chamberlain und seiner gescheiterten Appeasement-Politik gegenüber Nazi-Deutschland vergleichbar.

Andererseits gleicht Netanjahus Politik einer professionellen, extrem hochgerüsteten und jederzeit einsatzbereiten Feuerwehr. Wann immer es irgendwo brennt, rückt diese aus und unterdrückt das Feuer mit vollem Einsatz. Hingegen sind Brandprävention und die Entwicklung von Strategien, um den Ausbruch von Feuer zu verhindern, genauso wenig Netanjahus Sache wie differenziertes Denken.

Über Barack Obama sagte der frühere CIA-Chef Leon Panetta einmal, er verlasse sich zu sehr auf seine Logik als Jus-Professor, anstatt auf seine Leidenschaft als Führer zu setzen.

Obama dürfte diese Haltung in seiner bisherigen Präsidentschaft wiederholt im Weg gestanden sein. Jetzt scheint er jedoch einen Weg gefunden zu haben, um aus dieser Einstellung Stärke zu entwickeln: Er betrachtet die Dinge aus einer „helicopter view“, also aus einer gewissen Distanz, ohne emotionale Verstrickungen und Vereinfachungen. So gelingt es ihm vielleicht, die komplexe politische Situation rund um den Iran besser zu beurteilen.

Jedenfalls scheint Obama entschlossen zu sein, diesen Weg zu gehen. Er tritt damit womöglich in die Fußstapfen des von ihm geschmähten Vorgängers George W. Bush. Auch er traf so manche Entscheidung gegen den Rat von Politikern, Militärs und Journalisten, wenn er einmal überzeugt von einem bestimmten Weg war. Präsident Obama und uns allen sei gewünscht: Möge die Übung gelingen!

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