What’s in Store for Germany at the Hands of Trump

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Ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft lässt sich nur aufhalten, wenn Merkel, deren CDU und die anderen etablierten Parteien Lehren aus Trumps Wahlsieg ziehen.

So einzigartig die Wahl eines Wutbürgers wie Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ist, so einzigartig sind die Reaktionen. Dazu gehörte der Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ihm pflichtschuldig eine enge Zusammenarbeit angeboten hat – aber unter Bedingungen. Sie nannte die Achtung von Demokratie, der Herrschaft des Rechts und der Menschenwürde, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht und sexueller Orientierung. Es klingt, als erinnere sie den Präsidenten der USA an die Verfassung der USA.

So etwas hat es noch nie gegeben im Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik, die nach dem Krieg erst einmal amerikanischen Demokratieunterricht erhalten musste und sich dann von einem abhängigen zu einem immer selbstbewussteren, engen Bündnispartner entwickelt hat. Und nun stellt die Kanzlerin Bedingungen für die weitere Zusammenarbeit.

Putin, Erdogan, Orban… und nun Trump

Daraus lässt sich ablesen, in welche Richtung ihre Befürchtungen gehen. Sie kennt sich aus im Umgang mit Präsidenten, die sich auch auf demokratische Verfassungen berufen können, aber eine ganz andere Politik verfolgen. Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan, Viktor Orban, sind solche Männer. Und nun also Donald Trump. Da kann es nicht schaden, ihn gleich einmal an die Grundsätze der bisherigen Zusammenarbeit zu erinnern, die nicht weniger sind als die Grundlagen dessen, was wir als westliche Wertegemeinschaft bezeichnen.

Niemand weiß im Moment, in welche Richtung Donald Trump als Präsident gehen, mit welchen Beratern er sich umgeben wird. Es gibt darüber in Europa zwei verbreitete Auffassungen: Die einen sagen, es wird schon nicht so schlimm kommen. Wir hätten einen rücksichtslosen Wahlkämpfer erlebt, der Präsident Trump aber werde ein anderer sein, den der Respekt vor dem Amt und seinen komplexen Herausforderungen schon Demut lehren und zur Anerkennung der internationalen Verpflichtungen der USA führen werde.

Die anderen zeichnen ein apokalyptisches Bild. Wenn die Wut zur Kategorie internationaler Beziehungen werde, wenn Trump, Putin und Erdogan gemeinsame Sache machten, wenn die Franzosen im kommenden Jahr eine Rechtspopulistin zur Präsidentin wählten, dann laufe alles hinaus auf den Zusammenbruch der überwiegend friedlichen Nachkriegsordnung der westlichen Welt, wie wir sie kennen.

Wahrscheinlich stimmt weder die eine noch die andere Prognose. Man muss befürchten, dass Trumps Aggressivität und seine Lust am Regelbruch nicht nur Wahlkampftaktik war. Warum sollte er nach diesem Erfolg im Weißen Haus ein anderer werden? Andererseits ist es meist ein Fehler, aus einem überraschend eingetretenen Extremfall wie diesem Wahlergebnis gleich einen Epochenwandel abzuleiten.

Mehr Rüstungsausgaben, mehr Bundeswehreinsätze

Vieles spricht dafür, dass dies auch die Sicht Angela Merkels ist. Ihre Erklärung zur Wahl Donald Trumps zeigt, dass sie sich der auf sie zukommenden Verantwortung bewusst ist. In Zeiten so großer politischer Unsicherheiten wirkt Deutschland aus internationaler Sicht wie eine Insel der Stabilität und seine Kanzlerin als Garant für Verlässlichkeit, Seriosität und demokratischer Werte. Sie ist inzwischen die bei weitem erfahrenste Regierungschefin der großen Industrieländer. Es liegt auf der Hand, dass mit dem absehbaren Ausfall der USA als berechenbarer Führungsmacht nun sie mit der Erwartung konfrontiert sein wird, eine noch stärkere Führungsrolle einzunehmen – im Zweifel auch gegen die neue Regierung in Washington. Wie das geht, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seinem Nein zum Irak-Krieg von George W. Bush gezeigt.

Da trifft es sich auch, dass Bundespräsident und Bundesregierung schon auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2015 erklärt haben, Deutschland wolle und könne mehr internationale Verantwortung übernehmen. Dieses Versprechen wird nun einzulösen zu sein. Das heißt aber, dass die Kanzlerin den Bürgern erklären muss, was diese Politik größerer internationaler Verantwortung bedeutet – unter anderem womöglich mehr Rüstungsausgaben für den Aufbau europäischer Militärstrukturen und noch mehr Bundeswehreinsätze in Krisenregionen.

Das sind in einem Wahljahr keine besonders attraktiven Aussichten, zumal angesichts einer Alternative für Deutschland, die für Abschottung und den Rückzug Deutschlands auf nationale Interessen trommelt.

Das kann wohl überhaupt nur gelingen, wenn Merkel, deren CDU und die anderen etablierten Parteien gleichzeitig Lehren aus der USA-Wahl ziehen. Es geht um glaubwürdige Antworten auf die Frage, wie die Spaltung der Gesellschaft in Gewinner, denen es so gut geht wie nie zuvor, und viele andere, die sich perspektivlos fühlen, zu überwinden ist. Denn dies ist kein allein amerikanisches Phänomen, sondern eines der ganzen westlichen Welt und ihrer liberalen Eliten. Und das wäre auch ein sehr interessantes, ein sehr relevantes Wahlkampfthema.

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