Mit Milliarden haben Charles und David Koch die Republikaner unterstützt. Nun ist die Partei gespalten, die Demokratie beschädigt – und die Kochs sind extrem enttäuscht.
Von Heike Buchter, New York
Es ist genau ein Jahr her, da schienen die Republikaner kaum zu stoppen. Bei den Kongresswahlen 2014 bauten sie ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus aus, holten zusätzlich die Mehrheit im Senat und obendrein die Gouverneursposten in 31 von 50 Bundesstaaten. Es war ein historischer Sieg. Um ihn vollständig zu machen, fehlte nur noch ein Republikaner im Weißen Haus.
Doch dass nun die Konservativen das Rennen machen, ist inzwischen alles andere als garantiert. Schuld sind mehr als ein Dutzend republikanische Präsidentschaftskandidaten, die in den Vorwahlen für 2016 rangeln und deren Debatten zum Reality-TV-Spektakel geworden sind. Damit nicht genug, ist in Washington ein bitterer Zwist zwischen dem Tea-Party-Flügel und dem Partei-Establishment ausgebrochen. Der gipfelte kürzlich darin, dass John Boehner, bekannt als strammer Konservativer, von den noch weit konservativeren Anhängern der Tea Party aus dem Amt des Mehrheitsführers gedrängt wurde. Um seine Nachfolge entbrannte ein Machtkampf, der selbst für Washingtoner Verhältnisse ungewöhnlich harsch war.
Selbstauflösung der Republikaner
Über die akute Selbstauflösung der Partei beklagen sich nun ausgerechnet David und Charles Koch. Die Koch-Brüder werden mit jeweils rund 41 Milliarden Dollar Vermögen auf dem fünften Platz der Forbes-Liste der 400 reichsten Amerikaner geführt. “Es geht nur noch um Persönlichkeitskult, nach dem Motto: Deine Mutter hat faule Eier gegessen”, klagte Charles Koch kürzlich gegenüber Reportern des Wall Street Journal. In der TV-Sendung Morning Joe, wo der 80-Jährige erstmals mit seinem Bruder David, 75, auftrat, erklärte er, er sei “seit geraumer Zeit enttäuscht” von der republikanischen Partei.
Ultrakonservative Ziele
Dabei waren es die Koch-Brüder, die den Tea-Party-Anhängern geholfen hatten, den Marsch durch die Institutionen anzutreten. Der Name der Erben des internationalen Öl- und Chemieimperiums Koch Industries ist zum Synonym für politische Einflussnahme durch Konzerne und Milliardäre geworden. Ihre politischen Ziele – ein radikal libertäres Amerika, weitgehend frei von staatlichem Einfluss und Regulierung – verfolgen die Brüder seit mehr als drei Jahrzehnten.
Geduldig bauten sie dafür ein Netz von Institutionen auf, die ihre Ideologie verbreiten. Dazu gehört etwa das Cato Institute, die prominenteste wirtschaftsliberale Denkfabrik der USA, die Charles Koch mitgründete. Die großzügige Unterstützung der Familie hat auch die erzkonservative Heritage Foundation genossen. In den 1980er Jahren stifteten die Kochs außerdem eine millionenschwere Starthilfe für das Mercatus Center, das nach eigenen Angaben die Brücke zwischen akademischen Ideen der freien Marktwirtschaft und die Anwendung in der Praxis schlagen soll. Obwohl kaum bekannt, ist die Einrichtung äußerst einflussreich: 14 der 23 Regulierungen, deren Abschaffung Präsident George W. Bush während seiner Amtszeit betrieb, fanden sich zuvor in Vorschlägen von Mercatus-Experten, wie das Wall Street Journal feststellte. So weitreichend sind die Beziehungen der Brüder, dass man in Washington sogar vom Kochtopus spricht.
Geld für die Tea Party
Die durchschlagendste Initiative der Kochs ist die Americans for Prosperity Foundation (AFP), die den Anführern der Tea Party tatkräftige Hilfe beim Aufbau ihrer Bewegung gewährte. David Koch leugnete zunächst, die Tea Party direkt zu finanzieren. Doch bei einer Veranstaltung der AFP erklärte er vor einigen Jahren: “Vor fünf Jahren gaben mein Bruder Charles und ich Startkapital für Americans for Prosperity und es hat meine wildesten Träume übertroffen, wie AFP zu dieser enormen Organisation angewachsen ist.” Hunderttausende Amerikaner aus allen Schichten würden aufstehen und für die ökonomische Freiheit kämpfen, welche die amerikanische Gesellschaft zu einer der reichsten der Geschichte gemacht habe. Seine Rede wurde von einem Dokumentarfilmer eingefangen, der sich bei der Veranstaltung eingeschlichen hatte.
Seite 2/2: Kandidaten nicht mehr unter Kontrolle
Seit der Finanzierung der AFP ist es für wohlhabende Spender wie die Kochs noch einfacher geworden, Geld in die Politik zu pumpen. Anfang 2010 entschied der Supreme Court, das oberste US-Gericht, zugunsten einer konservativen Initiative namens Citizens United und hob das bis dahin bestehende Verbot direkter Spenden von Unternehmen und Gewerkschaften auf. Ein Berufungsgericht erlaubte in einem weiteren Urteil wenige Wochen später sogar unbegrenzte Spenden, solange sie an unabhängige Organisationen gehen und nicht direkt in die Kasse eines Kandidaten. Die beiden Urteile führten zu den sogenannten Super-Pacs, neuen Wahlkampfkassen, in die im derzeitigen Vorwahlkampf bereits 300 Millionen Dollar geflossen sind.
Zwei der fünf Richter, die im Jahr 2010 für das Citizens-United-Urteil stimmten, waren Ehrengäste bei einem der vertraulichen Treffen der Koch-Brüder in einem Luxusresort in Palm Springs, Kalifornien, zu dem die Kochs einflussreiche Gleichgesinnte einladen. Auch im Januar dieses Jahres luden die Brüder wieder nach Palm Springs, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln und sich aussichtsreiche Kandidaten anzuschauen. Zwar waren nur wenige handverlesene Medienvertreter zugelassen, aber trotzdem wurde eine brisante Zahl bekannt: Die Kochs und ihr Netz von Verbündeten könnten bis zu 900 Millionen Dollar für alle US-Wahlkämpfe im kommenden Jahr zur Verfügung stellen.
Zehn Monate später müssen Charles und David eine unbefriedigende Zwischenbilanz ziehen. Der von ihnen favorisierte Präsidentschaftskandidat Scott Walker, republikanischer Gouverneur von Wisconsin, gab auf, nachdem er in einem Interview unter anderem die Idee, eine Mauer an der Grenze zu Kanada bauen zu lassen, als “legitim” bezeichnet hatte. Das Kalkül der Kochs ist nicht aufgegangen, im Gegenteil: Ihre geduldige Vorarbeit, mit der sie die republikanische Partei in ihre bevorzugte Ausrichtung drängten, hat den Boden ausgerechnet für Kandidaten bereitet, die sie nicht unter Kontrolle haben.
Donald Trump unkontrollierbar
Schlimmer noch: Einige Kandidaten verfolgen sogar entgegengesetzte Interessen. Donald Trump etwa plädiert für mehr Protektionismus. An einer Abschottung Amerikas können die Kochs mit ihrem internationalen Konzern kein Interesse haben. Während die Brüder gerne mehr Latinos für ihre Sache gewinnen wollen, hat Trump mexikanische Immigranten als Vergewaltiger und Kriminelle bezeichnet.
Um ihren Einfluss wiederzuerlangen, haben die Kochs sich offenbar zu einer radikalen Wende entschlossen. Statt wie bisher weitgehend hinter den Kulissen aktiv zu sein, gehen sie nun an die Öffentlichkeit. “Ich habe immer den Rat von Mama Wal befolgt, der lautet: Sohn, wenn du auftauchst und bläst, das ist der Zeitpunkt, wenn du harpuniert wirst”, sagte Koch dem Wall Street Journal über seine bisherige Zurückhaltung in der Öffentlichkeit. Er habe aber begreifen müssen, dass er “bereits harpuniert werde und es besser wäre, aufzutauchen”. Selbst Anekdoten aus Kindheitstagen erzählen die Brüder inzwischen. Und passend zu Halloween tweetete Koch Industries ein Foto des 80-jährigen Charles an seinem Schreibtisch – verkleidet als Darth Vader aus Star Wars.
Zuletzt übten sie gar den Schulterschluss mit der von ihnen bisher aggressiv bekämpften Obama-Regierung. Sie gehören inzwischen zu den aktiven Unterstützern einer Kampagne Obamas, um die hohe Zahl der Gefängnisinsassen in den USA zu senken. Er würde sehr gerne die Demokraten unterstützen, erklärte Charles Koch im Wall Street Journal.
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