Historic Mission: Hillary Clinton’s Second Chance

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Eine historische Mission: Hillary Clintons zweite Chance

Von Thomas Vieregge

01.01.2016

Die Vorzeichen für die Präsidentschaft der ersten Frau in den USA stehen gut. Zu fürchten hat die Queen der Demokraten nur Marco Rubio – und Bill Clinton.

Wann, wenn nicht jetzt? Das mag sich Hillary Clinton vor neun Jahren gesagt haben, als sie siegesgewiss ihre Präsidentschaftskandidatur in einem YouTube-Video ankündigte: „I’m in it to win it.“ Anno 2007 war das Land zermürbt und polarisiert von der Ära George W. Bush und den Kriegen. Es sehnte einen Kurswechsel herbei, und die frühere First Lady und damalige Senatorin galt als logische Kandidatin und deklarierte Favoritin aufseiten der Demokraten – bis ihr ein Newcomer aus Chicago, der Außenseiter Barack Obama, in die Quere kam und die Trophäe vor der Nase wegschnappte. Hillary Clinton erfand sich als Außenministerin unter Obama neu, blieb jedoch ihrem Charakter und ihrer Selbstdisziplin treu. Sie gewann an Profil und Erfahrung, an außenpolitischer Reputation und an Ansehen bei ihren Landsleuten. Ihr großes Ziel verlor sie indes auch als Außenministerin nie aus den Augen.

Neun Jahre später liegt es nun wieder an ihr, den Sieg in ihrem zweiten eigenen Anlauf für das Weiße Haus nicht neuerlich aus der Hand zu geben. Ihre historische Mission, als erste Frau das Präsidentenamt in den USA zu bekleiden, könnte erneut unter dem Motto stehen: Wann, wenn nicht jetzt? Es könnte wahrhaft das Jahr der Hillary Rodham Clinton werden. Im demokratischen Lager liegt sie jedenfalls unangefochten voran. Mehrere potenzielle Kandidaten hatten ihr von vornherein den Vortritt gelassen – darunter Vizepräsident Joe Biden, der wohl zu lang mit einem Antreten kokettiert hat. Bernie Sanders, ihr einziger ernst zu nehmender Konkurrent – ein leicht schrulliger, selbst deklarierter Sozialist aus Vermont – verlor nach anfänglicher Euphorie im linksliberalen und studentischen Milieu inzwischen an Glanz.

Alles andere als ein Triumph Hillary Clintons bei den Vorwahlen der Demokraten wäre eine Sensation. Sie könnte nur über sich selbst stolpern, sprich über eine Affäre im Dunstkreis der Clinton Foundation, der Stiftung ihres Mannes, Bill. Der Ex-Präsident, ein exzeptioneller Stratege und Wahlkämpfer, ist ihr größtes Ass und zugleich auch ihre größte Achillesferse. „Zwei Clintons zum Preis von einem“, so hatte er das Power-Paar der US-Politik im Wahlkampf einst selbst angepriesen. Dass der umtriebige Bill Clinton als First Gentleman nun wieder mitregieren könnte, ist ein Gräuel nicht nur für eingefleischte Republikaner und notorische Clinton-Hasser. Womöglich haben die US-Amerikaner nach zwei Clinton-Amtszeiten, nach einem Vierteljahrhundert der Clinton-dominierten Politik in Washington die Nase voll von dem Machtduo mit seinem einzigartigen Netzwerk an Freunden und Sponsoren, der Nähe zu den Bossen an der Wall Street, in Hollywood und im Silicon Valley, mit dem saloppen Umgang mit der Wahrheit.

Hillary Clintons größtes Glück könnte indessen Donald Trump heißen. Gegen den irrlichternden Milliardär mit dem Super-Ego und den bizarren, spontan-populistischen Einfällen, der den republikanischen Wahlkampf beinahe im Alleingang in einen clownesken Zirkus verwandelt, setzt die Demokratin als Polit-Profi einen Kontrapunkt. Doch der Typus des klassischen Politikers, des Washington-Insiders, ist bei großen Teilen der republikanischen Klientel so verhasst, dass die Stammwähler Trumps simplen Parolen auf den Leim gehen. Im Wahlkampf der Republikaner geben Outsider wie Trump und Hardliner wie der texanische Tea-Party-Darling Ted Cruz den Ton an, die bei der Präsidentenwahl gegen Hillary Clinton, die Galionsfigur des demokratischen Establishments und Inkarnation des Insiders, ohne jede Chance wären.

Die Selbstzerfleischung der Republikaner bei deren Vorwahlen kommt der Queen der demokratischen Partei einstweilen sehr gelegen. Zu fürchten hat Hillary Clinton einzig Marco Rubio, den „republikanischen Obama“. Der 44-jährige Senator aus Florida, ein Sohn kubanischer Immigranten, würde einen Generationenwechsel gegenüber der 68-Jährigen personifizieren, und sein Narrativ vom American Dream entfesselt mehr Leidenschaft als der routinierte Pragmatismus Clintons. Ob sich die US-Amerikaner nach Obama neuerlich auf ein Experiment einlassen würden? Für die Präsidentschaft der ersten Frau in den USA stehen die Vorzeichen gut – ein paar frische Ideen täten Hillary Clinton aber auch ganz gut.

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