When They Meet, the World Will Hold Its Breath

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Wenn sie sich treffen, hält die Welt den Atem an

Nicht nur der neue US-Präsident muss sich Gedanken machen, was Putin mit seinem Reich will. Auch Europa erinnert sich an Zeiten, als Russland die Geschicke des Kontinents leitete. Alles ist möglich.

Russland hat ein Imperium verloren und noch keine neue Gestalt gefunden, nicht im Innern, nicht nach außen. Was also will Wladimir Putin? Eher früher als später wird auch der künftige Herr des Weißen Hauses Donald Trump sich dieser Frage stellen müssen, und noch mehr ihren Konsequenzen.

Das wird nicht einfach. Denn es ist leichter herauszufinden, was Putin nicht will, als was er will. Er ist Erbe einer vieldeutigen Geschichte zwischen Europa und Asien, zwischen Knute und Aufklärung.

Zuerst und vor allem ist er ein Traditionalist: Auftreten und Dekorum im Kreml verraten es. Ein Kommunist alten Schlages ist er nicht. Er kritisiert an den Erben Lenins und Stalins, dass sie Russland ruinierten. Dass die Sowjetunion bei aller Größe kein Erfolgsmodell war, ist ihm schmerzhaft bewusst.

Aus den Arsenalen der sowjetischen Geheimpolizei und ihren Vorgänger indes hat er einiges übernommen, die Idee der „Vertikale der Macht“ zum Beispiel oder die Ansicht, ein Staat müsse funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk: Tragisch fast in einem Riesenland, wo noch immer der Satz gilt: Der Himmel ist hoch und der Zar ist weit.

Zum Erbe der Vergangenheit gehört deshalb auch die Überzeugung, dass Russland nur durch die harte Hand zusammenzuhalten und der Geheimdienst der Staat sei.

Russland und der „Fluch des Öls“

Worauf also wird die neue Administration in Washington sich einstellen müssen? Jedenfalls nicht auf die Wiederholung des Sowjetmodells: „Obervolta mit Raketen“, wie Helmut Schmidt einmal, auf Besuch in Moskau, mit der ihm eigenen Deutlichkeit sagte.

Allerdings auch nicht auf Schwäche, Niedergang und Zerfall, ähnlich wie vor drei Jahrzehnten, als der Ölpreis stürzte, das Imperium unter Überdehnung litt und das Sowjetsystem ins Chaos glitt.

Russland bleibt Petrostaat und Rohstofflieferant. Das schließt den „Fluch des Öls“ ein: Einkommen ohne Anstrengung, Reichtum ohne Modernisierung, Stagnation ohne selbsttragendes Wachstum, Innovation allenfalls als Nebenprodukt des mächtigen militärisch-industriellen Komplexes.

Was bleibt aber, wenn die seit dem Roten Oktober vergangenen hundert Jahre vorwiegend als Abfolge von Desastern erscheinen? Dann bleibt nur die Zarenzeit in allen ihren Widersprüchen: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht zufällig.

Russland war fast schon der Herr Europas

Katharina die Große beklagte bereits die Ungunst der Geografie und leitete daraus das Recht auf immerwährende Ausdehnung ab, sie könne mangels natürlicher Grenzen ihr Land nur sichern durch immer neue vorgelagerte Provinzen.

Ihr Attribut der historischen Größe verdankte sie im Übrigen der Eroberung und Inbesitznahme der Halbinsel Krim durch den Fürsten Potemkin, der ihr nicht nur als Feldherr diente. Wer aber erst einmal die Krim besaß, der blickte auf das östliche Mittelmeer, heute zum Beispiel auf Syrien, die untere Donau und, zuerst und vor allem, die Dardanellen.

Vier Jahrzehnte nach der Krim-Acquisition, als Napoleons Armeen geschlagen waren und der Wiener Kongress die Landkarten neu zeichnete, war Russland, hätte es nicht die Royal Navy gegeben, fast schon Herr Europas. Zar Alexander I. wusste, dass ohne Russlands Massenheere Napoleon diktiert hätte, und die europäischen Mittelmächte wussten es auch.

Die Bedeutung der Schlacht von Waterloo 1815 liegt auch darin, dass es Briten und Preußen gelang, ohne Eingreifen der Russen Kriegswende und Kriegsende zu erkämpfen.

Ein Interventionsrecht über Mitteleuropa

Es blieb indes das Problem, die wilden Gesellen aus dem Osten wieder herauszukomplimentieren und nach 25 Jahren Krieg und Revolution dauerhaft Gleichgewicht zu schaffen. „Unsere Befreiungsbestien“ nannten die Berliner die Russen.

Die Antwort fand sich, indem die Großmächte den russischen Bataillonen die polnische Gans zur Wegzehrung gen Osten einpackten: Das bedeutete neuerliche Teilung Polens, der Löwenanteil für Russland, die westlichen Provinzen für Preußen und Österreich.

Zur Absicherung der neuen Lage verlangte – und bekam – Russland in Gestalt der Heiligen Allianz mit Österreich und Preußen ein Interventionsrecht über Mitteleuropa. Als 1848 Habsburg wankte und Ungarn rebellierte, marschierten die Russen.

Sie mobilisierten auch, als Preußen vorübergehend so tat, als wolle Berlin die deutsche Einheit. Russland war Ordnungsmacht Europas. Man lebte, in der Sprache der Zeit, „sous l’oeil des Russes“.

Dann aber setzte der Zar die Türkenkriege fort, begann in Zentralasien das „Great Game“ gegen die Briten und wollte neben den Dardanellen auch die Christen im Osmanischen Reich: Schutzbefohlene Russlands und Vortrupp südlicher Ausdehnung der russisch-orthodoxen Macht.

Großbritannien in der Allianz mit Frankreich und Savoyen landete Truppen auf der Krim. Der Kriegshafen Sewastopol fiel. Die militärische Katastrophe wirkte auch nach innen. Das Zarentum wankte, aus Bauern wurden Menschen. Eine Saat des Zweifels, der Reformen und der Gewalt war gesät.

Die „Urkatastrophe unseres Jahrhunderts“

Zu den langen Linien russischer Politik gehören die defensive Offensive, die kulturelle Ausdehnung und die Doppelgleisigkeit der Außen- und Sicherheitspolitik: neben der amtlich-seriösen die unseriös-zersetzende, die damals wie heute viele Gesichter zeigt, auch in der digitalen Welt.

Das halbrevolutionäre neue Element war seit der Niederlage auf der Krim die Verlagerung von der alten Orthodoxie auf den neuen Nationalismus in Gestalt des Panslawismus. „Drittes Rom“ sollte Russland den Seinen und der Welt sein.

Im nächsten Türkenkrieg zielten die zarischen Generale auf den Zugang zum Schwarzen Meer, Groß-Bulgarien und den West-Balkan. Dagegen stand, Schutzmacht des europäischen Gleichgewichts, die britische Seemacht. Es drohte Krieg zwischen Russland und dem Westen.

Bismarck zögerte lange, bevor er Vermittlung anbot: „Ehrlicher Makler“, um den Frieden zu retten. Die Briten haben es ihm schlecht gedankt, und die Russen nahmen übel, dass ihre Grand Strategy Richtung Mittelmeer scheiterte. „Wenn der Schlüssel zu den Dardanellen in Berlin liegt, so werden wir ihn dort holen.“ Frankreich wurde zum Helfer.

Zwei Weltkriege später hat der amerikanische Diplomat und Historiker George F. Kennan eine Art Nachruf auf das Bismarcksche Bündnissystem verfasst. „Urkatastrophe unseres Jahrhunderts“ nannte er in einem berühmten Wort, was 1878 im östlichen Mittelmeer begann, Entgrenzung der Staaten, Zerstörung des Gleichgewichts, Kriege und Revolutionen.

Wenn Donald Trump demnächst auf Wladimir Putin trifft, werden die zwei mächtigsten Männer der Welt eine Agenda für Krieg und Frieden vor sich haben, und die Welt wird den Atem anhalten.

Geschichte ist nicht verloren, manchmal wiederholt sie sich, jedenfalls in ihren Grundstrukturen. Die allerdings können verborgene Wahrheiten offenbaren, Gefahren markieren und vor Hybris warnen.

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