Wie gefährlich wird dieser Gegner für Hillary Clinton?
VON HEIKO ROLOFF
31.05.2015
Martin O’Malley (52) hat am Samstag angekündigt, dass er sich für die Präsidentschaftskandidatur bewerben will
Kaum eine Woche, in der nicht ein weiterer Republikaner erklärt, dass er der nächste Präsident der Supermacht USA werden will. Bisher sind acht von ihnen offiziell dabei und weitere sieben – darunter Jeb Bush – in den Startlöchern. TV-Sender klagen schon: Was für ein Zirkus. So riesige Debatten seien zu viel für den Wähler.
Derweil sah bei den Demokraten alles nach einer One-Man-Show aus. Oder besser One-Woman-Show. Abgesehen von dem Exzentriker Senator Bernie Sanders (73, „Ich bin ein Sozialist“), traute sich bislang noch kein „Liberaler“ gegen Partei-Königin Hillary Clinton (67) anzutreten.
Wer könnte schon die übermächtige ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin schlagen, die auch noch einen der beliebtesten Präsidenten der Geschichte – Bill Clinton (68) – in ihrer Ecke hat?
Jetzt ist ein Mann aufgestanden, der diese Frage beantworten will: Martin O’Malley. 52 Jahre alt. Ex-Bürgermeister von Baltimore und Gouverneur von Maryland. Familienvater. Und Mitglied einer Rock-Band, er singt und spielt Gitarre.
Warum könnte er für Hillary Clinton gefährlich werden?
Er erinnert an den einzigen demokratischen Präsidenten des 20. Jahrhunderts, der noch populärer als Bill Clinton war: John F. Kennedy (1917 – 1963). Beide haben irische Wurzeln und stammen aus katholischen Familien.
Martin O’Malley ist jung (15 Jahre jünger als Frau Clinton), dynamisch und vor allem telegen. Die Kamera liebt ihn. Er hat vier Kinder, eine sympathische Frau und er steht nicht unter dem Verdacht, zu einer politischen Dynastie zu gehören oder zu enge Kontakte zur Wall Street zu haben.
Vor allem aber: Wie John F. Kennedy damals ist auch er heute ein vergleichsweise unbekannter Underdog, der neue Ideen auf den Tisch bringt und dem Establishment den Kampf ansagt.
O’Malley zeigte sich denn auch bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur in seiner politischen Heimatstadt Baltimore angriffslustig. Er spielte auf Hillary Clintons Alter an, ihren Reichtum und dass sie den Kontakt zur Bevölkerung längst verloren habe.
VergrößernHier klopft Hillary ihrem Kontrahenten noch auf die Schulter: Am 25. September 2006 waren O’Malley und Clinton gemeinsam auf einer Werbeverstaltung für die Demokraten aufgetreten
„Heute scheint der amerikanische Traum für so viele von uns kaum mehr zu sein, als gerade über die Runden zu kommen“, sagte O’Malley. „Doch das ist nicht der amerikanische Traum, den wir wollen. Wir müssen unser Land retten und unseren Traum wieder aufbauen.“
Dann nahm er den Lieblings-Feind der Mittelklasse ins Visier: Banken. In Anspielung auf den Beinahe-Finanz-Kollaps von 2008 sagte er: „Wie ist es möglich, dass du in diesem Land für ein kaputtes Rücklicht an deinem Auto gestoppt und bestraft wirst, aber wenn du die Wirtschaft der Nation sehenden Auges gegen die Wand fährst, bis du unantastbar?“
Er schreckte nicht davor zurück, Hillary Clinton, deren zwei Milliarden Dollar schwere Wohltätigkeits-Stiftung Riesen-Spenden von großen Firmen und Banken bekommen hat, in eine Ecke mit Wall Street und dem mutmaßlichen republikanischen Kandidaten Jeb Bush zu stellen. „Erst vor Kurzem sagte der Vorstandsvorsitzende von Goldman Sachs, er könne sowohl mit Bush als auch mit Clinton leben“, sagte der Demokrat, um anzufügen: „Ich wette, dass er das kann.“
Doch er habe Neuigkeiten für die „Bullies“ von der Wall Street, die über den Rest Amerikas lachten. „Die Präsidentschaft ist keine Krone, die zwischen zwei königlichen Familien hin und her gereicht wird. Sie ist ein heiliges Vertrauen, das von den Amerikanern verliehen wird und verdient werden muss.“
Und so glauben zahlreiche seiner Anhänger, dass er ein Vakuum in der demokratischen Partei füllen kann. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Gary Hart (verlor 1984 gegen Ronald Reagan): „Amerika erlebt gegenwärtig einen Generationswechsel. Die Wähler von heute sind nicht so sehr in liberale und konservative Lager geteilt, sondern in Vergangenheit und Zukunft. Sie wollen neue Ideen und eine neue Generation von Politikern, die nicht das Establishment unterstützen.“
Tatsächlich steht O’Malley – wie John F. Kennedy im Wahlkampf von 1960 – für progressive Ideen. Seine Positionen:
► Homo-Ehe: Er war bereits als Gouverneur von Maryland ein Befürworter der Homo-Ehe, als Barack Obama und Hillary Clinton sich bei diesem Thema noch bedeckt hielten und den Wind ausloteten. Die ehemalige Außenministerin, die inzwischen auch für die Schwulen-Ehe ist, hatte zuvor stets gesagt, dass die einzelnen US-Staaten dies für sich entscheiden sollten. O’Malley erklärte dagegen: „Die Ehe ist ein Menschenrecht und nicht das Recht eines Staates.“
► Umwelt: Er ist ein „Grüner“ und glaubt, dass der Klimawandel menschengemacht ist und die Welt grundlegend verändert. Er fordert die Reduzierung von Treibhausgasen, ist eine vehementer Gegner der „Keystone XL“-Pipeline, die Öl aus Kanada in die USA liefern soll.
►Außenpolitik: Er war bereits 2003 ein Gegner des Irak-Krieges (Hillary Clinton hatte dafür gestimmt). Er ist jedoch ein entschiedener Gegner eines nuklearen Irans. Er fordert eine Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, gesteht Israel jedoch das Recht zu, sich gegen Raketen-Angriffe der Hamas zu wehren. Und er befürwortet die Wiederaufnahme von diplomatischen Kontakten zu Kuba.
► Einwanderung: Er lehnt es ab, Kinder, die illegal in die USA gekommen sind, abzuschieben. Als Gouverneur von Maryland erlaubte er, dass illegale Einwanderer einen Führerschein bekommen, der in den USA als Gegenstück zu einem Personalausweis dient. Hillary Clinton hatte dies noch 2008 bei ihrem ersten Anlauf auf das Weiße Haus abgelehnt und damit viele Wähler mit südamerikanischen Wurzeln verärgert.
► Wirtschaft: Er gilt als Kämpfer gegen die Einkommens-Ungleichheit, von der erwartet wird, dass sie 2016 eines der Schlüssel-Themen wird. Und er ist ein knallharter Gegner der Wall Street. Er fordert das Zerbrechen von Großbanken. Er will wieder verbieten lassen, dass Verbraucher-Banken gleichzeitig Investment-Banken sind (ein Gesetz, das von Bill Clinton abgeschafft worden war). Und er will mehr soziale Leistungen schaffen. Das Geld dafür will er durch Sozial-Abgaben von den Amerikanern holen, die mehr als 120 000 Dollar im Jahr verdienen.
Im Klartext: Martin O’Malley will wie einst John F. Kennedy mit Hilfe von Minderheiten und jungen Wählern gewinnen. Und dabei hofft er – wie einst JFK – vor allem auf Auftritte und Debatten im TV, die in den USA immer wieder als wahlentscheidend gelten.
Hillary Clinton ist gewarnt. Sie hat schon 2008 gegen einen Underdog und Newcomer verloren. Und Umfragen haben ergeben: Viele Amerikaner wollen frisches Blut sehen und ein großer Prozentsatz der Wähler vertraut ihr nicht.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.