New York, New York
Donald Trump will es im Sinne Sinatras machen: die Vorwahl klar gewinnen, um es dann überall zu schaffen – vor allem natürlich bei der Präsidentenwahl. Ein Besuch in seiner Heimat Queens.
Von Sacha Batthyany, New York
Es ist das größte Haus der Straße, roter Backstein, sechs Säulen am Eingang, als wäre es eine Schule. Hier wurde Donald J. Trump vor 70 Jahren geboren, in Jamaica Estates, einem Nobelquartier im New Yorker Stadtteil Queens. Hier beginnt die Geschichte seines Aufstiegs: Aus dem Sohn eines sparsamen Bauherrn wird “The Donald”, ein Immobilienmogul mit Vorliebe für Wasserhähne aus echtem Gold, ein Fernsehstar, und der mögliche Präsidentschaftsanwärter der Republikaner. An diesem Dienstag wird in New York gewählt, und Trump wird wohl gewinnen. Die Frage ist nur, wie hoch.
Von den jährlich 50 Millionen Besuchern New Yorks landen nur die wenigsten in Queens. Manhattan ist schillernder, Brooklyn angesagter, umso mehr dürfte der blaue Cadillac aufgefallen sein, mit dem Fred C. Trump zur Arbeit fuhr, der Vater von Donald. Es soll die einzige Extravaganz gewesen sein, die sich der bescheidene Millionär erlaubte.
Viele Menschen im Stadtbezirk sind von Trumps Erfolgen als Geschäftsmann beeindruckt
Fred C. Trump war der Architekt der kleinen Leute und verdiente damit ein Vermögen. Für die vielen Arbeiterfamilien und Veteranen baute er preiswerte Apartmentkomplexe, denen er Namen wie Beach Haven oder Garden Village verpasste, obwohl von Strand oder Garten nicht viel zu sehen ist; die grauen Quader versprühen den Charme sowjetischer Wohnsilos, vor dem viele seiner osteuropäischen Mieter geflohen waren.
Freds Eltern, Donalds Großeltern, emigrierten 1885 aus Deutschland, doch weil es sich Fred Trump auch mit seinen jüdischen Mietern nicht verscherzen wollte, sagte er allen, er stamme aus Schweden; “deutsch zu sein war zu dieser Zeit ein Nachteil”, soll er später gesagt haben. Schon Fred Trump bog die Wahrheit gerne zu seinen Gunsten, eine Eigenschaft, die sein Sohn, der im Winter ins Weiße Haus einziehen könnte, von ihm übernehmen sollte. Und es blieb nicht die einzige.
Es gibt ein Foto der beiden, das sie auf dem Dach eines der Wohnhäuser in Queens zeigt, 1973, der junge Donald Trump mit der nachlässigen Frisur des reichen Schnösels, der Vater im guten Mantel. Und es sieht so aus, als würde der Ältere zum Jüngeren gerade sagen: “Schau her, all das gehört einmal dir”, doch Queens und Brooklyn waren Donald Trump nicht genug. In seinem Buch “The Art of the Deal” beschreibt er, wie er schon als Jugendlicher auf die Skyline Manhattans blickte und sich dachte: “Da will ich hin.”
Ende der Siebzigerjahre bekam Donald Trump dank Beziehungen den Zuschlag, ein altes Hotel am Grand Central zu renovieren. Er machte daraus das Grand Hyatt, es war der Beginn seines Aufstiegs. Anfang der Achtziger baute er sich seinen Trump-Tempel an der Fifth Avenue, in dem so illustre Männer wie der haitianische Diktator “Baby Doc” Duvalier residierten.
Als es beim Bau seines Wolkenkratzers Ärger gab, weil Trump Hunderte polnische Arbeiter ohne Bewilligung anstellte, erinnerte er sich an einen Trick seines Vaters; er erfand einen Mediensprecher namens John Barron, in den sich Trump verwandelte, jedes Mal, wenn Schwierigkeiten drohten (sein jüngster Sohn heißt seltsamerweise auch Barron). Schon sein Vater benutzte ein Pseudonym und stellte sich unangenehmen Anrufern jeweils als Mr. Green vor.
Die Gegend um Trumps Geburtshaus in Queens hat sich stark verändert, früher war sie ein Ort der weißen Mittelklasse, heute geht es mondäner zu. Äthiopische Restaurants reihen sich an chinesische Supermärkte, dazwischen die großen Parkplätze der Gebrauchtwagenhändler, die ihre besten Autos mit Lametta schmücken.
Viele der Menschen auf der Straße sind von Trumps Erfolgen als Geschäftsmann beeindruckt. “Er hat Hotels im ganzen Land und eine wunderbare Familie”, sagt der Inder Sunil Murthy, der einen Laden mit Mobiltelefonen führt, keine zehn Minuten von Trumps Geburtshaus entfernt. “Er wird für viele Jobs sorgen”, glaubt Chris Wieczorek, 22, Sohn polnischer Immigranten, die Trump “wie einen Heiligen” verehren und über den Sozialisten Bernie Sanders die Nase rümpfen. “Die Superreichen an der Wall Street finanzieren all die Museen und Theater, für die New York so bekannt ist”, sagt Chris, der später “was mit Banken” machen möchte; “sie unterstützen Spitäler und Schulen und geben Millionen für Wohltätigkeit aus. Aber davon redet Sanders natürlich nicht.”
Man solle Trump an dem messen, was er geleistet habe, “nicht an den Fernsehauftritten”, sagt ein Rentner mit Schiebermütze, der seinen Namen nicht in der Zeitung sehen will, ein Nachbar der Trumps, der den alten Fred noch kannte. “Donald Trump ist besessen von Arbeit und Erfolg. Er wird das Land wieder auf die Beine bringen.” Ob man Frank Sinatras Lied “New York, New York” kenne, fragt der Nachbar, hält sich an seinem Gartenzaun fest und beginnt leise zu singen: “Top of the List, King of the hill, A-number-one!” Es sei die Hymne dieser Stadt, die niemals schlafe und sie handle von den “New Yorker Werten”, die keiner so verkörpere wie Donald Trump.
Einzig an Trumps Einstellung zu Einwandererfragen stören sich viele Passanten und Anwohner; sie passe nicht zu Queens, nicht zu New York, sagt auch Trumps Nachbar mit der Mütze. Tatsächlich ist Sinatras Hymne in erster Linie eine Einwandererhymne, ein Willkommenslied für all jene, die hier seit 1624 ihr Glück suchen, seit ein paar holländische Seefahrer den ansässigen Indianern eine Insel für 60 Gulden abkauften, die heute Manhattan heißt. Denn wer es in New York schafft, so Sinatra, Sohn italienischer Einwanderer, der schafft es bekanntlich überall.
“Vielleicht machen die aus Trumps Geburtshaus ein Museum, wenn er Präsident wird.”
Bei den Vorwahlen in New York geht es um 95 Delegiertenstimmen, die in einem komplizierten Verfahren vergeben werden. Schafft es Trump, im gesamten Bundesstaat New York und den 27 Wahlbezirken mehr als 50 Prozent der Stimmen zu vereinen, erhält er alle 95 Wahlmänner, die er dringend braucht, um sich die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten vor dem Parteitag zu sichern. Erwartet wird, dass Trump in Teilen von Queens und Long Island sowie in Wahlbezirken im Norden am meisten Stimmen holt. Gemäß Statistiken schneidet Trump in Gebieten mit katholischen Einwanderern besser ab als in protestantischen. Die zuverlässigste Korrelation aber besteht zum Ausbildungsgrad: Je niedriger er ist, desto mehr sind für Trump. So konzentrierte sich der millionenschwere Immobilienspekulant auf die ländlichen Gebiete außerhalb New York City und mied Manhattan, wo viele Menschen mit bester Bildung leben. Es sind die Wähler von John Kasich, dem einzig verbliebenen Moderaten neben Trump und Ted Cruz, der auf einen zweiten Platz hofft, um sich als Alternative zu empfehlen.
“Falls Trump in New York gut abschneidet, ist ihm die Nominierung nicht zu nehmen”, sagt der Nachbar von Trumps Geburtshaus in Queens. “Gegen Hillary Clinton gewinnt er leicht.” Dann werden Touristen in Scharen kommen, “vielleicht machen die aus Trumps Geburtshaus auch ein Museum, wenn er Präsident wird?” Er könne ja, überlegt der Nachbar laut, seinen Parkplatz vermieten, oder vor seinem Haus einen Stand aufbauen, Souvenirs, T-Shirts, und etwas Geld verdienen. “Die Idee gefällt mir”, sagt er. Das sei der Geist, den dieses Land brauche.
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