Laboredly Credible

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Bemüht glaubwürdig

Der nominierte FBI-Chef verspricht vor dem Senat, Einflussnahmen durch Donald Trump nicht zu akzeptieren. Bei Fragen zur Russland-Affäre weicht er jedoch aus.

Dass die Umstände, unter denen sich Christopher Wray um das Amt des FBI-Direktors bewirbt, außergewöhnlich sind, wurde am Mittwoch in Washington deutlich. Fragen wie die nach seiner Einstellung zu Folter, die wohl zu jeder anderen Zeit im Zentrum gestanden hätten, spielten nur eine Nebenrolle. Am Ende ging es in der vierstündigen Anhörung immer wieder um dasselbe große Thema: Kann Christopher Wray angesichts der Umstände garantieren, dass das FBI unter ihm als unabhängige Behörde arbeitet – frei vom Einfluss des Weißen Hauses? “Es ist nicht Ihre Aufgabe, sich in Washington politische Freunde zu machen”, brachte es John Kennedy, Senator aus Mississippi, auf den Punkt.

Der Druck auf den künftigen Chef der wohl wichtigsten Ermittlungsbehörde im Land könnte größer kaum sein, schließlich tritt er sein Amt unter schwierigen Vorzeichen an. Sein Vorgänger James Comey war von Donald Trump mitten in den Ermittlungen um eine Einflussnahme Russlands in die US-Wahlen und eine mögliche Zusammenarbeit des Trump-Teams mit der Regierung in Moskau im Mai gefeuert worden. Offiziell hielt als Grund zunächst Comeys angeblich unangemessener Umgang mit der E-Mail-Affäre um Hillary Clinton her. Doch in einem Fernsehinterview räumte Trump ein, auch die laufenden Ermittlungen im Hinterkopf gehabt zu haben.

Kurz darauf berichteten US-Medien, der Präsident habe Comey wiederholt dazu drängen wollen, ihm gegenüber seine Loyalität zu garantieren und Teilaspekte der Ermittlungen fallen zu lassen. Comey selbst bestätigte die Berichte in seiner Anhörung vor dem Senat. Seit die New York Times in den vergangenen Tagen neue Enthüllungen über ein Treffen zwischen dem ältesten Sohn des Präsidenten und russischen Vertretern veröffentlicht hat, sind die Fragen der vergangenen Monate noch einmal drängender geworden. “Amerika hört heute ganz genau hin”, mahnte der republikanische Senator Lindsey Graham.

Für Wray ging es deshalb nicht nur darum, die anwesenden Senatoren von seiner Integrität und Unabhängigkeit zu überzeugen. Er wandte sich mit seinem Auftritt vor dem Ausschuss auch an die amerikanische Öffentlichkeit und die Mitarbeiter des FBI, deren Moral seit Monaten schwer angeschlagen ist. Wray bemühte sich sichtlich, jegliche Zweifel an seiner eigenen Integrität auszuräumen. Sollte der Präsident ihn an irgendeiner Stelle darum bitten, ihm gegenüber loyal zu sein oder in irgendeiner Form Einfluss auf seine Arbeit nehmen wollen, versicherte Wray wiederholt, dann werde er die nötigen Konsequenzen ziehen. “Meine Loyalität gilt nur dem Gesetz und der Verfassung.” Als FBI-Direktor müsse man bereit sein, im Zweifel zurückzutreten, wenn dies nicht mehr gewährleistet sei.

Auf dem Papier spricht vieles für den Juristen aus New York. Der 50-Jährige mit einem Abschluss der Eliteuniversität Yale arbeitete zunächst als Anwalt, wechselte aber schon bald in den Staatsdienst. Als Staatsanwalt in Atlanta war er daran beteiligt, den trägen Behördenapparat nach den Anschlägen vom 11. September für die Gefahrenwelt des neuen Jahrtausends fit zu machen. 2003 schließlich wurde er von George W. Bush ins Justizministerium berufen und leitete dort für zwei Jahre die Strafverfolgungsabteilung, die sich mit Aktienbetrug, Geldwäsche und Versicherungsbetrug beschäftigt. Wray war verantwortlich für die Ermittlungen im Enron-Skandal, einem der größten Firmenskandale in der US-Geschichte, der zum Bankrott des Energiekonzerns und Gefängnisstrafen für mehrere Manager führte.

Angesichts dieser Bilanz hat Wray Unterstützer auf beiden Seiten des politischen Washingtons, das zeigte sich auch am Mittwoch. Zwar sprachen vor allem die Demokraten in den vier Stunden immer wieder die dunklen Kapitel des Justizapparates während der Bush-Jahre an, in denen auch Wray Teil der Behörde war – etwa die umstrittenen Foltermethoden, groß angelegte Abhöraktionen oder die Misshandlung von Gefangenen in Abu Ghraib. Doch es schien, als ginge es vor allem darum, Geschlossenheit und Vertrauen für einen Mann zu demonstrieren, der im Zweifel dem Druck eines Präsidenten standhalten muss, der die Grenzen der eigenen Befugnisse selten respektiert.

Wray gibt sich auffallend vorsichtig

Dennoch war Wray sichtlich auf der Hut, als sei er sich des außergewöhnlichen Balanceakts seiner künftigen Rolle schmerzlich bewusst. Trotz aller Ankündigungen, als FBI-Chef keine Rücksicht auf politische Interessen zu nehmen, gab sich der 50-Jährige in seinen Antworten auffallend vorsichtig. Zwar bestätigte er etwa, dass Strafvereitelung ein schwerwiegendes Verbrechen sei. Ob es dafür derzeit allerdings Anzeichen gebe und etwa die Entlassung Comeys gerechtfertigt gewesen sei, wollte er nicht beurteilen. Auch aus Nachfragen zum umstrittenen Verhalten seines Vorgängers während des Wahlkampfs, der Rolle Jeff Sessions’ oder dem Vorwurf des Präsidenten, die Ermittlungen glichen einer Hexenjagd, wand sich Wray unnötig aufwendig heraus. Es schien, als ginge es weniger darum, Freundschaften zu vermeiden, als sich vorzeitig neue Feinde zu machen.

Besonders deutlich wurde die fast bemüht wirkende Vorsicht im Austausch mit dem republikanischen Senator Graham. Ob Russland nach Meinung von Wray Freund oder Feind Amerikas sei, wollte dieser wissen – eine Frage, über die auf dem Kapitolhügel seltene Einigkeit herrscht. Doch Wray zögerte, auf Nachhaken Grahams sagte er schließlich: Wenn ein Land Einfluss auf die Wahlen eines anderen nehmen wolle, dann sei das wohl eine feindliche Aktion, schlussfolgerte er. Auch zu den jüngsten Enthüllungen rund um den Sohn des Präsidenten äußerte sich Wray nicht. Nur so viel: Es wäre vermutlich klug gewesen, hätte Donald Trump Jr. umgehend das FBI informiert, statt sich auf das Treffen einzulassen. Seine Entschuldigung für die vage Haltung: Er habe vor lauter Treffen mit Senatoren keine Zeit gehabt, die Berichte dazu zu lesen.

Das dürfte sich schon bald ändern. Die erste Aufgabe hat Wray am Mittwoch nach mehr als vier Stunden gemeistert. Die anwesenden Senatoren versicherten dem künftigen FBI-Direktor auch zum Abschluss noch einmal ihre Unterstützung und dankten ihm für die Bereitschaft, das Amt zu übernehmen, gerade jetzt. Seiner offiziellen Ernennung steht nun wenig im Weg. Die eigentliche Arbeit beginnt erst danach, unter den Augen der Öffentlichkeit und des Präsidenten. “Das hier”, fasste es die Senatorin Dianne Feinstein aus Kalifornien den Tag passend zusammen, sei wahrscheinlich noch die einfachste Aufgabe. “Also genießen Sie es.”

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