Im Trump-Tower will US-Präsident Donald Trump politische Schadensbegrenzung betreiben. Doch scheitert dramatisch. Ein Kommentar.
Irgendwann ist es genug. Sollte es noch eines Beweises bedurft haben, dass Donald Trump dem Amt des Präsidenten der USA nicht gewachsen ist, dann hat ihn der 71-Jährige am Dienstag geliefert. Statt wie angekündigt über sein Infrastrukturprogramm zu reden, philosophierte Trump in einem teilweise wirren Gedankenstrom über die amerikanische Geschichte, die tödlichen Ausschreitungen von Charlottesville und vor allem über sich selbst.
Bei dem Auftritt vor den goldenen Aufzugtüren in seinem heimischen Trump-Tower wurde ganz deutlich: Der Präsident hat seine verharmlosenden Äußerungen zur rechten Gewalt vom Golfplatz in Bedminster genauso gemeint. Seine staatsmännische Verurteilung von weißem Überheblichkeitswahn und Rassismus am Sonntag im Weißen Haus war niemals ernstgemeint. Nicht zufällig las Trump die Proklamation des Selbstverständlichen Wort für Wort vom Teleprompter ab: Es klang wie der Forderungskatalog eines Menschen, der von seinem Berater-Umfeld gekidnapt wurde.
Trump fehlt jeglicher moralischer Kompass
Doch der Versuch der politischen Schadensbegrenzung ist dramatisch gescheitert. Nun ist Trump wieder Trump. Ein ignoranter Prolet, der argumentiert, dass unter hakenkreuzschwingenden Neo-Nazis mit Fackeln und antisemitischen Parolen auch nette, friedliebende Menschen weilen. Schlimmer noch: Indirekt legt er nahe, dass die linken Gegendemonstranten eigentlich ein bisschen Mitschuld am Tod der 32-jährigen Heather Heyer tragen, die von einem fanatischen Neo-Nazi mit dem Auto zermalmt wurde.
Je länger man dem Präsidenten der USA zuhörte, desto mehr schrumpfte der menschenverachtende Hass zur, nunja, etwas erregten politischen Debatte und terroristischer Mord zu einem sehr traurigen („Sad!“) Unglücksfall. Selbst sein Stabschef John Kelly schien es kaum ertragen zu können.
Eine solche Relativierung von rhetorischer Brandstiftung und fanatischer Gewalt ist unerträglich. Sie zeigt, dass Trump jeglicher moralischer Kompass und die charakterliche Eignung fehlt, ein Land wie die USA zu führen. Statt den Angehörigen des Opfers echte Empathie zu zeigen, schwafelte der Präsident tatsächlich von seinem großartigen Weingut, das in dem schönen Universitätsstädtchen liegt, das am Wochenende zum Hort des Horrors wurde.
Der Mann ist besessen von sich selbst und unfähig zur menschlichen Anteilnahme, er hat sich nicht unter Kontrolle, er sprengt die amerikanische Gesellschaft – und möglicherweise nicht nur die: er besitzt den Atomkoffer. Donald Trump müsste dringend seines Amtes enthoben werden. Das wissen auch viele Republikaner. Trotzdem sagen es nur wenige offen. Man kann das Taktik nennen. Oder Opportunismus. Tatsächlich muss man der Grand Old Party mit ihren hehren konservativen Idealen etwas anderes bescheinigen, wenn sie die Dinge weiter treiben lässt: moralische Verkommenheit.
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