Anhörung zum Bengasi-Anschlag: Die unangreifbare Hillary Clinton
Von Marc Pitzke, New York
Souveräner Showdown: Elf Stunden lang trotzte Hillary Clinton dem Kongressausschuss zum Bengasi-Anschlag. Damit räumte sie eine der letzten Gefahren für ihre Präsidentschaftskandidatur aus dem Weg.
Raum 1100 des Longworth House Office Building ist einer der pompösesten Sitzungssäle des US-Kapitols. Marmorsäulen, gediegenes Holz, Kronleuchter, Goldvorhänge: Alles reflektiert die Macht der Legislative.
Hillary Clinton ließ sich nicht einschüchtern. Alleine saß sie vor den Abgeordneten, die sie vom Podium herab ins Kreuzverhör nahmen. Sie meisterte die Inquisition mit Würde, Wissen, Humor – und charmantem Südstaatenakzent. Oder, so ein Reporter: “Sie kam, sah und siegte.”
Das war der 28. September 1993 – Clintons allererster Auftritt als First Lady vor dem US-Repräsentantenhaus. Die damals 46-Jährige war vorgeladen, um die kontroverse Gesundheitsreform zu verteidigen, deren Planung ihr Mann, Präsident Bill Clinton, ihr anvertraut hatte.
Heute, 22 Jahre später, saß Hillary Clinton im selben Saal, mit denselben Säulen und Kronleuchtern, sie wurde erneut als einzige Zeugin vom selben Podium herab verhört. Und erneut glänzte sie mit Würde, Wissen, Humor – nur ihr Südstaatenakzent, der war verschwunden.
Diesmal piesackte sie der Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag im libyschen Bengasi, bei dem 2012 vier Amerikaner umkamen, darunter US-Botschafter Chris Stevens. Clinton war zu dieser Zeit Außenministerin: Die Republikaner wollen ihr die Hauptverantwortung für die Todesfälle anhängen und damit ihre Präsidentschaftskandidatur sabotieren.
Doch wie im Jahr 1993 überstand Clinton das elfstündige Kreuzverhör souverän, wenn auch mit zuletzt heiser-versagender Stimme. Die Republikaner hingegen wirkten wie Schuljungen, die nur noch mit den Füßen stampften vor lauter Wut.
Die drei größten Gefahren sind beseitigt
Clinton, die Unsinkbare: Innerhalb von acht Tagen hat sie nun die drei größten Gefahren im Rennen ums Weiße Haus aus dem Weg geräumt.
Die erklärten Parteirivalen: Bei der ersten TV-Debatte konnte Clinton gegenüber den anderen Kandidaten punkten, den populären Bernie Sanders eingeschlossen. Auch zeigte sie, dass sie von keiner Affäre aufzuhalten ist.
Joe Biden: Hinter den Kulissen brachte Clinton die einflussreichsten Demokraten schon jetzt auf Linie, 15 Wochen vor den Vorwahlen. Ergebnis: Auch Vizepräsident Biden verzichtete auf eine Kandidatur.
Die Republikaner: Der Bengasi-Ausschuss war, so Insider, stets als Schauprozess konzipiert. Doch Clintons Unerschütterlichkeit enttarnte die Hexenjagd.
Die Bengasi-Ermittlungen
Am elften Jahrestag der 9/11-Anschläge stürmten islamische Extremisten das US-Konsulat und eine CIA-Station in Bengasi. Neben Botschafter Stevens starben ein Diplomat und zwei CIA-Beamte. Der Anschlag ereignete sich, während Proteste gegen das Mohammed-Video “Innocence of Muslims” den Nahen Osten erschütterten.
Sieben Kongressausschüsse, das FBI und das Außenministerium selbst hatten das Attentat untersucht. Der Bengasi-Sonderausschuss ermittelte trotzdem weiter, seit nunmehr 17 Monaten – länger als der Watergate-Ausschuss. Bisherige Kosten für den Steuerzahler: 4,8 Millionen Dollar.
Der republikanische Ausschussvorsitzende und Ex-Staatsanwalt Trey Gowdy spielte den Hauptankläger: Er warf Clinton vor, sie habe ihren Freund Stevens mutwillig sterben lassen.
Verantwortung, keine Schuld
Clinton ließ diese Beleidigung ungerührt abblitzen. Sie übernahm “Verantwortung”, aber “keine Schuld”, beschwor die Rolle aller rund 70.000 US-Diplomaten weltweit und appellierte an den Ausschuss, lieber “Gemeinsamkeiten zu finden”. Es war eine Wahlkampfrede.
Die Abgeordnete Susan Brooks hievte zwei Stapel auf ihr Pult: Clintons Bengasi-E-Mails von 2011 (insgesamt 795) und 2012 (insgesamt 67). Warum die Diskrepanz, Madame Secretary? “Ich habe meine meisten Geschäfte nicht über E-Mail geführt”, gab Clinton unterkühlt zurück.
Die Republikaner waren besessen von Clintons E-Mail-Korrespondenz – hofften sie doch, an einen anderen Skandal anzuknüpfen: den um ihren Privatserver. Auch belebten sie die längst erschöpfte Debatte, ob die US-Regierung Bengasi zunächst als reine Demonstration gegen das Mohammed-Video bagatellisiert habe.
Der Abgeordnete Jim Jordan bellte Clinton an, befeuerte sie mit “Fragen”, ohne sie ausreden zu lassen. Clinton bot ihm an, ihre bekannten Antworten doch in ihrer Autobiografie “Hard Choices” nachzulesen: “Ich schicke sie Ihnen gerne zu, Mr. Congressman.”
Teflon-Clinton
Nichts blieb an Teflon-Clinton haften. Schließlich stritten sich die Ausschussmitglieder untereinander lauthals, während die Zeugin, das Kinn in die Hand gestützt, dem Spektakel nur amüsiert zuschaute.
Erst gegen Ende wurde Clinton emotional, als sie sich, für einen kurzen Moment die Tränen zurückhaltend, daran erinnerte, wie sie einen in Bengasi verwundeten CIA-Agenten besuchte. “Bitte tun Sie alles, was Sie können, damit ich zurück ins Feld kann”, habe er sie gebeten.
Sie habe den Wunsch erfüllt – als eine ihrer letzten Amtshandlungen.
Zusammengefasst: Hillary Clinton musste sich den Fragen des Kongressausschusses stellen, es ging um den Terroranschlag im libyschen Bengasi. Dabei wurden 2012 vier Amerikaner getötet, Clinton war damals US-Außenministerin. Die Republikaner wollten die elfstündige Anhörung nutzen, um Demokratin Clinton – die als aussichtsreiche Kandidatin für das Präsidentenamt gilt – zu diskreditieren. Doch sie blieb souverän, ihre Kernaussage lautete: Sie trage zwar die Verantwortung, habe aber keine Schuld.
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