In einer Rede an die Nation ruft Barack Obama die Bürger auf, Muslime nicht unter Generalverdacht zu stellen – und schließt einen Einsatz von Bodentruppen gegen den „Islamischen Staat“ aus.
Seine Kritiker, die ihm Zaghaftigkeit vorwerfen, wird er mit der Rede nicht besänftigt haben. Doch das wusste Barack Obama schon, als er am Sonntagabend zur besten Sendezeit an ein Rednerpult im Weißen Haus trat und eine Ansprache an die Nation hielt. Die Botschaft des US-Präsidenten war denn auch eher eine Bitte an das amerikanische Volk, Geduld zu haben und ihm Vertrauen zu schenken: „Wir werden den IS und andere Organisationen zerstören, die versuchen, uns zu töten.“ Dieser Erfolg werde sich aber nicht durch starke Worte einstellen, sondern nur dann, wenn die USA klug und kraftvoll vorgingen. Die Bedrohung durch Terroristen sei real, „aber wir werden sie überwinden“, sagte Obama, der spätestens seit dem Blutbad von San Bernardino unter gewaltigem innenpolitischen Druck steht.
Nach dem Massaker, dem Mitte vergangener Woche 14 Menschen zum Opfer fielen, hatten vor allem die republikanischen Präsidentschaftsbewerber eine Verschärfung des Kampfes gegen die Terrormilizen des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) verlangt. Das Land brauche eine Kriegspräsidenten, der einerseits härter gegen den IS in Syrien um in Irak vorgehe und das Land andererseits besser vor Terroristen schütze, die Anschläge in den USA selbst planten.
Das Blutbad in Kalifornien ereignete sich ausgerechnet wenige Tage nach einer öffentlichen Erklärung Obamas, wonach es keine „spezifischen und glaubwürdigen Hinweis auf ein Komplott“ in den USA gebe. Die Schützen von San Bernardino waren ein Amerikaner pakistanischer Herkunft und seine Ehefrau, die dem IS in einem Facebook-Eintrag Treue gelobt hatte. Zwar glauben die US-Ermittler bislang nicht, dass die Schießerei in Kalifornien vom IS angeordnet wurde, doch hätten sich Syed Farook und seine Frau Tashfeen Malik offenbar von den Dschihadisten inspirieren lassen. Die Terrormiliz IS sprach von den beiden Attentätern als „Soldaten“.
Sicherheit des Landes hat oberste Priorität
Doch allen Forderungen zum Trotz gerierte sich Obama in seiner Rede nicht als ein Kriegspräsident á la George W. Bush. Er sagte zwar, dass die Terrorgefahr real und in eine neue Phase getreten sei, doch den Einsatz von US-Bodentruppen im Irak und in Syrien lehnte der US-Präsident – wie erwartet – ab. Oberste Priorität habe für ihn die Sicherheit des Landes, doch werde er es nicht zulassen, dass die USA wieder in einem „langen und kostspieligen Bodenkrieg“ verwickelt würden. Das war eine deutliche Anspielung auf seinen Amtsvorgänger Bush, der auf die Terrorattacken vom 11. September 2001 mit Einmärschen in Afghanistan und im Irak reagiert hatte.
Obama wiederholte stattdessen die bereits bekannte Strategie seiner Regierung gegen den IS. Dabei geht es um Luftangriffe gegen Stellungen der Terrormiliz im Irak und in Syrien, um die Ausbildung von Kämpfern in den Kriegsgebieten, um Bemühungen, die Finanzquellen des IS trockenzulegen und letztlich um ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien. Ausdrücklich lobte Obama die Entscheidungen Großbritanniens und Deutschlands, sich an den Luftschlägen gegen IS-Stellungen zu beteiligen.
Schärfere Visa-Bestimmungen sollen künftig verhindern, dass potenzielle Terroristen wie die Attentäterin von San Bernardino in die USA einreisen können. Dabei dürfte die US-Regierung kaum auf Widerstand der Opposition stoßen. Anders sieht es beim Wunsch Obamas aus, die laxen Waffengesetze im Land zu verschärfen, um zumindest den Zugang zu halbautomatischen Schnellfeuergewehren zu erschweren. Die republikanischen Möchtegern-Präsidenten lehnen bislang jede Verschärfung der Waffengesetze ab. Um diese Haltung zu unterstreichen, machten manche Kandidaten in den Tagen nach dem Massaker von Kalifornien Wahlkampf auf Schießbahnen.
Ansprache aus dem Zentrum der Macht
Auch der Appell Obamas, Muslime in den USA nicht unter Generalverdacht zu stellen, dürfte weitgehend ungehört verhallen. Nach dem Blutbad in San Bernardino hatten einige Präsidentschaftsbewerber auf der republikanischen Seite ihre Forderungen wiederholt, die Muslime in den USA genauer zu überwachen beziehungsweise nur Flüchtlinge christlichen Glaubens ins Land zu lassen.
Obama dagegen rief die Amerikaner zur Einheit auf. Es herrsche kein Krieg zwischen Amerika und dem Islam. „Der IS spricht nicht im Namen des Islam“, sagte der Präsident. Der IS setze sich aus Killern zusammen, die einen Todeskult pflegten. Wer jetzt in den USA pauschal alle Muslime verdächtige, der spiele diesen Verbrechern nur in die Hände, sagte Obama.
Die Rede an die Nation war erst am Samstag öffentlich angekündigt worden. Überraschend war aber auch die Wahl des Ortes. Erst zum dritten Mal in seiner fast siebenjährigen Amtszeit sprach Obama aus dem Oval Office, dem Zentrum der Macht in Washington. Das hatte er zuvor nur nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und zur Ankündigung des vollständigen Abzugs der US-Truppen aus dem Irak getan. Nicht einmal die Tötung von Al-Kaida-Gründer Osama bin Laden verkündete Obama aus dem Oval Office.
Dass er sein Büro jetzt als Ort für die Rede wählte, hat zwei Gründe: Ansprachen aus dem Zentrum der Macht haben nach US-Lesart eine besondere Wucht, und der Rest des Weißen Hauses ist derzeit mit Weihnachtsdekoration vollgestellt.
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