No Electrifying Speech – Hillary Clinton Makes America Yawn

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Keine Ruckrede – Amerika gähnt über Hillary Clinton

Die erste weibliche Kandidatin in der Geschichte der US-Präsidentschaftswahlen schafft es mit ihrer Kühle nicht, die Jugend zu erreichen. Die ist links und träumt gerne.

Ja, es ist historisch. Ja, Hillary Clinton hat gerade als erste Frau die Nominierung durch eine der beiden großen Parteien der USA für das Präsidentenamt angenommen. Ja, ihre “acceptance speech” am Donnerstag kam gut an.

Und, nein, man hat nicht den Eindruck, dass deswegen von der National Convention der Demokraten in Philadelphia ein Ruck ausgeht, der Amerika erfasst. Geschichte wird geschrieben, die Delegierten feiern ihre Kandidatin, und die Nation findet’s zum Gähnen.

Dass Hillary Clinton nicht beliebt ist, hat sich herumgesprochen. Daneben zieht sie mit zwei weiteren schweren Bürden in die heiße Phase des Wahlkampfes. Zum einen muss die Frau, will sie erste Präsidentin der USA werden, um die jungen Wähler kämpfen.

Amerikaner unter 30 sind mehrheitlich links und tendieren zu den Demokraten. 2008 hatten sie entscheidenden Anteil am Sieg Barack Obamas. In diesem Jahr jedoch scheinen die Jungen nicht unbedingt entschlossen, am 8. November überhaupt zu votieren.

“Stronger together” – das ist nicht griffig genug

Das andere Problem: Clinton hat zwar ein Wahlprogramm, doch dem fehlt die einprägsame Überschrift. Obama 2008, das war der einigermaßen luftblasige, aber gleichwohl attraktive Slogan “Change we believe in”. Ihre Rede am Donnerstag bildete sie um die Botschaft “Stronger together”.

Das klingt schön, ist aber weniger griffig als das “Make America great again” des Rivalen Donald Trump. Unter dem Versprechen, Amerika wieder groß zu machen, stellt sich jeder etwas vor: der Arbeiter neue Fabriken und Jobs, der Mittelständler besser ausgestattete Schulen für die Kinder, der Soldat klare sicherheitspolitische Prämissen.

Clintons “Gemeinsam sind wir stärker”-Appell erzählt keine eindeutigen Geschichten. Wer mit wem zusammen? Demokraten mit Republikanern? Viel Spaß im Kongress! Amerikaner mit (illegalen) Zuwanderern? Trump würde es den Demokraten um die Ohren prügeln. Black-Lives-Matter-Aktivisten mit weißen Polizisten?

Die Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze und von tödlichen Schüssen auf Cops sind zu frisch für derartige Utopien. “Love trumps hate” ist ein nettes Wortspiel von Clintons Wahlkampf. Doch “Liebe übertrumpft Hass” erinnert weniger an führungsstarkes Regieren als an Lichterkette und “Kumbaya”.

Sanders’ Motto ist verbrannt

“Feel the Bern”, der Slogan ihres internen Widersachers, war suggestiv durch seinen Verzicht auf Präzision. Junge Anhänger von Bernie Sanders ließ es an Revolution, Barrikadenkämpfe, im Zweifel brennende Wall-Street-Banken denken. Jetzt, da Sanders eingelenkt hat, ist sein Motto verbrannt.

Hillary Clinton setzt auf Verstand statt auf Emotion – anders als Sanders mit seinem unverantwortlichen Wünsch-dir-was-Programm und in klarem Gegensatz vor allem zu Trumps Ressentiments. Clinton macht einen “Feel the brain”-Wahlkampf, zu dem ihr der Titel fehlt.

Zurück zu Clintons Problem bei der jungen Zielgruppe. Obama gewann 2008 nicht nur wegen der starken Wahlbeteiligung der (ohnehin demokratenaffinen) Afroamerikaner, sondern auch dank der Erstwähler. Von ihnen gingen 44,3 Prozent zur Wahl, nachdem es vier Jahre zuvor lediglich 41,9 Prozent waren.

2012 votierten nur noch 38 Prozent der Jungen. Dass Obama seinen republikanischen Herausforderer Mitt Romney in jenem Jahr schlagen konnte, hatte er nicht mehr den Jungwählern, sondern neben den ethnischen Minderheiten vor allem unverheirateten Frauen zu verdanken.

Clinton bleibt auf Sanders angewiesen

Clinton muss nicht nur die Wahlbeteiligung der Jungen wieder nach oben treiben, sondern gar um die Mehrheit der Stimmen der 18- bis 29-Jährigen kämpfen. Bei ihnen hat sie einen Beliebtheitsgrad von miserablen 31 Prozent. Zum Vergleich: Obama wird von 64 Prozent in dieser Altersgruppe positiv bewertet.

Das hat zu tun mit dem mangelnden Vertrauen in die Kandidatin und noch mehr mit der Verehrung der Jungen für den “demokratischen Sozialisten” Sanders. In Philadelphia hat der Senator seine Kriegssichel begraben und sich hinter Clinton gestellt. Aber eine einzelne Endorsement-Rede kann nicht die vorangegangenen Dauerattacken aus der Welt schaffen.

Die Kandidatin bleibt auf Sanders angewiesen. Er muss noch oft und beschwörend auf seine “Sanderistas” einreden. Und Clinton, die eigentlich eine Politikerin der Mitte ist, muss dafür einen politischen Preis zahlen und linke Inhalte predigen, die ihr, der Republikanerin aus Teenager-Jahren und heutigen Mitte-Politikerin, keineswegs geheuer sind.

Bleibt das Problem des mangelnden Vertrauens der Amerikaner in Clinton. Sie hat ihr Image selbst beschädigt. Im September 2012 betrieb sie Desinformation, als sie den Tod von vier Amerikanern, darunter dem Botschafter, im libyschen Bengasi durch spontane Gewalt infolge eines antimuslimischen Videos erklären ließ, anstatt frühzeitig einzuräumen, dass es sich um einen geplanten Terrorangriff handelte.

Transparenz nur, wenn sie unvermeidbar ist

Diese Unehrlichkeit auch gegenüber den Opferfamilien schadete ihr noch mehr als die vorschriftswidrige Nutzung eines privaten E-Mail-Accounts während ihrer Zeit als Außenministerin.

Sie tat das, weil sie nicht wollte, dass ihre Korrespondenz auf den behördlichen Servern landete. Und das bestätigt ihr grundsätzliches Image als Trickserin oberhalb der Regeln, die Transparenz nur zulässt, wo sie unvermeidbar ist.

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