Back in the States – A Commentary

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Zurück in Amerika

Von TOM SCHIMMECK

09. AUGUST 2015

Szene aus dem Eastwood-Film “American Sniper”. Foto: dpa

Ich mag die USA. Obschon sie mich wahnsinnig machen. Und fürchte den Zorn, der alles vergiftet. Eine Kolumne.

So viel Gefühl. Ein mir völlig unbekannter Jimmy singt „I will always love you.“ Die Karaoke-Bar bebt. Gänsehaut. Gestern gab es hier das Kontrastprogramm: ein blasser Bursche quälte sich durch „American Soldier“, einen Song über Pflicht, Stolz, Ehre und Tod. Klebriger Kitsch, der ungewollt offenbart, was falsch läuft hier. Und klingt wie die Kriegs-Sprüche in meinem Lateinbuch: „Süß und ehrenhaft ist es, fürs Vaterland zu sterben.“ Jetzt heißt es: „Cause freedom don’t come free.“ Draußen sind 42 Grad.

Willkommen in den USA. Vor knapp 30 Jahren kam ich zum ersten Mal nach Las Vegas. Die Roulette-Kugeln rollen noch immer, die einarmigen Banditen rattern, an jeder Ecke das unverändert kommerzielle Konzept von Spaß: Alk, Spiel, Show und Sex. In meinem gemütlich verschrammten Hotelcasino verkleidet sich manchmal ein Croupier als Elvis.

Damals war Ronald Reagan Präsident. Und hier, auf dem Dach eines Parkhauses, feierten Freunde aus aller Welt: „Contras“ aus Nicaragua, afrikanische Schlächter, afghanische Mudschahedin. Einer stand bei einer Waffenschau in der Wüste neben mir, in weißen Pluderhosen, und stöhnte bei jeder Explosion vor Glück. Wahrscheinlich hat er später mit Bin Laden Tee getrunken. Man soll keine Weltpolitik machen, wenn man die Welt so gar nicht versteht. Nun bellt Donald Trump auf allen Kanälen und testet die nationalen Reflexe. Er will Präsident werden – unwahrscheinlich, aber nicht undenkbar. Das Kandidatengedrängel bei den Republikanern spiegelt ihre Konfusion: Gottesanbeter, Geschäftsleute, Superpatrioten und Libertäre sind aus unterschiedlichen Motiven rechts.

XXL dominiert das Straßenbild

Alles Routine? Im Flieger endlich „American Sniper“ geguckt, Clint Eastwoods deprimierendes Machwerk über einen Scharfschützen im Irak. Das aber, genauer betrachtet, doch auch die Verrohung der Volksseele zeigt. Auf den Monitoren über der Einreise-Schlange laufen Breaking News vom neuesten Amoklauf. XXL dominiert das Straßenbild. Am Frühstücksbuffet meines Billighotels gibt es nichts ohne Zucker. Doch: einen Apfel. Der Teller aus Styropor knistert wie Bauschaum.

Was sich geändert hat? Politik scheint käuflicher denn je, die politische Kultur ersäuft in Onkel Dagoberts Geldspeicher. George Washington (1757) soll in seine Wahlkampagne 195 Dollar investiert haben. John F. Kennedy (1960) setzte 9,8 Millionen ein, Bill Clinton (1992) 92,9 Millionen; die Wiederwahl des Barack Obama (2012) kostete etwa eine Milliarde Dollar. „Ein kleiner Kader superreicher Amerikaner dominiert die Spendensammlung“, meldet mit Blick auf das Wahljahr 2016 – nein, nicht „Russia Today“, sondern die „Washington Post“.

Zweitens: Der Tonfall. Er verschärft sich weiter. Trump ist nur Symptom. Man schreit sich schon sehr lange an. Während der Glaube an den amerikanischen Traum schwindet. Weil seit Jahrzehnten nur eine winzige Minderheit Kasse macht. Die Masse wirkt eher traumatisiert – von den Kriegen in aller Welt und den hasserfüllten Grabenkämpfen daheim. Die USA haben PTSD, die posttraumatische Stress-Krankheit. Obama konnte sie nicht lindern. Es ist der Zorn, der alles vergiftet.

Um mich herum aber lachen sie. Würfel fallen, Trümpfe stechen, das Glücksrad rotiert. „Noch ein Bier?“, fragt der Kellner. Es schmeckt köstlich.

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