Ein Zirkus mit Eseln und Elefanten
US-Vorwahlkampf Über ein Jahr vor der Wahl des nächsten US-Präsidenten haben bereits 16 Bewerber offiziell ihre Kandidatur zur Nominierung erklärt. Der Zirkus ist im vollen Gange
Ein Blog-Beitrag von Freitag-Community-Mitglied Ernstchen
Ein Zirkus mit Eseln und Elefanten
Präsidentenzirkus: Obama kam, Clinton kommt und Elvis ist immer da
Foto: JEWEL SAMAD/AFP/Getty Images
Ted Cruz, Rand Paul, Marco Rubio, Jeb Bush, Carly Fiorina, Ben Carson, Mike Huckabee, Rick Santorum, Rick Perry, George Pataki, Lindsey Graham und Donald Trump. Diese zwölf zum Teil schillernden Persönlichkeiten sind die bisherigen offiziellen Bewerber um die republikanische Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten 2016. Zwölf. Bei den Demokraten – sicherlich auch aufgrund der offensichtlichen Frontrunnerin Hillary Clinton – sind es lediglich vier: Clinton, Lincoln Chaffee, Martin O’Malley und: Bernie Sanders, der sich nicht als independent hat aufstellen lassen, sondern der offiziell innerhalb der Demokratischen Partei ins Rennen geht.
Der US-Amerikanische Wahlzirkus hat also wieder begonnen, und neben solch kaum ernstzunehmenden Randfiguren wie Rick Santorum, Rick Perry oder Mike Huckabee hat die GOP auch diesmal wieder eine veritable Witzfigur in ihren Reihen: Donald Trump. Ein cartoonhafter Milliardärsclown, der mit seinen unglaublichen Aussagen über mexikanische Einwanderer („Sie bringen Drogen, sie bringen Verbrechen. Sie sind Vergewaltiger, und manche, nehme ich an, sind gute Menschen.“) das Gesprächsthema der Woche in den USA gewesen wäre, hätte Dylann Roof nicht neun Menschen in einer schwarzen Kirche erschossen. Auch wenn Trump momentan in einer Blitzumfrage auf Platz zwei der Bewerber gelandet ist, hinter Jeb Bush, so ist nicht zu erwarten dass dieser professionelle Selbstdarsteller irgendeine Rolle im amerikanischen Wahlkampf spielen wird.
Gefährlicher ist da noch Ted Cruz, der ähnlich krude bis an Wahnsinn grenzende Auffassungen vertritt, durch seine Tea-Party-Verbindung aber einen Fuß in der Tür der republikanischen Basis hat, während Trump nur ein aufgeblasener Milliardär aus dem Fernsehen ist, mit dem sich kaum jemand in der Bevölkerung identifizieren wird.
Dass nun Jeb Bush, der recht spät seine offizielle Kandidatur verkündet hat, der Frontrunner ist, war zu erwarten. Zu speziell sind Ted Cruz und Rand Paul, zu unbekannt Marco Rubio und George Pataki. Bush ist ein Markenname, und auch wenn man in Europa sich kaum vorstellen kann, wie der Name Bush eine positive Konnotation haben kann, so ist der konservative Teil der USA weiterhin zu einem großen Teil davon überzeugt, dass der Irakkrieg gerechtfertigt war und dass das Bush/Cheney-Regime ein erfolgreiches war – und auf jeden Fall immernoch besser als jede demokratische Option. Wer jedoch am Ende des Vorwahlkampfes an der Spitze der GOP stehen wird, bleibt weiter Kaffeesatzleserei. Noch hat sich der populäre Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, nicht zu Wort gemeldet, noch gab es keine TV-Debatten zwischen den Kandidaten, in denen auch mal durch ein kleines Malheur Kandidaten urplötzlich erledigt sind, so wie es 2012 Rick „Oops“ Perry erging, der sich nicht mehr erinnern konnte, welche drei Ministerien er abschaffen wollte.
Der kurze Blick auf den aktuellen Stand des US-Wahlkampfes würde also suggerieren, dass das republikanische Ticket noch relativ offen ist, mit einem gewissen, zumindest vorübergehenden Vorteil für Jeb Bush, und dass Hillary Clinton als demokratische Kandidatin gesetzt ist. Den Fehler dieser Schlussfolgerung machten jedoch bereits viele im Jahr 2008, als plötzlich ein relativ unbekannter Senator namens Barack Obama Hillary kurzerhand aus dem Rennen warf. Lincoln Chaffee und Martin O’Malley, beides Kandidaten die man im amerikanischen Slang als vanilla (unspannend, langweilig) bezeichnen würde, haben kaum eine Chance auf einen solch gearteten Überraschungscoup. Bernie Sanders hingegen ist eine andere Geschichte.
Als Sanders sich für die demokratische Kandidatur bewarb, waren viele einigermaßen überrascht. Der Senator von Vermont ist parteilos und ganz klar im linken Spektrum der US-Politik angesiedelt. Viele nennen ihn einen Sozialisten, auch er selbst wehrt sich nicht gegen diesen Begriff. Als Elizabeth Warren ankündigte, sich definitiv nicht um die demokratische Kandidatur zu bewerben, waren viele im linken Spektrum enttäuscht bis resigniert und stellten sich bereits darauf ein, Hillary Rodham Clinton als das geringere Übel – egal mit welchem GOP-Kandidaten verglichen – zu wählen. Doch dann kam Bernie Sanders: Ein Politiker, der auf SuperPacs verzichtet und damit auf einen riesigen Brocken Geld für seinen Wahlkampf. Ein Politiker, der eine Politik verspricht, die der Macht der Banken an den Kragen geht, die dem Drogenkrieg ein Ende setzen soll, die mehr in die Bildung investieren will … Politik im Sinne des amerikanischen Volkes, gegen den Einfluss der Lobbys und des großen Geldes. Ein Idealist, könnte man sagen. Belächelt wird er dafür, natürlich, so wie für seinen Akzent und seine etwas wilden Haare. Doch der „Sozialismus“ ist in den USA längst kein flächendeckendes Schimpfwort mehr und Bernie Sanders, der Kandidat ohne Geld, ist in den Umfragen stets zweitplatziert hinter Hillary Clinton. Nur Joe Biden, der gar nicht kandidiert, liegt in manchen Polls noch vor Sanders. Kann es dem Sonderling der demokratischen Partei gelingen, sich bis nächstes Jahr an Hillary heranzupirschen? Es erscheint zum derzeitigen Stand sehr unwahrscheinlich. Aber es sind schon überraschendere Sachen passiert.
Unterhaltsam wird der Wahlkampf allemal werden und es wäre den USA zu wünschen, dass sie am Ende zwischen einem Sozialisten (Sanders) und einem Libertären (Rand Paul) entscheiden müssen. Das wäre dann wirklich – zumindest auf dem Papier – eine Richtungswahl. Heißt die Auswahl 2016 jedoch Bush vs. Clinton, dann wird das ein trauriger Höhepunkt mit Lobbygeld vollgepumpter Familiendynastie in den USA, mit zwei Mitte-Rechts-Kandidaten ohne Persönlichkeit und Vision. Überraschen würde es niemanden. Und das ist sehr traurig.
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