Er hat das I-Wort gesagt
von Martin Klingst
18. Mai 2015
Jeb Bush galt als der Republikaner mit den besten Aussichten auf die Präsidentschaftskandidatur. Bis er den Irakkrieg für richtig erklärte. Warum lief er in diese Falle?
Noch immer wirft George W. Bushs verheerender und auf Lügen gebauter Irakkrieg lange Schatten. Er trägt Schuld daran, dass Staaten zerfallen und der Mittlere Osten im Chaos versinkt. Seinetwegen fielen kriegführende Präsidenten und Premiers bei ihren Völkern in Ungnade. Und seinetwegen unterlag Hillary Clinton 2008 Barack Obama im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Denn als Senatorin hatte sie einst im Kongress für den Irakkrieg gestimmt.
Ein mögliches neues Opfer des Irakkriegs: Jeb Bush. Auch wenn er seine Präsidentschaftskandidatur noch nicht erklärt hat – allem Anschein nach möchte der Ex-Gouverneur von Florida nach seinem Vater George H. (Präsident von 1989–1993) und seinem Bruder George W. (2001–2009) der dritte Bush im Weißen Haus werden.
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Und bis vor wenigen Tagen noch schien es auch, als sei er unter den republikanischen Kandidaten der aussichtsreichste Bewerber. Und überdies aufgrund seiner Erfahrung und seiner in Fragen der Einwanderung, Außen- und Sozialpolitik vergleichsweise eher gemäßigt-konservativen Ansichten auch der beste, und aus europäischer Sicht außerdem erträglichste Bewerber.
Zwar kein feuriger Redner und für viele hartbeinige Republikaner zu weich und zu wenig ideologisch, war Jeb Bush bislang auch der klare Favorit des Partei-Establishments und konservativer Geldspender. Denn auch sie wissen: Am Ende hat nicht der politische Heißsporn, sondern ein Moderater die besten Aussichten, Amerikas Mitte und damit auch das Weiße Haus zu gewinnen.
Doch Bush Nummer drei könnte seine Chancen verspielt haben, bevor er überhaupt angetreten ist: In der vergangenen Woche tappte er ausgerechnet in jene Falle, die es um jeden Preis zu vermeiden galt.
Auf die Frage, ob er selbst im Lichte heutiger Erkenntnisse wie sein Bruder George W. den Irakkrieg befohlen hätte, antwortete er mit Ja. Und erklärte überdies wahrheitswidrig, Konkurrentin Hillary Clinton, die sich erneut um die demokratische Präsidentschaftskandidatur bewirbt, würde dasselbe meinen.
Als ihm helles Entsetzen und wütende Proteste entgegenschlugen, flüchtete sich Bush zunächst in die Behauptung, er habe die Frage leider falsch verstanden. Erst vier Tage und vier mühselige Antworten später rang er sich zu einem Nein durch.
Ein schlimmerer Fehler hätte ihm kaum unterlaufen können. Denn nicht nur versäumte er es, sich als ein eigenständiger Denker und nicht “bloß” als dritter Bush zu präsentieren, der die Familiendynastie fortsetzen will. Sondern er verpasste außerdem eine wichtige, vielleicht die wichtigste Gelegenheit, ein für alle Mal klarzustellen, dass er im Falle seiner Wahl keine bloße Fortsetzung seines äußerst umstrittenen Bruders George W. sein wird.
Zwar schauen die Republikaner heute mit weit milderen Augen auf George W. Bushs achtjährige Regentschaft. Nach einer Umfrage der New York Times und des Fernsehsenders CBS geben ihm sieben von zehn Republikaner gute Noten und sind der Meinung, dass Barack Obama in der Außenpolitik weitaus stärker versagt und weit größere Fehler begangen hat als der Irakkrieger Bush.
Doch die Mehrheit der Amerikaner teilt dieses Urteil nicht. Der Irakkrieg ist nach wie vor verhasst. Nicht nur der vielen amerikanischen Opfer wegen, sondern weil George W. Bush sein Volk nach Strich und Faden belog. Und weil der Krieg alles viel schlimmer gemacht und Amerikas Ansehen in der Welt nachhaltig beschädigt hat.
Im Angesicht dieser Stimmungslage lässt sich darum kaum begreifen, warum Jeb Bush sehenden Auges in diese Falle lief. Warum er auf die so offensichtliche Frage nach seiner Haltung zum Irakkrieg nicht besser vorbereitet war.
Sollte Jeb Bush trotz allem antreten, läuft er nun Gefahr, dass im Mittelpunkt seines Wahlkampfs nicht die acht Obama-Jahre stehen, sondern die acht Jahre seines Bruders George W.
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