US-Präsident Obama will heute Justizministerin Lynch treffen, um mit ihr über strengere Waffengesetze zu sprechen.
US-Medien berichten, dass Obama vorhabe, die Waffenkontrolle im Land mittels Dekret zu verschärfen.
Im letzten Jahr seiner Amtszeit bleibt dem Präsidenten nicht mehr viel Spielraum – und Republikaner und NRA kritisieren Obamas Pläne scharf.
Mit jedem Tag, der verstreicht, verliert Barack Obama an Einfluss. Allzu viel kann er nicht mehr bewegen in seinem letzten Jahr als US-Präsident. Innenpolitisch weitgehend handlungsunfähig wird er zunehmend zur “lame duck”. Bevor er abtritt, will er sich allerdings noch um eines seiner dringendsten “unerledigten Geschäfte” kümmern, wie er es in seiner Neujahrsansprache selbst genannt hat: die Waffengewalt in seinem Land.
Ein letztes Aufbäumen in seinem Kampf gegen dieses Problem ist das Treffen mit Justizministerin Loretta Lynch, das Obama für den heutigen Montag angekündigt hat. Obama scheint entschlossen, seine Pläne zur Verschärfung des Waffenrechts nun unbedingt durchzusetzen. Mit Lynch wolle er gleich nach seiner Rückkehr aus dem Weihnachtsurlaub über ein Bündel von Maßnahmen sprechen, hatte er angekündigt.
Wie CNN und Politico unter Berufung auf eingeweihte Kreise berichten, will Obama den Zugang zu Waffen stärker reglementieren. Nachdem er im Kongress, der von den Republikanern dominiert wird, immer wieder mit seiner Forderung nach strengeren Gesetzen gescheitert war, will er sie nun offenbar per Dekret erzwingen. Seine Maßnahmen sehen demnach unter anderem vor, dass auch kleinere Waffenhändler die Vergangenheit der Käufer künftig überprüfen müssen. Außerdem sollen die Vorschriften für das Melden gestohlener oder verlorengegangener Waffen verschärft werden.
Obamas Pläne folgen damit zumindest teilweise den Empfehlungen, die beispielsweise die US-Nichtregierungsorganisation “Everytown for Gun Safety” ausspricht, die sich für strengere Waffengesetze einsetzt. In ihrem aktuellen Bericht fordert die Organisation beispielsweise, dass sogenannte Gelegenheitsverkäufe von Hobby-Waffensammlern begrenzt werden sollen.
“Zu viele Briefe von Eltern und Lehrern und Kindern”
Eine Revolution bedeutet die verschärfte Überprüfung von Waffenkäufern allerdings nicht. Tatsächlich sind Obamas Pläne eher bescheiden, sie drücken das aus, was kürzlich laut einer Umfrage ohnehin die Mehrheit der Amerikaner will: Schlupflöcher bei Waffenkäufen im Internet oder bei sogenannten Gunshows sollen geschlossen werden. Das generelle Recht, eine Waffe zu tragen, wird nicht angetastet.
Dennoch laufen sich die Kritiker bereits heiß, das Thema Waffenkontrolle spielt auch im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Die Angst vor Terroristen ist nach den Anschlägen in Paris in den USA gewachsen und fast die Hälfte der Amerikaner glaubt, dass Waffen in privater Hand den Schutz vor Terroristen erhöhen.
Obama erinnerte in seiner jüngsten Rundfunkansprache dagegen an die Schießereien im eigenen Land: “Ich erhalte zu viele Briefe von Eltern und Lehrern und Kindern, um einfach herumzusitzen und nichts zu tun.” Er wisse, dass nicht jeder Gewaltakt verhindert werden könne. “Aber wie wäre es, wenn wir versuchen würden, wenigstens einen zu verhindern?”
Das äußerste Mittel der amerikanischen Rechtspraxis
Obama hat solche Reden schon oft gehalten, zu oft. Zuletzt hatte er nach der Attacke von San Bernardino mit insgesamt 16 Toten den Kongress dazu aufgerufen, sich zu strengeren Waffengesetzen durchzuringen. Die meisten Republikaner und die mächtige Waffenlobby NRA wehren sich allerdings dagegen.
Nun könnte Obama zum äußersten Mittel der amerikanischen Rechtspraxis greifen, um zumindest die Lücken bei der Überprüfung von Waffenkäufern zu schließen. Mittels Executive Order hat der US-Präsident die Macht, Gesetze ohne Zustimmung des Kongresses zu erlassen. Eine solche Verordnung des US-Präsidenten gilt beispielsweise seit den Terroranschlägen vom 11. September für den Umgang der USA mit Terroristen.
Obama erließ während seiner Zeit im Amt bisher insgesamt 216 solcher Orders. Im Januar 2013, einen Monat nach dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule, bei dem 28 Menschen starben, erließ er insgesamt 23 Dekrete zur strengeren Waffenkontrolle. Unter anderem setzte er damals durch, dass Schießereien durch Bundesbehörden neu untersucht werden und dass beim sogenannten Background-Check auch die psychische Gesundheit des jeweiligen Waffenkäufers überprüft wird.
Dann allerdings folgte eine erneute Niederlage: Im Juli 2013 scheiterte Obama mit seiner Verschärfung der Waffengesetze im Senat. Der Präsident sprach von einem “Tag der Schande für Washington”. Die Initiative hätte Überprüfungen für nahezu alle Käufer von Waffen vorgeschrieben. Rund 90 Prozent der Amerikaner hätten den Entwurf unterstützt, sagte Obama. “Aber die Waffenlobby mobilisierte dagegen. Und der Senat blockierte es.”
Obamas Frustration wuchs in den folgenden Jahren. Selten zeigte er seine Wut über den Politbetrieb so offen wie beim Thema Waffengesetze. Eine “Routine” schleiche sich ein, sagte er nach dem Amoklauf in Oregon, bei dem im Oktober 2015 zehn Menschen starben: Nach jedem Amoklauf erschrockene Medienberichte und ein erschütterter Präsident am Rednerpult – sonst aber ändere sich nichts. Das ganze Land sei “abgestumpft” und “betäubt”, sagte Obama. Der Täter von Oregon besaß dreizehn Waffen – alle legal gekauft.
Trotzdem pflegen NRA und Republikaner den Kult um die Waffen und argumentieren immer wieder, dass es ohne Waffen noch mehr Verbrechen gäbe. Obamas Ansprachen scheinen ungehört zu verklingen, ihm sind durch den Widerstand im Kongress faktisch die Hände gebunden – und die Zeit läuft. Am 18. Dezember 2016 wird ein neuer Präsident gewählt, die Vorwahlen starten bereits in vier Wochen.
Republikanische Kandidaten wollen Verfügungen rückgängig machen
Seine konkreten Pläne dürfte Obama spätestens in seiner letzten Rede zur Lage der Nation am 12. Januar ankündigen. Der Zeitpunkt erscheint passend, denn das öffentliche Interesse gilt zunehmend den Bewerbern um das Präsidentenamt.
Die republikanischen Präsidentschaftskandidaten kündigten allerdings bereits an, sämtliche Verfügungen des Präsidenten im Fall eines Wahlsieges rückgängig zu machen. “Präsident Obama versucht, die Amerikaner von seinem Versagen im Kampf gegen die wahre Bedrohung abzulenken: den radikalen islamischen Terrorismus”, sagte etwa eine Sprecherin von Kandidat Ted Cruz, derzeit nach Donald Trump die Nummer zwei im Feld der republikanischen Bewerber.
Trump sagte bei einem Wahlkampfauftritt, er werde Obamas Unterschrift anullieren – und zwar “so schnell, so schnell”. Und das könnte er, sollte er gewählt werden. Jede präsidiale Verfügung Obamas kann von seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin sofort wieder aufgehoben werden.
NRA hat großes Gewicht im Wahljahr
Auch die NRA, die mächtige Organisation der Waffenbesitzer, hat sich bereits zu Obamas jüngsten Plänen geäußert: “Präsident Obama hat seine Anti-Waffen-Agenda nicht durch den Kongress gebracht, weil die Mehrheit der Amerikaner gegen mehr Waffenkontrolle ist.” Wenn er sich jetzt mittels Dekreten durchsetze, missachte er den Willen des Volkes, sagte NRA-Sprecherin Jennifer Baker.
Die NRA benotet Bewerber nach deren Entscheidungen und Positionen in Fragen der Waffenkontrolle und hat damit großes Gewicht in einem Wahljahr. Die meisten der Republikaner bringen es auf die Spitzenwerte A oder A plus. Fünf der Demokraten, die nach dem Massaker an einer US-Grundschule Ende 2012 im Senat für eine Ausweitung von Überprüfungen vor Waffenkäufen stimmten, wurden dagegen mittlerweile abgewählt und durch von der NRA unterstützte Republikaner ersetzt. Diese Bestrafung durch empörte Wähler muss Obama in seinem letzten Amtsjahr zumindest nicht mehr fürchten.
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