Homoehe Die Bundesregierung ist einerseits gegen Diskriminierung, aber andererseits eben auch gegen die Homoehe. Wollt ihr wirklich rückständiger sein als Amerika?
Für Barack Obama war es eine gute Woche. Nicht nur seine Gesundheitsreform, sondern auch die Homoehe wurde vom obersten Gerichtshof der USA landesweit als rechtmäβig anerkannt. Das Weiβe Haus leuchtete in Regenbogenfarben, und jeder konnte sich bei Facebook einen Rainbow-Filter über das Profilbild legen. Der etwas abgenutzten Symbolik wurde aktuelle Bedeutung gegeben. Zeigte das Farbenmeer doch ein Amerika, wie wir es uns erträumen: fortschrittlich und bunt.
Ein machtvolleres Symbol gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen in der westlichen Welt ist kaum denkbar. Denn es geht nicht nur um die Teilhabe an sozialen Privilegien, sondern um ein politisches Grundrecht. Nichts weniger ist die Möglichkeit der Eheschlieβung, wie Hannah Arendt dargelegt hat. Innerhalb der westlichen Zivilisation ist nun ein Schlussstrich gezogen worden unter eine Geschichte der Kriminalisierung und Pathologisierung Homosexueller, die in Deutschland dazu führte, dass schwule Männer in die KZs gesteckt und die Überlebenden bis heute nicht rehabilitiert worden sind.
Die Bundesregierung hat sich trotz des Stimmungsumschwungs, der schon vor sechs Wochen nach dem Referendum in Irland zu Gunsten der Homoehe deutlich wurde, beharrlich in dem verlogenen Paradox eingerichtet, dass sie einerseits zwar selbstverständlich gegen Diskriminierung sei, aber andererseits eben auch gegen die Homoehe. Auf den Einwand, dass der Mangel an rechtlicher Gleichstellung aber gerade eine entscheidende Form der Diskriminierung darstelle, gerät der schmallippige Regierungssprecher Steffen Seibert fortwährend in Bedrängnis. Er weiβ dann auch nichts mehr zu sagen, während seine Chefin einfach den Mund hält.
Mit der Entscheidung des obersten Gerichtshofs in den USA ist das Wegducken für Angela Merkel aber etwas schwieriger geworden. Allzu deutlich tritt zu Tage, was für ein sozial rückständiges Land Deutschland ist. Ein Blick auf die Landkarte zeigt: Der liberale Westen endet am Rhein. Von Nordamerika, inklusive Mexiko und Kanada bis nach Westeuropa, inklusive Irland und Spanien, haben inzwischen alle die Homoehe. Die oftmals für Osteuropa allein konstatierte rechtliche Diskriminierung und Homophobie beginnt vor unserer Tür.
Für soziale Argumente ist Angela Merkel bekanntlich oft taub, und die SPD will wegen so einer Kleinigkeit nicht den Koalitionsfrieden aufs Spiel setzen. Man müsste ihnen klarmachen, wie aus Diskriminierung sexueller Minderheiten heute ein Standortnachteil wird. Wenn Deutschland ein attraktiver Arbeitsplatz für gut ausgebildete Fachkräfte in einer globalisierten Wirtschaft sein will, muss es nicht nur seine Vorstellungen einer ethnisch homogenen Nation über Bord werfen, sondern auch seine kleinbürgerliche Hetero-Normativität.
Das Argument der Wirtschaftstauglichkeit – in den USA feiern die wichtigen groβen Firmen von Apple bis American Airlines symbolstark mit – führt allerdings auch die Grenzen der Homoehe als Institution des sozialen Fortschritts vor Augen. Denn ins neoliberale Gefüge flexibilisierter Lebens- und Arbeitsformen scheint sie nur allzu gut hinein zu passen. Viele Lesben und Schwule sind sich bewusst, dass das Recht auf Eheschlieβung zweischneidig ist. Bedeutet Akzeptanz in diesem Fall doch eine Form der Sichtbarmachung, die zugleich auch unsichtbar macht. Denn das, was an lesbischen und schwulen Lebensformen tatsächlich anders sein kann, verschwindet hinter dem harmonisierenden Bild der Ehe für alle.
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