Battle Control and Alpha Leaders

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Kampftrolle und Alphatiere

Von Konrad Ege

16.09.2015

USA Mit 16 Bewerbern ist die Kandidatur zur Präsidentschaft bei den Republikanern eine Massenbewegung. Was tun die Demokraten?

Kampftrolle und Alphatiere

Der republikanische Vorwahlzirkus, bei dem sich die Anwärter von Showmaster Donald Trump durch die Manege treiben lassen, läuft bestens aus demokratischer Sicht. Wer übrig bleibt, wird es am 8. November 2016 beim Duell gegen den demokratischen Kandidaten oder die demokratische Kandidatin schwer haben, vom rechten Abgrund abzurücken. Nationale Wahlen lassen sich nicht allein mit Ressentiments gewinnen gegen alle, die echten Amerikanern Amerika „weggenommen“ hätten. Doch die Energydrinks bei den Demokraten schmecken abgestanden. Irgendwie funktioniert das nicht so recht mit Hillary Clinton an der Spitze. Doch was soll man nun tun? Schon seit Jahren reitet Clinton ganz vorn als mutmaßlich zwangsläufige Erbin, die den Spagat zwischen Wall Street und Hauptstraße, zwischen sozialer und unternehmerfreundlicher Wirtschaftspolitik light schaffen kann. Das hat politischen Sauerstoff abgesaugt für die Rivalen der früheren First Lady, Senatorin und Außenministerin.

Erst im Februar 2016 beginnen die parteiinternen Vorwahlen, bis dahin kann noch viel passieren. Bei einer Fahrt auf Landstraßen nahe Washington, vorbei an abgemähten Wiesen und Äckern, auf denen der Mais zweieinhalb Meter hoch steht, überraschen Wahlplakate: Nicht „Hillary for President“ steht darauf, sondern „Hillary for Prison“, Hillary ins Gefängnis. Die Poster spielen an auf Clintons E-Mail-Affäre. Die Ex-Außenministerin hat in ihrer Amtszeit dienstliche Mails von einer privaten Adresse über einen privaten Server verschickt. Faktisch eher von begrenzter Bedeutung, doch für politische Gegner ein Leckerbissen: Sicherheitsvorschriften verletzt, heißt es, wie könne man dieser Frau trauen?! Es gibt Medienberichte, wonach das FBI ermittelt.

Wenig Enthusiasmus

Eigentlich sind rechte Attacken Ehrenzeichen für eine Bewerberin wie Clinton. Noch steht die demokratische Wagenburg, doch ein Unbehagen macht sich bemerkbar. Das hätte doch nicht sein müssen mit der Privatadresse. Clintons hin und her lavierende Rechtfertigungen wecken Zweifel an ihrem Geschick. Und auch sonst: Trotz der historischen Chance, eine Frau ins Weiße Haus zu schicken, ist wenig Enthusiasmus zu spüren. Der stark personenbezogene Wahlkampf amerikanischen Stils ist eine große Show, bei der es um persönliche Loyalitäten geht, um Selbstinszenierung und Gefühle. Um Amerikas Topmodel. Nicht zuletzt um die Fähigkeit, Wahlspenden einzuwerben. Die E-Mail-Affäre bestärkt die von Gegnern gepflegte Auffassung, Clinton fühle sich erhaben, sie müsse für Normalsterbliche geltende Regeln nicht einhalten. Laut Umfragen der vergangenen Wochen schmilzt ihr Vorsprung auf innerparteiliche Rivalen. Ist das ein Grund zur Sorge? Ergibt sich mit Bernie Sanders eine Alternative? Oder muss Joe Biden ran, der Vizepräsident?

Sanders, der 73-jährige Senator aus dem Staat Vermont, der sich früher gelegentlich Sozialist genannt hat und bis heute so richtig auf das Rednerpult haut, wenn er über die „Oligarchie der Milliardäre“ herzieht, wenn er mehr Infrastruktur-Projekte, die Finanztransaktionssteuer fordert und Banken auseinanderbrechen will. Er spricht vielen Amerikanern aus der Seele, die sich mehr „Linkes“ erhoffen und von Barack Obama enttäuscht wurden. Sanders hält keine 200.000-Dollar-Ansprachen für das Bankhaus Goldman Sachs. Aber Tausende und Zehntausende kommen, wenn Bernie über die „Revolution von 2015“ spricht. 400.000 Anhänger haben ihm Spenden geschickt, im Schnitt 31,50 Dollar. Clinton habe im ersten Halbjahr 2015 71 Millionen Dollar eingefahren, so das Center for Responsive Politics.

Wer die Superreichen attackiert, muss in den USA behutsam vorgehen, denn dieses Land prägt auch der ewige Traum, man könne selbst auch einmal zu den Reichen gehören. Schließlich wird auch ein Donald Trump angehimmelt.

Die Liebe zu Bernie Sanders geht tief, doch breit ist sie nicht. Viele Sympathisanten sind jung, viele gebildet, viele aus den Metropolen im Nordosten und an der Westküste. Leute, bei denen das Herz links schlägt. Mit solchen Aktivisten und einer massiven Präsenz afroamerikanischer Wähler hatte Barack Obama bei den Vorwahlen 2008 Hillary Clinton überholt. Der Sanders-Kampagne fehlen die Afroamerikaner. Doch kann ein Demokrat oder eine Demokratin am 8. November 2016 nur gewinnen, wenn afroamerikanische Wähler in großen Zahlen zur Urne gehen. Obama bekam 2012 nur 39 Prozent der weißen Stimmen.

Bisher hat sich der Präsident weitgehend herausgehalten aus der Wahlstimmung. Kaffeesatzleser analysieren Kommentare seines Sprechers Josh Earnest. Obama betrachte die Entscheidung für einen Vizepräsidenten wie Joe Biden als eine der klügsten Entscheidungen seiner Karriere. Das zeige doch, was Obama von Bidens Eignung für das Präsidentenamt halte, heißt es. Inhaltlich gibt es freilich keine riesigen Unterschiede zwischen Clinton und Biden. Der war von 1973 bis 2009 Senator von Delaware – der Top-Steueroase in den USA, mit Hunderttausenden von Briefkastenfirmen und den Zentralen großer Banken und Kreditkartenunternehmen – und hat sich entsprechend verhalten. Das mit dem Spagat kann er mindestens ebenso gut wie Clinton. Und er ist ein leutseliger Typ, was man Hillary nicht nachsagen würde. Doch Biden käme spät, falls er überhaupt kommt. Führende demokratische Politiker haben sich bereits für Clinton ausgesprochen, darunter die Hälfte der demokratischen Kongressabgeordneten und 31 der 44 demokratischen Senatoren.

Der muskulöse Demokrat

Martin O’Malley, 1999 bis 2007 Bürgermeister von Baltimore und heute Gouverneur von Maryland, hat der demokratischen Parteiführung Ende August vorgeworfen, sie habe die Vorwahlen zu einem abgekarteten Spiel gemacht: Nur vier Debatten seien vorgesehen. O’Malley – Freihandelsskeptiker und für mehr Klimaschutz, bevor Klimaschutz modern wurde – möchte auch Präsident werden. Er bringt Gepäck mit: Im Jahr 2005 führte seine Polizei in Baltimore mehr als 100.000 Festnahmen durch, bei einer Bevölkerungszahl von damals 640.000. O’Malleys Leute rechtfertigen das mit dem Argument, die Kriminalität sei reduziert worden. Es kandidiert auch Jim Webb, Ex-Marineinfanterist und Ex-Senator aus Virginia, doch scheint der muskulöse Demokrat ein Auslaufmodell zu sein. Schließlich ist Lincoln Chafee, Senator von Rhode Island, als Bewerber eingestiegen, früher Republikaner und kein begnadeter Redner. Vernünftige Politiker alle drei, verglichen mit so manchem Republikaner, nur das reicht eben nicht.

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