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Hauptsache, bequem

Hillary Clinton wollte in ihrer Amtszeit als Außenministerin kein offizielles E-Mail-Konto. Sie wollte niemandem Einblick in ihr Privatleben erlauben. Diese Einstellung befeuert nun die Vorbehalte gegen sie – und könnte sogar ihre Kandidatur zu Fall bringen.

27.05.2016, von ANDREAS ROSS, WASHINGTON

Hillary Clinton war in ihrem zweiten Ministerjahr, als ein hoher Mitarbeiter anregte, sie solle sich doch noch ein E-Mail-Konto auf dem Server des State Departments anlegen lassen. Es ging dem stellvertretenden Stabschef offenbar nicht darum, die Kommunikation der Außenministerin vor Cyber-Spionen zu schützen. Er sorgte sich auch nicht um die Transparenzregeln der Regierung. Es ging ihm vielmehr um die banale Befürchtung, dass sich Clinton mit einer Privatadresse zu viel Spam einfangen würde. Doch die Ministerin wollte nichts von einer offiziellen Mail-Adresse der Regierung wissen: „Ich möchte kein Risiko eingehen, dass Persönliches zugänglich wird.“ Diesen Satz aus dem November 2010 zitiert der Generalinspekteur des State Departments in einem Untersuchungsbericht.

Ungewollt hat sich die Demokratin darin treffend charakterisiert. Nach Jahrzehnten voller Affären und Attacken beschützt sie ihre Privatsphäre so rigoros, dass sie selbst politisch gleichgesinnten Wählern kühl erscheint. Zugleich können Donald Trump und die anderen Republikaner in dem Satz ihr Urteil bestätigt sehen, dass „die Clintons“ ihre Privatinteressen stets wichtiger nähmen als das Gesetz. Seit mehr als einem Jahr beteuert die Kandidatin, sie habe damals aus rein praktischen Gründen der Bequemlichkeit eine separate Dienst-Mail-Adresse abgelehnt. Doch vielmehr scheint sie von der Furcht getrieben, dass die Öffentlichkeit unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Einblick in ihre Korrespondenz bekommen könnte. Damit haben ihre politischen Gegner neue Nahrung bekommen, die den Clintons permanente Geheimniskrämerei vorwerfen, weil sie offenbar viel zu verbergen hätten.

In einer Umfrage verneinten kürzlich zwei Drittel aller registrierten Wähler die Frage, ob Hillary Clintonvertrauenswürdig sei. Im Bericht des Generalinspekteurs ist nun nachzulesen, dass die Kandidatin sich weigerte, ihm Fragen zu beantworten. Im Kern besagt der Report, dass Clinton zu Unrecht behauptet, das Ministerium habe ihr die Verwendung des privaten Servers „erlaubt“. Sie habe ihr Verhalten niemals mit den Juristen besprochen. Als zwei Mitarbeiter des Archivs 2010 Alarm geschlagen hätten, habe ihr Vorgesetzter sie angewiesen, das Thema „nie wieder anzusprechen“.

Mail mit „streng geheimen“ Informationen

Zwar habe auch Clintons republikanischer Vorvorgänger Colin Powell seine private Mail-Adresse für dienstliche Kommunikation benutzt, stellte der Generalinspekteur fest. Doch habe es bei Clintons Amtsantritt 2009 klare Regeln gegeben, nach denen diese Vorgehensweise wegen „erheblicher Sicherheitsrisiken“ nicht erlaubt sei. Mit der Frage, ob Clinton durch Benutzung des privaten E-Mail-Servers die nationale Sicherheit gefährdet haben könnte, beschäftigen sich seit Monaten Ermittler des FBI. Sie überließ den Bundespolizisten den Server aus ihrem Privathaus im Staat New York. Ob das FBI die gelöschten, angeblich privaten E-Mails wiederherstellen konnte, ist ungewiss.

Nach Auffassung des Generalinspekteurs hat Clinton Regeln verletzt, indem sie dem Archiv des Ministeriums zu spät zu wenige Mails überlassen habe. Nach den Richtlinien hätte sie sämtlichen Schriftverkehr vor dem Ende ihrer Amtszeit 2013 dem Ministerium übergeben müssen. Das Außenministerium verlangte (auf Druck der Republikaner) von Clinton aber erst Ende 2014, ihre Korrespondenz den Hausarchivaren zu überlassen. Daraufhin ließ Clinton persönliche Mitarbeiter mehr als 60.000 gespeicherte Mails durchforsten und übergab dem State Department etwa die Hälfte davon zur Veröffentlichung. Die anderen, so Clinton, hätten sich um pure Privatangelegenheiten wie Yogakurse oder die Hochzeit ihrer Tochter Chelsea gedreht. Doch inzwischen sind dienstliche Mails vor allem aus Clintons ersten Monaten im Amt bekanntgeworden, die sie den Archivaren nicht übermittelte. Und das FBI hat in wenigstens 22 dem Ministerium überlassenen Mails „streng geheime“ Informationen gefunden.

Die Clinton-Kampagne hob hervor, dass der Generalinspekteur dem ganzen Ministerium eine unangemessene Lässigkeit bei der Archivierung von Korrespondenz vorwerfe. In der Tat geht der Bericht nicht nur mit Clinton ins Gericht. Trump ließ sich davon erwartungsgemäß nicht abhalten, den Bericht als Beweis anzuführen, dass Clinton „eine üble Ganovin ist, so übel, wie es nur geht“. Auf kurze Sicht ist Trump allerdings gar nicht Clintons Hauptgegner. Ihr wichtigstes Schlachtfeld liegt gegenwärtig in Kalifornien. Dort finden am 7. Juni Vorwahlen statt, und Bernie Sanders hat Clinton dort laut Umfragen eingeholt. Aus dem Bericht des Generalinspekteurs allerdings kann er keinen Honig saugen. Schon im vorigen Oktober hatte Sanders verkündet, er wolle von Clintons „verdammten E-Mails“ nichts mehr hören.

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