Merciless Slaughter

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Eiskalt ausgeschlachtet

Orlando Das Massaker hat ein gespaltenes Land weiter polarisiert. Donald Trump instrumentalisiert die Angst. Ist er noch zu stoppen?

Eiskalt ausgeschlachtet

Die Polarisierung und Anfeindungen haben in den USA eine neue Qualität erreicht

Foto: Mark Ralston/Getty Images

Für Amerikaner ist Orlando im sonnigen Florida gleichbedeutend mit Disney World. Millionen Touristen reisen jedes Jahr in das „Magische Königreich“ und die anderen Freizeitparks im Großraum Orlando, kommen in die Plastikwelt von Mickey und Minnie oder zum Cinderella-Schloss, das irgendwie aussehen soll wie das bayerische Neuschwanstein. Seit dem Massenmord in der Schwulen- und Lesbendisko Pulse steht Orlando in einem ganz anderen Licht und für die schwierige Frage, was für eine Nation die USA sein wollen. Wer gehört wirklich zu den angeblich Vereinigten Staaten von Amerika? Wie geht man damit um, dass der beim Attentat getötete Mörder ein US-Bürger mit afghanischen Wurzeln war und sich mit einem Telefonanruf zum Islamischen Staat (IS) bekannt hat?

Es ernüchtert: Das Leiden in Orlando und das vermeintlich gemeinsame Mitleiden haben die Menschen nicht zusammengebracht, eher bestehende Gräben noch vertieft. Bei den Reaktionen auf das Schießen und Sterben im Pulse kollidieren mehrere Dauerstreitthemen auf einmal: sogenannter islamistischer Terrorismus, der Islam selbst, Einwanderungsverbote, Schusswaffengewalt – und LGBT-Akzeptanz. Denn der Angriff hatte nicht irgendein Ziel und war kein Anschlag auf „alle“. Der Täter ermordete gezielt Homosexuelle. Es fällt manchmal unter den Tisch bei den Gedenkminuten, dass deren Rechte trotz der Zulassung von Homo-Ehen im Juni 2015 häufig in Frage gestellt werden von vielen im konservativen Amerika, zumeist im Namen der Religion.

Schwer einzuordnen, was gerade geschieht in den USA, ob die in Orlando erweckte Furcht Menschen zum autoritären Denken führt und zu Donald Trump. Der Präsidentschaftskandidat, de facto Chef der politischen Opposition, hat während der Vorwahlen bei seinem Anhang gepunktet als starker Mann, der sich nicht um politische Korrektheit kümmert. Er gratulierte sich selbst bei seinem ersten Twitter-Auswurf zum Massaker, im Recht gewesen zu sein mit seinen Warnungen vor „islamischem Terrorismus“.

Danach forderte er wieder ein Einwanderungsverbot, diesmal für Menschen „aus Ländern, die Verbindungen haben zum islamischen Terror“, und beklagte, Muslime im kalifornischen San Bernardino hätten von dem dortigen Anschlag im Dezember etwas gewusst, die Täter aber nicht bei der Polizei gemeldet. Als die Washington Post Trump kritisierte, entzog dieser der „unehrlichen und verlogenen Zeitung“ die Akkreditierung für seine Wahlmeetings.

Neue Qualität der Hetze

Polarisierung und Anfeindungen gab es schon früher in den USA; im Kalten Krieg wurden Kritiker nicht eben feinfühlig als „Sowjetfreunde“ denunziert, gewalttätiger weißer Hass widersetzte sich der Bürgerrechtsbewegung. Aber Trumps Hetze ist von neuer Qualität, so dass der Begriff Rechtspopulismus kaum mehr reicht. Er lügt, schürt Ängste und primitiven Hass, suggeriert einfache Lösungen für komplexe Probleme. Lösungen, die den starken Mann brauchen und keine Demokratie.

Für Trump steht selbst der Präsident unter Verdacht. Er mutmaßte im Sender Fox: „Wir werden von einem Mann angeführt, der entweder nicht hart ist, nicht intelligent oder etwas anderes vorhat.“ Solche Äußerungen sind unsäglich und waren bisher unvorstellbar. Schlimmer noch: In der Republikanischen Partei wird ihm nicht widersprochen, maßgebliche Politiker halten fest an ihrem Kandidaten. Bei vielen Leute an der Basis der Partei, die jedes Mal begeistert klatschen, wenn Trump über seinem Plan von einer Mauer an der Grenze zu Mexiko redet, kommt er an. Newt Gingrich, einst Sprecher des Repräsentantenhauses und 2012 Präsidentschaftsbewerber, schlug vor, der Kongress solle wieder ein „Komitee für unamerikanische Aktivitäten“ einrichten.

Es gibt keine einfachen Lösungen, mit der man den Terror im eigenen Land bekämpfen kann, erst recht keine umfassenden. Eine Zeugin berichtete, der Täter von Orlando habe bei seinem Anruf gesagt, er wolle, „dass die Amerikaner aufhören, sein Land zu bombardieren“. Präsident Barack Obama sprach mehrere Tage nach dem Anschlag von militärischen Fortschritten gegen den IS und räumte sogar ein, dass „zusätzliches US-Personal, einschließlich besonderer Eingreifverbände“ in Syrien kämpfen würden. Doch es sei „sehr schwierig, Einzelkämpfer oder kleine Terroristenzellen“ aufzuspüren.

Edward Henson, früher Polizist in New York City, ist der Inhaber des Waffengeschäfts in Port St. Lucie, etwa 150 Kilometer südlich von Orlando, in dem der Todesschütze zwei der Mordwaffen gekauft hat. Henson trat kurz nach dem Attentat vor die Kameras. „Wir waren zufällig der Laden, den er sich ausgesucht hat. Es ist schrecklich. Es tut mir nur leid. Ich wünschte, er hätte keinen Laden ausgesucht.“ Doch alles sei mit rechten Dingen zugegangen, alle gesetzlichen Vorschriften seien bei dem Verkauf eingehalten worden.

Für potenzielle Einzelkämpfer des Islamischen Staates sind die USA ein ideales Aktionsfeld. Wo sonst können sie sich so leicht Waffen beschaffen. In der Debatte um strengere Gesetze für Schusswaffen hat sich trotz Orlando nichts bewegt. Bei der Präsidentenwahl am 8. November wird sich zeigen, welches Land die Mehrheit will.

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