A Little Carrot and a Lot of Stick

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Ein bisschen Zuckerbrot und viel Peitsche

Erst besucht Donald Trump den mexikanischen Präsidenten, dann hält er eine mit Spannung erwartete Rede zur Einwanderungspolitik. Es gibt ein paar moderate und viele schrille Töne. Und am Ende des Tages steht wieder einmal Trumps Glaubwürdigkeit in Frage.

Wenn es bei der Wahl im November darum gehen würde, über welchen Präsidentschaftskandidaten in den amerikanischen Medien am meisten diskutiert wird, Donald Trump wäre der Sieg wohl schon jetzt nicht mehr zu nehmen. Dass er ausgerechnet wenige Stunden vor seiner groß angekündigten und zuletzt immer wieder verschobenen Rede zum Thema Einwanderung die Einladung des mexikanischen Staatschefs Enrique Peña Nieto annahm, war natürlich kein Zufall. Vielmehr dürfte es Trumps Ziel gewesen sein, einmal mehr die mediale Berichterstattungsagenda eines Tages vollständig zu dominieren. Ziel erreicht.

Trumps Kurzbesuch in Mexiko sei ein erstaunlicher PR-Coup, sagen selbst Kommentatoren, die dem republikanischen Kandidaten nicht wohlgesonnen sind. Die Tatsache, dass ihn der Präsident des Landes, dessen Einwohner Trump noch zu Beginn seines Wahlkampfs als Verbrecher und Vergewaltiger verunglimpft hatte und dessen Unternehmen und Regierung er seitdem für viele Probleme in den Vereinigten Staaten verantwortlich macht, überhaupt eingeladen hat, zeigt, dass Trump es weit gebracht hat. Noch vor wenigen Monaten verglich Peña Nieto Trump wegen dessen fremdenfeindlicher Äußerungen mit den Diktatoren Mussolini und Hitler, jetzt schüttelt er ihm die Hand.

Wer soll die ominöse Mauer bezahlen?

Trump seinerseits nennt Peña Nieto inzwischen „einen Freund“ und Mexikaner „ehrliche Leute“, die „jedermanns Respekt verdienen“. Im Gespräch seien viele wichtige Punkte offen und schonungslos angesprochen worden, so Trump in der anschließenden Pressekonferenz. Seine zentrale Wahlkampf-Forderung, dass Mexiko für den Bau der von ihm geplanten mehr als 3000 Kilometer langen Mauer entlang der gemeinsamen Grenze bezahlen werde, sei allerdings kein Diskussionsthema gewesen. „Das kommt zu einem späteren Zeitpunkt.“ Peña Nieto widerspricht einige Stunden später via Twitter entschieden. Die Finanzierung der Mauer sei sehr wohl Thema gewesen. Gleich zu Anfang der Unterredung hätte er Trump klargemacht, dass Mexiko niemals das Bauprojekt bezahlen werde.

Wer auch immer Recht hat: Es fällt auf, dass sich Trump auf seiner Auslandsreise erstaunlich zahm gibt. „Feige“ nennen ihn Kritiker, „diplomatisch“ und „präsidial“ seine Unterstützer. Eine Grenzsicherung liege doch im Interesse beider Staaten, erklärt Trump. Das Freihandelsabkommen NAFTA, das er bisher immer ein „Desaster“ genannt hat, ist für ihn auf einmal nur noch ein Vertrag, der „Mexiko mehr nütze als den Vereinigten Staaten“ und daher überarbeitet werden müsse. Trump inszeniert sich sogar als gerechter Vorkämpfer der gesamten westlichen Hemisphäre, deren Staaten gegen die wirtschaftliche Konkurrenz aus China und anderen Teilen der Welt zusammenstehen müssten. Gleich mehrmals benutzt er das Wort Hemisphäre, so dass der bekannte mexikanische Journalist Enrique Acevedo spottet, „Make our hemisphere great again“ könnte ja eigentlich das neue Motto der Trump-Kampagne werden.

180-Grad-Drehung binnen weniger Stunden

Als Trump nach seiner Visite in Mexiko am Abend in Phoenix im amerikanischen Bundesstaat Arizona seine mit Spannung erwartete Rede zur nationalen Einwanderungspolitik hält, ist von den grenzüberschreitenden Interessen der Hemisphäre keine Rede mehr. „USA, USA, USA“, ruft die Menge und Trump applaudiert seinen Fans. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass der Politiker-Neuling berühmt-berüchtigt dafür ist, sich nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich gerne seinem jeweiligen Publikum anzupassen, muss man sich nur seine beiden Auftritte an diesem 31. August anschauen. Angesichts von so viel Flexibilität fragen sich viele Amerikaner mehr denn je, wofür Trump denn jetzt eigentlich genau steht – auch und gerade bei seinem Lieblingsthema, der Bekämpfung illegaler Einwanderung.

In Phoenix, so hatte das Trump-Lager nach den vielen Äußerungen der vergangenen Wochen und Monaten versprochen, in denen sich der Kandidat immer wieder auch selbst widersprochen hatte, werde Trump die zentralen Positionen seiner möglichen Präsidentschaft detailliert darlegen. Diesem Versprechen allerdings wird er nur teilweise gerecht. Zwar verkündet Trump, dass er mit Hilfe eines Zehn-Punkte-Plans illegale Einwanderung komplett beenden werde. Doch viele der Punkte wiederholen sich oder sind so schwammig formuliert, dass am Ende zwar einige Fragen beantwortet werden, aber weitaus mehr offen bleiben.

Die Grenzmauer? Werde selbstverständlich gebaut und „hundertprozentig“ von Mexiko finanziert. „Sie wissen es noch nicht, aber sie werden bezahlen.“ Flüchtlinge aus Syrien? Sollen draußen bleiben. „Wir wissen nicht, wer diese Menschen sind.“ Kriminelle Ausländer, die illegal im Land leben? Sollen schnellstmöglich deportiert werden. „An meinem ersten Tag im Amt werden diese Leute weg sein.“ Was allerdings genau mit den anderen geschätzten zehneinhalb Millionen illegal Eingereisten passieren soll, die sich bis auf ihren rechtswidrigen Grenzübertritt keine weiteren Straftaten zu Schulden haben kommen lassen und in den Vereinigten Staaten ein ganz normales Leben führen, lässt der Präsidentschaftskandidat offen. Unter keinen Umständen, so Trump, sollten diese Menschen einen legalen Aufenthaltsstatus oder gar eine Staatsbürgerschaft erhalten. Ob er sie allerdings alle aufgespürt und abgeschoben sehen will, wie bereits im Wahlkampf versprochen, darüber spricht Trump dieses Mal nicht.

Gewohnt aggressive Rede

Aber selbst wenn er in diesem einen Punkt vielleicht ein wenig moderater geworden zu sein scheint, ist es alles in allem eine sehr aggressive Rede, die Trump in Phoenix hält. „Eine Migrationsreform hätte einzig und allein das Ziel, das Leben von Amerikanern zu verbessern“, so der 70-Jährige. Ob man nicht gleich auch seine demokratische Rivalin Hillary Clinton deportieren könne, ruft er zudem zur Freude seiner grölenden Anhänger. Sie und Amtsinhaber Obama seien schließlich dafür verantwortlich, dass so viele kriminelle Ausländer in den Vereinigten Staaten ihr Unwesen treiben könnten. Zum Ende seiner Rede holt Trump sogar Menschen auf die Bühne, die Familienmitglieder durch Straftaten verloren haben, die illegal im Land lebende Nicht-Amerikaner verübt haben sollen.

„Nationalismus auf Steroiden“, nennt Trump-Kritiker Bakari Sellers diesen schrillen Auftritt in Phoenix, der so gar nicht zum ruhigen und gemäßigten Ton passen will, den Trump noch am Mittag in Mexiko-Stadt an den Tag legte. Nicht zum ersten Mal hatten Beobachter danach die Vermutung geäußert, Trump wolle zum Ende seines Wahlkampfs wohl mit leisen und vorsichtigeren Positionen um die Gunst der unentschiedenen Wähler in der politischen Mitte werben – weit gefehlt, wie der Abend zeigt.Ob es besonders glaubwürdig ist, dass Trump mal das eine, mal das andere Gesicht auflegt, wird noch bis spät in die Nacht in den Diskussionsrunden vieler amerikanischer Medien diskutiert. Ebenso wie die Frage, ob Trump in Bezug auf den Inhalt des Gesprächs mit Mexikos Präsidenten die Wahrheit gesagt hat.

Eines aber, so viel steht fest, hat der selbst erklärte Mauerbauer in jedem Fall wieder erreicht: Er bleibt im Gespräch.

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