Doubts about the American Dream

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Zweifel am amerikanischen Traum

In Amerika galt das Prinzip als ehern, dass jeder Erfolg haben kann, der nur hart genug arbeitet. Doch die Wirklichkeit sieht längst anders aus. Die Ungleichheit wächst – und wird zum Wahlkampfthema.

Einer der amerikanischen Gründungsmythen ist die Idee, dass jeder, der wirklich will, es in diesem Land nach oben schaffen kann. Erfolg, insbesondere auch wirtschaftlicher Erfolg, ist demnach allein eine Frage des Fleißes, der Tatkraft und des Wagemuts. Man muss sich diesen Gedanken stets vergegenwärtigen, wenn man verstehen will, warum sich die Amerikaner manch sozialpolitische Debatte leisten, die aus europäischer Sicht eher seltsam wirkt: Wo Erfolg ausschließlich an der Willenskraft hängt, erscheint umfassender sozialer Schutz – eine staatliche Krankenversicherung etwa – nicht nur überflüssig, sondern sogar systemwidrig.

Natürlich ließ sich der amerikanische Traum nie schematisch in die Wirklichkeit übertragen, das Prinzip aber war anerkannt. Dieser Glaube nun geht den Amerikanern immer mehr verloren, wie eine Umfrage der New York Times und des Fernsehsenders CBS zeigt. Demnach sind sechs von zehn Bürgern der Meinung, dass der Reichtum im Land ungerecht verteilt ist und – das ist das Spannendere -, dass die Regierung etwas dagegen tun sollte. Unter den Anhängern der Demokratischen Partei sind es gar acht von zehn Menschen.

Die soziale Ungleichheit wird zum wichtigen Wahlkampfthema

Jeder zweite Amerikaner ist zudem dafür, dass Spitzengehälter staatlich gedeckelt werden sollten, eine Idee, die aus Sicht altgedienter Manager einem Anschlag auf die Freiheit gleichkommt. Die Kritiker hingegen unterscheiden zunehmend zwischen Gehalt und Verdienst. Auch wenn der Markt es hergibt, dass der Manager eines hochspekulativen Investmentfonds ein, zwei Milliarden Dollar im Jahr an Gehalt kassiert – verdient im Sinne eines Leistungsgedankens ist das nicht.

Die Umfrage dürfte den anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf stark beeinflussen. Hillary Clinton, die Favoritin unter den demokratischen Bewerbern, hat bereits zu erkennen gegeben, dass sie die Frage der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt ihrer Kampagne stellen wird. Noch vor ein paar Jahren hätte das als sicheres Rezept für den politischen Untergang gegolten. Doch ihre republikanischen Konkurrenten können kaum dagegenhalten. Auch unter ihren Kernwählern fordert mehr als jeder Dritte Veränderungen.

Zu den Ursachen für den Gesinnungswandel zählen der dauerhafte Verlust vieler Industriearbeitsplätze im Zuge der Globalisierung und die Finanzkrise von 2008, die vielen Mittelschichtlern das Heim, vor allem aber die Sicherheit geraubt hat. Mit dem Haus gingen der Inbegriff des amerikanischen Wohlstandsmodells wie auch der Glaube an selbiges verloren, vielleicht unwiderruflich. Andere Menschen müssen damit klarkommen, dass ihnen dauerhaft ein Teil ihres Gehalts abhanden gekommen ist, etwa weil sie bis heute gegen ihren Willen Teilzeit arbeiten müssen.

Die Einordnung der Bürger in ethnisch-soziale Gruppen wird zementiert

Das eigentliche Problem aber liegt im Bildungssystem. Weil viele Einrichtungen mit dem Geld, das sie vom Staat erhalten, nicht auskommen und deshalb um Spenden von der Wirtschaft und reichen Bürgern buhlen müssen, klafft die Schere immer weiter auseinander: Während es in einigen reichen – ganz überwiegend weißen – Gegenden des Landes Schulen und Hochschulen gibt, die zu den besten der Welt zählen, ist es in armen Bezirken und Regionen oft umgekehrt. Die Einordnung der Bürger in ethnisch-soziale Gruppen wird so nicht aufgebrochen, sondern zementiert. Das ist Gegenteil jener Idee, die in den USA einst ebenso identitätsstiftend wie im Wortsinne staatstragend war.

Über viele Jahrzehnte ist Europa Jahr um Jahr ein klein wenig amerikanischer geworden – kulturell, politisch, ökonomisch. Die Filme in den Kinos zeugen davon ebenso wie die Art, in der etwa in Deutschland heute Wahlkampf geführt wird. In der sozialen Frage, so erscheint es, wird Amerika nun ein klein wenig europäischer.

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