“Bei Gott, ich habe eine ganze Nation beleidigt”
Der US-Präsidentschaftskandidat Jeb Bush zog einen Vergleich zwischen faulen Senatoren und Franzosen – und erntete Empörung. Guter Anlass für ein Best-of des Europa-Bashings aus Amerika.
Mit antiamerikanischen Äußerungen aus Europa ließen sich Bibliotheken füllen. Umgekehrt kommt es aber auch immer wieder zu Ausfälligkeiten, Polemiken oder Ungeschicklichkeiten von US-Politikern gegen den alten Kontinent. Ein Best-of des Europa-Bashings, aus gegebenem aktuellen Anlass.
Beispiel I: Wie faul sind die Franzosen?
Ja, der Franzose. Drei Tage arbeiten und ansonsten Vin Rouge, Brie et Amour. So ähnlich scheint sich Jeb Bush die französische Woche vorzustellen, warf er doch in einer TV-Debatte der republikanischen Aspiranten fürs Weiße Haus seinem Rivalen Marco Rubio dessen etwas lückenhaftes Auftauchen im Senat vor: “Der Senat, was ist das, so etwas wie eine französische Arbeitswoche? Man muss nur so um die drei Tage auftauchen?”
Der französische Vertreter bei der UN in New York konterte prompt diesen rhetorischen Anschlag auf die Grande Nation. “In jedem Land bieten Wahlkämpfe die Gelegenheit zu gewaltigem Unsinn”, twitterte Gérard Araud verstimmt.
Bush entschuldigte sich am nächsten Tag. “Ich weiß jetzt, dass die durchschnittliche französische Wochenarbeitszeit tatsächlich größer ist als die deutsche. Somit habe ich, mein Gott, ein ganzes Land beleidigt, unseren ersten Verbündeten, der uns half, eine eigenständige Nation zu werden.”
Beispiel II: “Fuck the EU”
Victoria Nuland, für Europa zuständige Staatssekretärin im US-Außenministerium, machte in einem Telefonat in der Frühphase der Ukraine-Krise deutlich, wie wenig sie vom zögerlichen Umgang der Europäischen Union mit der damaligen Opposition gegen Staatspräsident Viktor Janukowitsch hielt. “Fuck the EU!”, sagte Nuland im Februar 2014 dem US-Botschafter in Kiew am Telefon. “Genau”, stimmte Geoffrey Pyatt ihr zu.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ über eine Sprecherin wissen, sie halte Nulands Äußerungen für “absolut inakzeptabel”. Das US-Außenministerium versicherte daraufhin, “natürlich” habe sich Nuland bei ihren europäischen Partnern entschuldigt.
Beispiel III: McCain knöpft sich Merkel und Steinmeier vor
Senator John McCain ist immer gut für eine harte Attacke. Ob gegen Assad, den Islamischen Staat, Putin oder den Iran. Im Frühjahr griff er die deutsche Kanzlerin und ihren Außenminister wegen deren aus seiner Sicht zu Russland-freundlichen Politik an. Über Frank-Walter Steinmeier sagte McCain: “Der deutsche Außenminister ist derselbe Mann, der sich mit seiner Regierung weigert, dem Verhalten von Wladimir Putin, der jetzt gerade Ukrainer abschlachtet, irgendwelche Grenzen zu setzen.”
Kurz zuvor hatte McCain ähnlich gegen Merkel ausgeteilt. “Ich würde die Kanzlerin fragen, wie viele Menschen müssen noch in der Ukraine sterben, bevor wir ihnen helfen, sich zu verteidigen?”, fragte der Republikaner in der ZDF-Sendung “Berlin direkt”. Und weiter: “Wenn man sich die Haltung der deutschen Regierung anschaut, könnte man meinen, sie hat keine Ahnung oder es ist ihr egal, dass Menschen in der Ukraine abgeschlachtet werden.” Da war Merkel gerade auf dem Weg ins Weiße Haus, und sie mag sich in diesem Moment besonders gefreut haben, dass McCain 2008 bei der Präsidentschaftswahl gegen Barack Obama verloren hatte.
Beispiel IV: Als Frankreich und Frankfurter von der Speisekarte verbannt wurden
Politische Differenzen können sich schon mal zum Speisekartenkrieg ausweiten, wie wir 2003 erleben durften. “French Fries” hießen in diversen Kantinen des US-Kongresses plötzlich “Freedom Fries” – Freiheitsfritten statt “französische Pommes”. Gleiches galt für den “French Toast”, im Ursprungsland eher als “Croque Monsieur” bekannt. Der Kulturkampf entbrannte zu einem Zeitpunkt, als der Krieg gegen den Irak noch breite Unterstützung in den USA fand und die Öffentlichkeit glaubte, dort seien Massenvernichtungswaffen versteckt. Weil Paris sich dem Feldzug von Präsident George W. Bush nicht anschloss, war der Besitzer des Restaurants “Cubbies” in Beaufort (North Carolina) auf die Idee gekommen, die von ihm unter anderem in drei umliegende Kasernen gelieferten Kartoffelstäbchen in Freiheitsfritten umzutaufen. 2006 war der Irak-Krieg dann auch in den USA unpopulär, und die Cafeterias im Kongress kehrten zum Begriff “French Fries” zurück.
Und Deutschland? Auch die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder verweigerte Bush bekanntlich die Gefolgschaft. Aber von deutschen Begriffen waren Amerikas Speisekarten bereits nahezu 100 Jahre zuvor befreit worden. Während des Ersten Weltkriegs wurde das als “typisch deutsch” identifizierte Sauerkraut in “Liberty Cabbage” (Freiheitskohl) umbenannt, und die berühmten Bockwürste heißen seitdem nicht mehr “Frankfurter”, sondern “Hot Dogs”.
Beispiel V: Obama düpiert London
Die Briten bildeten sich immer etwas ein auf ihr “Sonderverhältnis” zu den USA, zumal man ja im Vereinigten Königreich eine dem Amerikanischen ähnliche Sprache spricht. Doch diesen Zahn zog ihnen Barack Obama im Juni 2011, als er einen von Argentinien initiierten Aufruf der Organisation of American States (OAS) unterzeichnete, wonach über den Status der Falkland-Inseln verhandelt werden solle – jener Falkland-Inseln, die britische Einheiten 1982 nach ihrer Besetzung durch argentinisches Militär zurückerkämpft hatten. Als 2013 die Inselbewohner mit 99,8 Prozent für eine weitere Zugehörigkeit zur britischen Krone votierten, lehnte Washington die Anerkennung dieses Referendums ab.
Und dann noch dies: Als im März 2013 Margaret Thatcher in der St. Paul’s Cathedral das letzte Geleit zuteil wurde, schickte Obama nicht einmal einen subalternen Mitarbeiter seiner Administration vorbei. Lediglich die US-Botschaft in London machte der konservativen Baroness ihre Aufwartung. Andererseits: Was soll’s, die Eiserne Lady wird ja auch nicht zu Obamas Beerdigung gehen.
Leave a Reply
You must be logged in to post a comment.