Schleichende Militärintervention in Syrien
Putins dubiose Pläne
Russland bietet sich als Helfer im Kampf gegen die Terrormiliz IS an. Doch hinter dem Angebot stehen andere Motive. Putins Syrien-Politik ist Teil des Problems, nicht Ansatz zu einer Lösung.
Der Krieg gegen die Terrormiliz IS verläuft schlecht. Ein Jahr nach dem Beginn der Luftangriffe auf Stellungen der Extremisten in Syrien können die Amerikaner und ihre Verbündeten kaum Erfolge vorweisen. Die Strategie der USA krankt am selben Grundproblem wie vor einem Jahr: Solange Präsident Obama keine Bodentruppen einsetzen will, ist er auf lokale Verbündete angewiesen, aber solche Verbündete fehlen oder verfügen nicht über die nötige Schlagkraft.
In dieser Lage bietet sich, wie ein rettender «deus ex machina», der russische Staatschef Putin an. Er schlägt eine breite Koalition gegen den IS vor, die nicht nur die amerikanisch geführte Allianz umfasst, sondern auch Russland, Iran und das Asad-Regime in Damaskus. Wie um zu zeigen, dass es ihm ernst ist, hat er Kampfflugzeuge, Helikopter, Panzer, Artillerie sowie eine unbekannte Zahl von «Militärberatern», Marineinfanteristen und Logistikern nach Syrien verlegt, die dort in Windeseile russische Stützpunkte aufbauen. Es handelt sich, so viel ist bereits klar, um die grösste Militäraktion Moskaus ausserhalb des exsowjetischen Raums seit einem Vierteljahrhundert. Dass sie völlig noble Ziele verfolge, betonen russische Sicherheitskreise unermüdlich. Es gehe um die Bekämpfung des IS und um eine Verschonung Europas von den Flüchtlingsströmen aus Syrien.
All dies klingt zu schön, um wahr zu sein. Nach dem deutschen «Sommermärchen» über die scheinbar unbegrenzte Solidarität mit Asylsuchenden soll die Öffentlichkeit nun offenbar auch noch Putins «Herbstmärchen» über den selbstlosen Einsatz zur Rettung Syriens glauben. Doch erste Erfolge hat der Kremlherr damit bereits erzielt. In der Nahostpolitik ist Moskau wieder ein Faktor: Nicht nur die Führer Israels und der Türkei berieten diese Woche mit Putin über Syrien, auch die Amerikaner haben ihre seit mehr als einem Jahr eingefrorenen Militärkontakte mit Moskau wiederbelebt, und nächste Woche dürfte – nach zweijährigem Warten – wohl auch Putins Wunsch nach einem Gipfeltreffen mit Obama in Erfüllung gehen.
Gespräche mit Russland können sinnvoll sein, sie sollten aber ohne Illusionen erfolgen: Putin ist kein vertrauenswürdiger Partner. Ihm geht es nicht um das Problem der syrischen Flüchtlinge, von denen Russland in den letzten vier Jahren nur etwa 2000 aufgenommen hat, und auch nicht primär um den IS, obwohl Russland wegen seines eigenen islamistischen Untergrunds ein Interesse am Eindämmen der Jihadi-Bewegung hat. Mit seinem Syrien-Abenteuer verfolgt Putin vorrangig andere Ziele: Erstens will er seinen alten Klienten Asad retten, denn dies sichert Moskau Einfluss und Prestige im Nahen Osten, ermöglicht Rüstungsgeschäfte und bietet ein geopolitisches Instrument, um von den neuen Stützpunkten aus russische Macht in den östlichen Mittelmeerraum ausstrahlen zu lassen. Zweitens ergötzt sich Putin seit je daran, den Amerikanern ein Bein zu stellen und so zu beweisen, dass man mit ihm rechnen muss. Dass es Washington nicht gelang, den Luftraum um Syrien zu blockieren und die russischen Lieferungen zu verhindern, dürfte in Moskau ebenso Genugtuung ausgelöst haben wie die Tatsache, dass man sich den Amerikanern nun als Gesprächspartner aufgezwungen hat.
Drittens rechnet der Kreml mit Dividenden an anderen Orten. Bald wird die EU erneut vor der Entscheidung stehen, die wegen der Ukraine-Krise gegen Russland verhängten Sanktionen zu verlängern oder nicht. Erhebt man Russland nun in der Syrien-Politik in den Status eines wichtigen Partners, ist schwer vorstellbar, wie man es dann in der Ukraine-Frage noch länger isolieren kann. Doch Härte und Konsequenz angesichts der fortwährenden Unterstützung für die ostukrainischen Separatisten sind unabdingbar.
Ein glaubwürdiger Verbündeter kann Putin in Syrien schon aus ganz anderem Grund nicht sein. Mit seiner jahrelangen Schützenhilfe für Asad trägt er wesentliche Schuld daran, dass sich der Diktator an der Macht halten und seinen Krieg gegen das eigene Volk fortsetzen konnte. Will man nun allen Ernstes zusehen, wie Asad von Russland neue Flugzeuge und Helikopter erhält, mit denen er nachweislich wahllos Wohnviertel und Marktplätze bombardiert? Für eine derartige Politik, die das syrische Volk nur noch stärker in die Arme der Islamisten treibt, sollte sich der Westen nicht einspannen lassen.
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