A New Era in the Middle East

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Eine neue Zeit im Nahen Osten

Von Daniel Haufler

15.07.2015

Wenn der Atomdeal ratifiziert und in den kommenden Jahren umgesetzt wird, ist das ein Erfolg von historischer Bedeutung und der Beginn einer neuen Ära für den Iran und den Westen.

IranDeal ist ein Erfolg der Diplomatie & des gegenseitigen Respekts gegen das überholte Paradigma von Ausschluss & Nötigung. Und das ist ein guter Anfang.“ Diesen Tweet hatte das Büro von Irans Präsidenten Hassan Ruhani ein wenig voreilig schon am Montag in die Welt gezwitschert. Kurz darauf löschte es die Nachricht und versandte sie erneut mit einer entscheidenden Ergänzung am Anfang: „Wenn“.

Dieser kleine Vorfall dokumentiert, was die Einigung zwischen dem Iran und seinen Verhandlungspartnern USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland bedeutet: einen Paradigmenwechsel. Nach über zwölf Jahren mit harten Verhandlungen, gegenseitigen Unterstellungen und Drohungen, Sanktionen und Konflikten wird ein international verbindlicher Vertrag festlegen: Iran darf seine Atomanlagen behalten, um Energie zu erzeugen, und unterwirft sich strengen Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde. So soll sichergestellt werden, dass das Land nicht heimlich Atomwaffen baut. Im Gegenzug werden die schweren Wirtschaftssanktionen sukzessive aufgehoben.

Wenn also dieses Abkommen ratifiziert und in den kommenden Jahren umgesetzt wird, ist das in der Tat ein Erfolg der Diplomatie – ja, ein Erfolg von historischer Bedeutung und der Beginn einer neuen Ära in den Beziehungen des Westens, vor allem der USA, zum Iran. Es ist aber auch ein Erfolg des iranischen Präsidenten. Anders als Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad strebte er ernsthaft einen Kompromiss an und setzte damit um, was er vor knapp zwei Jahren seinen Wählern versprochen hatte: „Die Politik meiner Regierung ist auf konstruktive Zusammenarbeit mit der Welt angelegt.“

Das Abkommen ist ebenso ein großer Erfolg von US-Präsident Barack Obama, der schon zu Beginn seiner ersten Amtszeit vor fast sieben Jahren angekündigt hatte: „Wenn Länder wie der Iran bereit sind, auf die geballte Faust zu verzichten, wird sie unsere ausgestreckte Hand erwarten.“ Dieses Versprechen hat er konsequent eingehalten. Gleichzeitig hat er allerdings die Sanktionen verschärft und so deutlich gemacht, dass er sich keineswegs nur auf Gespräche verlassen will angesichts seines widerspenstigen Gegenübers.

Schließlich zeigt der Atomdeal, dass wichtige Vereinbarungen in internationalen Konflikten heutzutage nur in einer konzertierten Aktion zu erreichen sind mit Russland, China und, ja, auch der EU – allen voran Deutschland als Führungsmacht. Deren Beteiligung an den Verhandlungen entschärfte nicht nur die Konfrontation von USA und Iran, sondern verdeutlichte dem Regime in Teheran zudem, dass die politischen Global Player keine weitere Atommacht tolerieren wollen.

Gefahr der Nuklearwaffenverbreitung sinkt

Durch das Atom-Abkommen wird sich geostrategisch eine völlig neue Konstellation in der Region ergeben. So verliert Saudi-Arabien für den Westen als Bündnis- und Wirtschaftspartner an Bedeutung. Gleichzeitig steht das saudische Regime künftig nicht mehr unter dem Druck, womöglich ein eigenes Atomprogramm zu starten. Dadurch sinkt die Gefahr, dass Nuklearwaffen im Nahen und Mittleren Osten verbreitet oder gar eingesetzt werden.

Der Westen kann nun auf den Iran als Partner in einigen regionalen Konflikten hoffen, um dort zu vermitteln oder zumindest für Entspannung zu sorgen. Wenn Teheran etwa seinen Einfluss auf das Regime von Baschar al-Assad in Syrien geltend macht, böte sich die Möglichkeit, einen Waffenstillstand zwischen Regierungstruppen und Rebellen auszuhandeln – und das wiederum wäre die Basis für einen erfolgreichen Kampf gegen die Terrormiliz des Islamischen Staats.

Gleichzeitig müssten die USA und die Europäer die moderaten Kräfte in Iran stärken, denn es ist keineswegs so, dass nur Ruhani und seine moderaten Verbündeten vom Atomdeal profitieren. Sollte es den erwarteten Wirtschaftsaufschwung geben, wären auch die Revolutionsgarden Nutznießer, weil sie der größte Unternehmer im Land sind. Unklar ist bislang, ob Irans eigentliches Staatsoberhaupt, Revolutionsführer Ali Khamenei, den Erfolg womöglich für eine nationalistisch-aggressive Außenpolitik nutzt. Dies könnte der Westen maßgeblich erschweren, wenn er auch bei der Umsetzung des Abkommens weiterhin den Entspannungskurs mit dem Iran fortsetzt.

Bleibt Israel. Die ultrakonservative Regierung verweigert sich bis heute der Erkenntnis, dass der Atomdeal selbst für Israel ein Glück ist, weil er das Land erheblich sicherer macht. Wenn Israels Führung dies endlich akzeptieren und sich an der Lösung der Konflikte in der Region konstruktiv beteiligen würde, wäre das Abkommen unwiderruflich das Gründungsdokument einer neuen Zeitrechnung im Nahen und Mittleren Osten. Wenn.

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