Biden Scolds Turkey for Repression

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Biden rügt Ankara für Repression

Amerikas Vizepräsident setzt einen Tag vor einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan ein Zeichen. Zudem verlangt Washington von Ankara ein energischeres Vorgehen gegen den IS.

Die Türkei könne mehr tun, um den Islamischen Staat (IS) zu schwächen, hat der amerikanische Verteidigungsminister Ashton Carter am Donnerstag in Paris nüchtern festgestellt. Er bekräftigte damit ein Unbehagen, das er vor einem Monat schon vor dem Kongress ausgedrückt hatte. Die Anstrengungen der Türkei, das Kontrollregime an der syrischen Grenze zu verschärfen und damit die Versorgungslinien des IS zu kappen, hält der Pentagonchef für unzureichend.

Angst vor einem Kurdenstaat

Die Kritik Washingtons, die Vizepräsident Joe Biden am Samstag bei seinen Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu wiederholen dürfte, betrachten die Gastgeber als überzogen. Laut amtlichen Statistiken nahmen die türkischen Behörden bis im vergangenen November 1200 mutmassliche IS-Anhänger fest. Über 27 000 Personen wurden daran gehindert, in die Türkei einzureisen. Allerdings zeigt sich Ankara empfänglich für amerikanische Militärtechnik. Sie soll entlang jenen 98 Kilometern zum Einsatz kommen, wo das Nato-Mitgliedsland an das blutrünstige «Kalifat» angrenzt. Zur Diskussion stehen Geräte zur Entdeckung von Tunneln. Mindestens einer der Pariser Attentäter vom November soll über diesen Abschnitt in die Türkei eingereist sein. Die Vorstellung einer absolut undurchlässigen Grenze scheint indes wenig realistisch.

Das Verhältnis zwischen Washington und Ankara krankt an unterschiedlichen Prioritäten: Die Türken wollen um jeden Preis verhindern, dass in ihrem Hinterhof ein autonomer Kurdenstaat heranwächst. Aus amerikanischer Warte hat hingegen die Zerstörung des IS Vorrang. Das Pentagon kooperiert mit den kurdischen Milizen, die dem IS die Stirn bieten, aber von der Türkei als Ableger der militanten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) diskreditiert werden.

Mit Blick auf die geplanten Syrien-Friedensgespräche beharrt Ankara darauf, dass etwa die syrisch-kurdische Partei der Demokratischen Union nicht am Verhandlungstisch sitzt oder wenn, dann im Lager des Regimes in Damaskus. Ankara unterstellt der dominierenden politischen Kraft der syrischen Kurden, auf dem Schlachtfeld mit Moskau zu kooperieren. Der Kriegseintritt der Russen hat inzwischen bewirkt, dass die Türken offenbar keine IS-Stellungen mehr bombardieren. Seit dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch das türkische Militär, den Moskau mit harten Wirtschaftssanktionen beantwortete, beteiligt sich die Regionalmacht laut der «Hürriyet Daily News» nicht mehr an den Lufteinsätzen.

Biden kritisiert Repression

Schloss sich Erdogan erst nach langem Zögern der Anti-IS-Allianz an, griff er nach dem Kollaps des Waffenstillstandes mit der PKK im Juli 2015 sofort und hart durch. Seither liefern sich die Sicherheitskräfte und die Rebellen einen brutalen Krieg im Südosten des Landes. Auf zivile Opfer nehmen beide Seiten kaum Rücksicht.

Die amerikanische Regierung betont zwar, die Türkei habe das Recht, gegen die PKK vorzugehen. In einem Telefonat mit Erdogan rief Präsident Barack Obama diese Woche aber zu einer Deeskalation auf – ein Appell, den die politische Führung in Ankara wohl ignorieren wird. Erdogan hat Verhandlungen mit der PKK und der ihr nahestehenden Demokratischen Partei der Völker ausgeschlossen.

Die Hardliner in der Regierung geben sich überzeugt, das der Staat die Extremistenorganisation «auslöschen» kann, und gewinnen mit der martialischen Rhetorik nationalistische Wähler. Allerdings hat der seit mehr als dreissig Jahren anhaltende Kurdenkonflikt hinreichend gezeigt, dass er mit militärischen Mitteln nicht zu lösen ist. Das weiss eigentlich auch Erdogan, der jene zu Terror-Sympathisanten stempelt, die seinen kompromisslosen Kurs infrage stellen.

Bei einem Treffen mit Vertretern der türkischen Zivilgesellschaft warnte Biden am Freitag vor einem zunehmend repressiven Klima. Amerika sähe die Türkei gerne als Vorbild, das der ganzen Region vor Augen führte, was eine lebhafte Demokratie ausmachte, sagte der Vizepräsident. Mit der Einschüchterung und der Verhaftung regierungskritischer Journalisten und Professoren gebe die Türkei kein gutes Beispiel ab, rügte Biden in Anspielung auf die Verhaftungswelle der letzten Monate.

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