Terrorism, Home Grown

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Terrorismus, selbst hergestellt

In Charleston hat ein Rassist Schwarze in einer Kirche erschossen. Nun streitet sich das Land darüber, ob das Terrorismus war oder “nur” ein rassistisches Verbrechen.

Von Andrian Kreye

Wortklauberei ist es nicht, wenn sich Amerika darüber Gedanken macht, ob man Dylann Storm Roofs Massenmord in der Emanuel African Episcopal Methodist Church ein Verbrechen oder einen Terroranschlag nennen soll. Die Justizministerin Loretta Lynch und die Polizei in Charleston klassifizierten die Tat erst einmal als hate crime, also als rassistisches Verbrechen. Sehr viele Amerikaner fordern dagegen, dass die Tat als Terrorakt bezeichnet wird. Es geht um die Selbstvergewisserung eines Landes, das dem Terror den Krieg erklärt hat.

Die Definition ist eindeutig. Sowohl in den Notstandsgesetzen des Patriot Act als auch in den Leitlinien der Sicherheitsbehörde Homeland Security Department gilt jede Gewalttat als Terror, die darauf ausgelegt ist, ein Land durch Angst zu zwingen, seine Politik oder seine Gesetze zu ändern.

Das trifft auch auf Dylann Storm Roof zu.

Er redete immer wieder davon, einen “Rassenkrieg” anzetteln zu wollen. Das ist keine fixe Idee eines einsamen Irren, sondern das ideologische Leitmotiv der US-Rechtsradikalen. Schlüsseltext für diese Hetze ist der Roman “The Turner Diaries”, den der Gründer der rechtsradikalen Organisation National Alliance, William L. Pierce 1978 unter dem Pseudonym Andrew Macdonald veröffentlichte. Das Buch hat sich in den USA eine halbe Million Mal verkauft. Sein Plot: Ein Programmierer namens Earl Turner löst mit der Organisation The Order einen Rassenkrieg aus. In seinem Nachfolgeroman “Hunter” propagierte Pierce 1989 die Taktik der “leaderless resistance”, der unabhängig voneinander agierenden Zellen und Einzeltäter.

Anschläge auf Schwarze gelten als normale Verbrechen

Pierce’ Motive finden sich in vielen Texten der US-Rechten wieder, die auch der Mordschütze von Charleston auf Webseiten verschlungen hat. Die Wirkung ist ähnlich wie beim islamistischen Terror, der sich längst als übergeordnete Idee versteht. Jeder Irre mit einer Schusswaffe oder einem Koffer voller Sprengstoff wird so Teil der Bewegung. Das macht Hetzschriften so gefährlich. Anfang der Achtzigerjahre gab es eine Gruppe Rechtsterroristen im amerikanischen Nordwesten, die sich The Order nannte, wie die Gruppe im Buch. Ein Kapitel der “Turner Diaries” diente Timothy McVeigh als Vorlage, der 1994 das Regierungsgebäude in Oklahoma City in die Luft sprengte und dabei 168 Menschen tötete. Beide Fälle galten als domestic oder auch homegrown terrorism – heimischer Terrorismus.

Politik und Medien in den USA taten sich immer schwer mit diesen Begriffen, denn die politischen Folgen wären gravierend. Würde man rechtsradikale Gewalttaten als Terror klassifizieren, müsste man den extrem rechten Rand zu terroristischen Vereinigungen erklären und entsprechend verfolgen. Der Rechtsradikalismus ist jedoch durch die Verfassung als freie Meinungsäußerung geschützt. Außerdem spielen Rechtsradikale politisch und gesellschaftlich kaum eine Rolle. Wenn sich die Hetzreden und -schriften nicht in Gewalttaten entladen, was selten vorkommt, bleiben sie exotische Außenseiterphänomene.

Schwarze und moslemische Amerikaner empfinden es allerdings als Doppelmoral, wenn Anschläge auf Schwarze und Moslems nur als Verbrechen gelten. Hate crimes sind Angelegenheiten für die örtliche Polizei und Bürgerrechtler. Gegen den Terror führen die USA einen Krieg, der schon 1,7 Billionen Dollar gekostet hat. Verstärkt wird diese Wut, weil der Anschlag von Charleston zu einer Zeit geschah, in der es nach tödlichen Polizeischüssen auf Schwarze in Ferguson und Baltimore zu Aufständen kam. Deswegen wäre es ein Anfang, die egalitären Ideale Amerikas in die Tat umzusetzen, wenn man den rechten Terror auch als Terror bezeichnete und entsprechen bekämpfte. Egal, wie ein Gericht später über Roofs Strafe entscheidet.

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