Nach dem Wahlsieg Emmanuel Macrons in Frankreich werden Europas Aktienmärkte für Anleger wieder attraktiv. Für sie hat der Kontinent aber auch noch einen entscheidenden Vorteil gegenüber den USA.
Welch ein Unterschied. 20. Januar: Donald Trump setzt in seiner Rede zum Amtsantritt seine populistischen Tiraden fort, geprägt vom nationalistischen „America First“ und von der Konfrontation mit seinen Gegnern. 7. Mai: Emmanuel Macron tritt nach seinem Wahlsieg mit der Europahymne vor sein Volk und geht auch auf jene zu, die gegen ihn stimmten. Zwei Szenen, die gegensätzlicher nicht sein könnten, die aber auch symbolisch dafür stehen, wohin Europa und die USA gehen.
Und daraus ziehen nun auch zunehmend die Investoren ihre Konsequenzen. Denn bislang waren Europas Finanzmärkte bei ihnen höchst unbeliebt: Der Kontinent schien von Krise zu Krise zu wandern, die Wirtschaft stagnierte vielerorts, und die Unternehmensgewinne – das wichtigste Kriterium für Börsenanleger – blieben weit hinter jenen der US-Konkurrenten zurück. Doch genau das ändert sich jetzt, verstärkt durch den Wahlsieg Macrons in Frankreich. „Europäische Aktien sind – Frankreich sei Dank – wieder eine gute Wahl“, sagt Björn Jesch, Leiter des Portfoliomanagements bei Union Investment.
Schon in den vergangenen Wochen war dieser Trend zu beobachten. Etwa seit März, seit der Wahl in den Niederlanden, bei der die Rechtspopulisten schwächer abschnitten als befürchtet, entwickelte sich der EuroStoxx-50-Index besser als sein amerikanisches Pendant, der S&P 500. Dieser Trend verstärkte sich noch einmal deutlich nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich, als sich schon abzeichnete, dass Emmanuel Macron das Rennen machen würde.
Der Grund dafür war, dass die politischen Risiken bisher wie ein Damoklesschwert über der Zukunft der Europäischen Union hingen. Das ließ internationale Investoren davor zurückschrecken, ihr Geld hier anzulegen. Nun verflüchtigt sich diese Angst, und gleichzeitig werden die Anleger in Bezug auf die USA vorsichtiger. „Die Märkte zögern im Moment, weil sie Zweifel haben, ob die Trump-Regierung die versprochenen Reformen tatsächlich durchführen kann“, sagt Philippe Uzan, Chefanlagestratege bei Edmond de Rothschild Asset Management. „Wir sehen diese Phase als eine echte Gelegenheit für die Euro-Zone, sich gut zu entwickeln.“
Schwächere Gewinndynamik in den USA
Denn gleichzeitig mit einer Wende bei den politischen Risiken deutet sich auch ein Trendwechsel bei den Unternehmensgewinnen an. Dies ist mindestens genauso wichtig für die Anleger, denn in diesem Punkt war der Rückstand der europäischen Konzerne zuletzt eklatant. „Die Gewinnschere war noch nie so groß wie in den vergangenen Jahren“, sagt Timo Schwietering vom Bankhaus Metzler.
Er hat auch analysiert, woran das lag. Demnach geht rund ein Fünftel des Rückstandes darauf zurück, dass die operativen Margen der US-Konzerne größer sind. Ein weiteres Sechstel ist aber auch darin begründet, dass die US-Firmen massiv eigene Aktien zurückkauften. Dadurch verringerte sich die Zahl ihrer Aktien, und dadurch erhöhte sich rein optisch der Gewinn je Aktie.
Möglich war dies aufgrund der niedrigen Zinsen. Viele US-Firmen nahmen billig Kredite auf und nutzten das Geld für solche Finanzkosmetik. Zählt man Dividenden und Aktienrückkäufe, die ja letztlich auch den Anteilseignern zugutekommen, zusammen, so zahlten viele amerikanische Unternehmen in den vergangenen Jahren sogar mehr aus, als sie verdienten. „Doch da jetzt das Zinsumfeld dreht, wird sich dies ändern“, sagt Schwietering. Damit schwächt sich die Gewinndynamik in den USA ab.
Gleichzeitig nimmt sie auf dieser Seite des Kontinents zu. „Dieses Jahr markiert den Wendepunkt in Europa“, sagt Britta Weidenbach, zuständig für europäische Aktien bei der Deutschen Asset Management. „Das Gewinnwachstum ist nach sechs schwachen Jahren zurückgekehrt, wir rechnen mit einem zweistelligen Ergebnisplus im Jahresvergleich.“ Die bisherigen Daten untermauern dies. Denn in den vergangenen Jahren wurden um diese Zeit schon stets die Gewinnprognosen nach unten revidiert, diesmal ist es umgekehrt.
„Das ist die große Story an den Märkten“
All dies trifft auf die Tatsache, dass europäische Aktien wesentlich günstiger bewertet sind als amerikanische. Daher rechnet auch Jochen Stanzl von CMC Markets in den kommenden Wochen mit einem Kapitalstrom aus den USA nach Europa. „Das ist die große Story an den Märkten, die sich aber nicht sofort heute, sondern eher über die kommenden Wochen in stetig weiter steigenden Kursen äußern könnte, wenn globale Fonds sukzessive in Euro-Aktien einsteigen.“
Schließlich könnte diesen Trend auch noch ein steigender Euro-Kurs unterstützen. Denn damit steigen die Gewinne außereuropäischer Investoren zusätzlich. Und auch für einen solchen Trend gibt es Hinweise, derzeit notiert der Euro auf dem höchsten Niveau seit Jahresanfang, übersprang in der Nacht zum Montag sogar in Asien wieder die Marke von 1,10 Dollar.
Das liegt einerseits an den positiven Nachrichten aus Europa, andererseits an einer zunehmend schlechten Stimmung in den USA. „In den USA entsteht der Eindruck, dass der Dollar derzeit allein von der Fed gestützt wird“, sagt Wolfgang Kiener, Währungsexperte bei der Bayern LB. Die für den Dollar wichtige Umsetzung der Pläne zur Senkung der Unternehmensteuern scheint fern in die Zukunft zu rücken, Trumps Ankündigungen hierzu werden von den Märkten kaum noch ernst genommen.“
Frankreich wird jetzt liefern müssen
Letzteres liege auch daran, dass die von den Republikanern ursprünglich vorgesehene Grenzanpassungssteuer („border adjustment tax“), die wie eine Art Zoll auf importierte Waren wirken würde und die die massive Reduzierung der Unternehmensteuer gegenfinanzieren sollte, nicht in Trumps offiziellem Steuerplan vorkommt. „Und umfangreiche Infrastrukturausgaben sind derzeit überhaupt nicht absehbar.“
Europa hätte nun also eine große Chance, das positive Momentum zu nutzen und sowohl wirtschaftlich als auch an den Börsen aufzutrumpfen und die USA abzuhängen. Damit dies gelingt, darf die EU sich jetzt aber nicht wieder in neue Konflikte und Krisen verwickeln. „Die Performance der Finanzmärkte wird auch davon abhängen, ob in Frankreich tatsächlich Reformen durchgeführt werden“, nennt Philippe Uzan als einen wichtigen Punkt. Die Uhr tickt ab sofort.
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