Arms-Saturated America Is Making Itself Sick

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Das waffenstarrende Amerika krankt allein an sich

Nach all den Massakern und Amokläufen in den USA ist mein Entsetzen einem dumpfen Gleichmut gewichen. Das waffenstarrende Land krankt an sich. Es nimmt das Morden abgestumpft hin.

“Es gab eine Zeit, da reagierte ich auf Massenerschießungen mit Empörung und Abscheu – aber auch mit etwas Hoffnung. Hoffnung, dass sie vielleicht die letzte sei.” Im Ton melancholischer Vergeblichkeit begann ein 67 Jahre alter Leser der “New York Times” sein Geständnis zu dem Massenmord in Orlando.

Er sprach mir aus dem schmerzenden Herzen. Denn er fuhr fort zu berichten, dass er diese Empörung nicht mehr fühle; mit jedem neuen Massaker, das die tödliche Waffenvernarrtheit seines Landes nicht kontrollierte, seien seine Gefühle mehr betäubt worden und endlich abgestorben.

Ebenso erging es mir: Gekommen im Mai 1999, als 13 Menschen in der Columbine High School nahe Denver durch zwei jugendliche Amokläufer starben, gegangen nach der jüngsten Schießerei im kalifornischen Isla Vista im Mai 2014, war mein Entsetzen dumpfem Gleichmut gewichen. Wenn Amerika im Namen der Waffenfreiheit so leben und so sterben will – so sei es.

So viele Tote durch Kugeln wie durch Verkehrsunfälle

Meine Gefühlskälte, die aus Dutzenden enttäuschten Hoffnungsschüben erwuchs, galt der Nation, nicht dem einzelnen Opfer. Jedem von ihnen galt in Denver, jedem gilt in Florida mein Mitleid. Nach FBI-Angaben starben 8124 Amerikaner im Jahr 2014 durch Kugeln, etwa so viele wie in PKW-Unfällen. Kinder, die mit geladenen Waffen spielen, sind darunter. Wir gewöhnten uns über die Jahre an, bei Kinderfesten in den Häusern amerikanischer Eltern im waffenversessenen Virginia zu erfragen, ob sie Waffen besäßen.

Im blutigen Ernst. Durch Schusswaffen zu sterben, ist in Deutschland statistisch so wahrscheinlich wie in Amerika von einem “fallenden Objekt” getötet zu werden: Zwei in einer Million kommen so zu Tode. In Japan ist es ein Todesopfer in zehn Millionen – das entspricht in den USA dem Risiko, vom Blitz erschlagen zu werden. Das waffenstarrende Amerika krankt allein an sich.

Der Wahnsinn ist auf ermüdende Weise hundertfach durchgespielt. Wobei die Deutschen etwa mit ihrer Vorliebe für Autobahnen ohne Tempolimit ihre eigenen asozialen Neurosen bieten. Autos können töten, sie werden nicht fürs Töten hergestellt. Zusammen mit ungezählten Amerikanern, die abgestumpft das Massenmorden hoffnungslos hinnehmen, bekenne ich: die Unfähigkeit, mit Amerika zu trauern.

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